A.J.Triskel

Geschichten aus der BDSM-Welt



Oxana, ist attraktiv, hochintelligent und absolut skrupellos
Prolog
Oxana steht im Türrahmen des Arbeitszimmers und lässt ihren Blick über die Verwüstung schweifen. Ein Lächeln huscht über ihre Lippen. Sie tritt ein, löscht das Licht und lässt sich in den ledernen Ohrensessel sinken. Im Dunkeln verschmilzt ihr schwarzes Lederkostüm mit dem Sessel, wodurch sie fast unsichtbar wird. Mit geschlossenen Augen schraubt sie den Schalldämpfer auf die 9‑mm‑Makarow und lädt die Waffe durch. Das vertraute Gefühl von Metall in ihren Händen bringt eine beinahe beruhigende Klarheit. Diesen Wink des Schicksals ungenutzt zu lassen, wäre fahrlässig. Oxana legt die Pistole auf die rechte Lehne des Sessels und prüft in Gedanken nochmals den Plan. Alles ist genau dort, wo es sein muss. Nichts steht mehr zwischen ihr und ihrem Ziel.
1.
Oxana erblickte in einem verschlafenen Dorf am Nebenarm der Mana, südwestlich der Provinzhauptstadt Krasnojarsk, das Licht der Welt. Die Kolchose SS‑216 war so wenig bekannt, dass sie nur in regionalen Karten verzeichnet war. Doch für die UdSSR, wie das Land zu jener Zeit noch hieß, war dieses abgelegene Fleckchen Erde keineswegs unbedeutend: Der Boden war fruchtbar und fast jeder unbewohnte Fleck von dichten, unberührten Wäldern bedeckt. Die Erde schien zu leben. Sie gab reichlich und war das Rückgrat der Kolchose, die das Dorf ernährte. Dank der Landwirtschaft und dem nahen Sägewerk gab es genug Arbeit, weshalb Mangel für die Dorfbewohner ein Fremdwort war. In dieser abgeschiedenen Welt schufteten die Mütter auf den Feldern und die Väter in der Sägemühle oder im Wald, während die Kinder sorglos die Schule besuchten oder auf dem Dorfplatz spielten. Nur die vereinzelt hallenden Schüsse eines Jägers aus den tiefen Wäldern störten die idyllische Stille. Hier, weit weg von der sozialistischen Hauptstadt, schien die Zeit langsamer zu vergehen – ein kleines Universum für sich.
An ihren Vater hatte Oxana nur vage Erinnerungen aus früher Kindheit: den herben Geruch von Holz an seiner Arbeitskleidung, seine rauen Hände, die nach Harz dufteten. Als Vierjährige hatte sie nicht verstanden, warum er plötzlich fort war. Die Erklärungen der Erwachsenen waren ausweichend gewesen. Später erfuhr sie: Sein Unwille, sich dem kommunistischen System zu unterwerfen, hatte ihm als Staatsfeind eine langjährige Haftstrafe eingebracht.
Als sie in die Schule kam, fielen ihre außergewöhnliche Intelligenz und ihre schnelle Auffassungsgabe auf. Besonders bemerkenswert war ihre Begabung für Fremdsprachen – ein Talent, das in ihrer Umgebung besonders hervorstach. In der Nähe von China lebend, war es nicht verwunderlich, dass sie bereits im Kindesalter begann, Mandarin zu lernen. Was die meisten Nicht‑Chinesen als unüberwindbare Hürde empfanden, bereitete ihr überraschenderweise Freude. Mit der Präzision eines Kalligraphen malte sie die Zeichen, als sei sie Laotse selbst, der die Weisheiten der alten Welt in die Tinte tauchte.
Im Winter 1991 änderte sich die Welt von einem Tag auf den anderen.
Das ganze Dorf bereitete sich auf das Jolkafest vor – ein traditionsreiches Jahresabschlussfest –, als sich die UdSSR plötzlich in Luft auflöste. Einige wenige Erwachsene, die politisch interessiert waren, hatten diese Entwicklung kommen sehen. Doch Kinder wie Oxana waren zu jung, um die Bedeutung dieser Umwälzung zu begreifen. Sie feierten, wie jedes Jahr, unter der festlich geschmückten Tanne in der weißen Winterlandschaft. Die Gespräche der Erwachsenen über bevorstehende Veränderungen blieben für die Kinder unverständlich; ihre wahre Bedeutung bemerkten sie erst viel später.
Schon bald verwandelten sich Borschtsch und Boeuf Stroganoff von den gewohnten, kargen Gerichten in etwas Besonderes – denn jetzt war Fleisch keine Seltenheit mehr. Es gab Obst, das man bis dahin nur aus Büchern kannte und Schokolade, die jetzt nicht nur süß, sondern auch nach Kakao schmeckte. Sonntags versammelte man sich in einem neuen Gebäude, bei dem zwar noch das Dach fehlte, um einen Gott anzubeten. Ein neues Fest fand Einzug: Ostern. Befreit von der Furcht, denunziert zu werden, nahm man die Fastenzeit wieder ernst. Die Kinder waren verwirrt, als sie vor den Festtagen nur spärliche Kost bekamen, doch sie wurden am Feiertag mit Leckereien entschädigt, die sie nie zuvor gesehen hatten.
Die auffälligste Veränderung jedoch war das Fernsehen. Die westlichen Sender brachten nicht nur neue Programme, sondern vor allem eines: Werbung. Glänzende Autos, luxuriöse Kleidung, verlockende Kosmetik – eine Welt des Überflusses drang in die bescheidenen Wohnzimmer der Dorfbewohner. Für Oxana waren diese Bilder wie ein Rausch. Sie starrte gebannt auf den Bildschirm, während sich in ihr ein unstillbares Verlangen formte. Schnell begriff sie, dass dafür Geld notwendig war – eine Menge Geld, das in der sibirischen Einöde nicht zu verdienen war, sondern nur im wohlhabenden Westen. Sie fasste den Plan, das Dorf zu verlassen und sich ein vermögendes Leben aufzubauen – ein ehrgeiziges Ziel für ein neunjähriges Mädchen. Um diesem Ziel näher zu kommen, begann sie, in der Schule Englisch und Deutsch zu lernen. Doch damit gab sie sich nicht zufrieden. In jeder freien Minute verfeinerte sie ihre Sprachkenntnisse und suchte nach mehr. Die westlichen Filme, die sie in Originalsprache verschlang, lehrten sie nicht nur Vokabeln und Grammatik, sie zeigten ihr auch, Erfolg hatte seinen Preis. In den Geschichten der Aufsteiger und Gewinner erkannte sie ein Muster – wer es nach oben schaffen wollte, durfte keine Skrupel haben. Hindernisse auf dem Weg zum Ziel waren Feinde, die es zu beseitigen galt. Diese Erkenntnis prägte sich tief in ihr junges Bewusstsein ein.
*
In der vierten Klasse wurde ein Schulprojekt ausgeschrieben: Die Schüler sollten das Modell einer Stadt bauen. Der Hauptpreis war verlockend ‑ eine Woche St. Petersburg, inklusive Besuch der Eremitage. Für Oxana war der Sieg alternativlos. Für ihre Konkurrenz verhieß das nichts Gutes. Mit ihren langen blonden Haaren und dem Engelsgesicht hielten sie alle im Dorf für die Unschuld in Person. Niemand ahnte, dass hinter der lieblichen Fassade eine erschreckende Kälte heranwuchs. Ihre Zielstrebigkeit hatte sich in eine berechnende Skrupellosigkeit verwandelt, für die die Grenze zwischen Recht und Unrecht bedeutungslos wurde. Nicht, dass Oxana nicht wusste, was Unrecht war – doch es war für sie kein Hindernis, sondern nur der Anlass zur Vorsicht und besseren Planung. Mit ihrer süßen Erscheinung und den unschuldigen, kristallblauen Augen schaffte sie es, dass sich ihre Mitschüler nach und nach öffneten und ihre Projekte zeigten. Nach Abschluss dieser Erkundung sah sie nur eine ernsthafte Konkurrenz – und diese musste ausgeschaltet werden.
Am Abend vor der Entscheidung wartete Oxana geduldig auf die Dämmerung. Als die Schatten länger wurden, schlich sie sich aus dem Elternhaus. Die Dunkelheit war ihr Verbündeter, als sie sich dem Grundstück ihrer Konkurrenz näherte. Das Modell des Mitschülers war zu groß, um es im Wohnhaus zu lagern. Deshalb wurde es in der Scheune aufbewahrt, die etwa fünfzig Meter vom Haus entfernt lag. Die Dunkelheit nutzend, stahl sich Oxana ungesehen hinein. Es war Herbst und überall lagen Heuballen, mit denen die Tiere im Winter gefüttert werden sollten. Um nicht durch einen Lichtstrahl verraten zu werden, hatte sie eine Blaulichtlampe dabei. Mit deren Hilfe durchsuchte sie die Scheune und wurde schließlich auf dem Dachboden fündig. Auf vier zum Quadrat zusammengestellten Heuballen fand sie das gesuchte Modell. Sie sammelte loses Heu, verteilte es auf dem Boden und legte es sorgfältig rund um die Ballen, auf denen das Modell stand. Ein Geräusch ließ sie zusammenzucken. Schnell suchte sie Schutz zwischen zwei Heuballen und verharrte dort. Doch es waren nur Mäuse, die über den Boden huschten und sich ein paar Halme sicherten. Oxana atmete erleichtert auf und schlich erneut aus der Scheune, um sich zu vergewissern, dass sie unbemerkt geblieben war. Dann kehrte sie zurück, entzündete das Heu und versteckte sich unweit hinter einem Gebüsch. Es dauerte länger als sie erwartet hatte, bis zunächst Rauch und schließlich Flammen aus dem Dachstuhl drangen. Das Gebäude brannte bereits lichterloh, als die Familie es bemerkte. Eine Weile beobachtete Oxana die verzweifelten Löschversuche mit der kühlen Distanz einer Außenstehenden. Als das Krachen des berstenden Gebälks die Nacht zerriss, wandte sie sich ab. Der Verlust der Scheune und des Wintervorrats war für sie nichts als ein Kollateralschaden auf dem Weg zu ihrem Ziel. Mit der Gewissheit des Sieges kehrte sie heim, als wäre es nur ein nächtlicher Spaziergang gewesen. Als sie im Bett lag, wurde ihr bewusst, dass sie mit der Brandstiftung eine Schwelle überschritten hatte. Fast erschrak sie darüber, wie wenig es sie berührte, diese neue Stufe der Skrupellosigkeit erklommen zu haben. Sie hatte nicht nur eine Scheune zerstört, sondern auch den letzten Rest ihrer kindlichen Unschuld verloren.
*
Drei Wochen später saß sie zusammen mit Kindern anderer Schulen und einigen Lehrern in der Eisenbahn auf dem Weg nach St. Petersburg, das noch Monate zuvor Leningrad hieß und im Volksmund nur Piter genannt wurde.
Fast drei Tage ratterte der Zug durch die endlosen Weiten Sibiriens. Mit jedem verstrichenen Tag wuchs in Oxana die Erkenntnis, wie unermesslich groß Russland war. Und wenn ihr Heimatland schon so gewaltig war ‑ wie riesig musste dann erst die ganze Welt sein?
Am frühen Mittag erreichten sie den Moskauer Bahnhof. Beim Aussteigen traf Oxana der Schock der Großstadt mit voller Wucht: Die Menschenmenge, die sich über den Bahnhofsvorplatz schob, übertraf die gesamte Einwohnerzahl ihres Dorfes um ein Vielfaches. Zwischen all den Menschen entdeckte sie einen Zeitungskiosk mit ausländischer Presse. Um ihre Sprachkenntnisse zu überprüfen, kaufte sie eine amerikanische und eine deutsche Zeitung. Ein Bus holte sie vom Bahnhof ab. Während der Fahrt staunte Oxana über die vielen hohen Gebäude und den dichten Verkehr, der durch diese große Stadt wogte. Völlig überwältigt von dem riesigen, prunkvollen Hotel stieg sie aus dem Bus. Das Hotel übertraf alles, was sie sich in ihren kühnsten Träumen ausgemalt hatte. Marmorsäulen, glitzernde Kronleuchter, uniformierte Angestellte ‑ eine Welt des Luxus. Für die Gewinner des staatlich gesponserten Wettbewerbs war das oberste Stockwerk reserviert. Als sie mit dem Aufzug nach oben fuhren, spürte Oxana ein triumphierendes Kribbeln. Ihr skrupelloser Plan hatte sich ausgezahlt. Am Fenster ihres Zimmers stand sie wie ein Raubvogel über der Stadt und blickte auf die Newa, die sich wie ein silbernes Band in die scheinbar endlose Ostsee ergoss. In diesem Moment schwor sie sich, dass dies erst der Anfang war. Kaum hatte sie die Koffer ausgepackt, begab sie sich ins Hotelrestaurant. Die Vorfreude auf das Abendessen war groß ‑ noch größer aber war ihre Gier nach mehr von dieser Welt des Luxus und der Macht.
Während ihre Mitschüler zu einheimischen Gerichten griffen, entschied sich Oxana bewusst für ein Wiener Schnitzel mit Bratkartoffeln. Diese Wahl kam nicht von ungefähr: Die weltberühmten Wiener Spezialitäten hatten ihr Interesse längst geweckt und sie war gespannt, ob der Geschmack den verlockenden Erzählungen standhalten würde. Mit neugierigem Blick wandte sie sich an den Ober und erkundigte sich nach der Bedeutung von Zitrone und Kapern als Beilage. Lächelnd erläuterte dieser die traditionelle Garnitur und legte ihr ans Herz, als krönenden Abschluss eine Sachertorte zu probieren – ebenfalls eine Wiener Spezialität par excellence. Schon die erste Gabel überzeugte sie. Die Zartheit des Fleisches unter der perfekt knusprigen, goldbraunen Panade begeisterte sie, während die knusprigen Bratkartoffeln das Geschmackserlebnis harmonisch abrundeten. Nach dem letzten genussvollen Bissen stand für Oxana fest: Wien hatte einen besonderen Platz in ihrem Herzen erobert. Nicht nur das ausgezeichnete Essen, sondern auch das unvergleichliche Flair dieser eleganten Metropole hatten sie verzaubert.
Am Nachmittag besuchten sie das Mariinski‑Theater, um Tschaikowskis 'Schwanensee' zu erleben. Oxana kam sich bei der romantischen Musik und den anmutigen Bewegungen der Tänzerinnen wie in einem Traum vor. Hier, in dieser prachtvollen Umgebung, spürte sie, wie sehr die Welt sich von ihrem Heimatdorf unterschied. Diese Stadt und ihre Kultur waren weit entfernt von dem, was sie kannte und doch fühlte sie sich so stark davon angezogen. Die Welt hatte so viel Schönes zu bieten, was es in ihrem Dorf nicht gab. Sie musste dem ländlichen Leben entfliehen, um all das zu erleben, was sie sich erträumt hatte.
Beim Abendessen im Hotelrestaurant verschmähte sie erneut die einheimischen Gerichte und entschied sich diesmal für einen mediterranen Meeresfrüchtesalat. Jedes Gericht, das sie noch nicht kannte, schien ein neues Abenteuer zu sein. Nach diesem Genuss fasste sie den Plan, bis zur Abreise alle ausländischen Gerichte auf der Karte auszuprobieren. Es war nicht nur der Hunger nach verschiedenen Geschmäckern, sondern auch der Hunger nach der Welt – nach allem, was sie sich erhofft hatte und noch entdecken wollte.
Im Anschluss durften die Schüler in ihre Zimmer, wo Oxana direkt das Badezimmer inspizierte. Zu Hause konnte sie höchstens zweimal pro Woche in einer Zinkwanne baden, die mit heißem Wasser von der Feuerstelle gefüllt wurde. Hier jedoch gab es eine bequeme Keramikwanne mit goldfarbenen Wasserhähnen, aus denen das Wasser in der gewünschten Temperatur floss. Man konnte es sogar sprudeln lassen, was sie besonders faszinierte. Mit einer der Zeitungen in der Hand genoss sie die entspannende Wärme des sprudelnden Wassers und stellte erfreut fest, dass sie fast alles übersetzen konnte. Doch einige Artikel verstand sie inhaltlich nicht ganz, denn Themen wie internationale Politik und Kapitalismus waren als Schulfächer noch nicht bis in ihre Provinz vorgedrungen. Oxana beschloss, nicht auf die Schulfächer zu warten und sich selbst das notwendige Wissen anzueignen. Nach dem Bad verbrachte sie lange Zeit damit, verträumt den Blick aus dem Fenster zu werfen, während ihr die Musik der Ballettaufführung im Kopf blieb. Erschöpft von den Eindrücken des Tages, fiel sie schließlich ins Bett und träumte davon, die Welt zu entdecken.
Am Morgen erlebte sie die nächste Überraschung. Als sie das Restaurant betrat, erwartete sie, wie zu Hause, ein einfaches Frühstück. Doch stattdessen lachte ihr ein riesiges Buffet entgegen. Die üppige Auswahl an Speisen war so überwältigend, dass sie für einen Moment wie verzaubert stehen blieb. Bunte Früchte und exotische Gerichte, die sie nur aus Erzählungen kannte, alles schien ein Fest für ihre Sinne zu sein. Mit weit aufgerissenen Augen packte sie von allem, was sie nicht kannte, etwas auf den Teller. Jede Gabel, die sie nahm, war eine Entdeckung und das Meiste schmeckte köstlich. Doch Oxana spürte auch die Verwirrung, als sie sich mit den neuen, fremden Geschmäckern auseinandersetzte. Etwas anderes lag in der Luft: der Geschmack der Freiheit, des Wohlstands und einer Welt, die weit entfernt war von dem einfachen, nüchternen Leben, das sie bis jetzt gekannt hatte.
Der Tag begann mit einer aufregenden Stadtrundfahrt. Oxana konnte ihren Blick kaum von den imposanten Gebäuden der Stadt abwenden, die an ihr vorbei zogen. Im roten Doppeldeckerbus – der ein Stück London mit sich brachte – fühlte sie sich wie eine Fremde, die die Welt neu entdeckte. Der Guide erklärte mit Stolz die geschichtlichen Hintergründe zu jeder Sehenswürdigkeit, aber für Oxana waren es vor allem die Menschen, die sie faszinierten. Die Masse an Besuchern und die pulsierende Energie der riesigen Stadt überwältigten sie. Ihr erster Stopp führte sie zum allerersten McDonald's in Russland. Zwar bestaunte sie die grellen Farben und die moderne Atmosphäre, doch sie war enttäuscht. Sie rümpfte die Nase und beobachtete die anderen Kinder, die das Fast Food mit den Händen verschlangen. Es war ihr zu grob, zu einfach. Ihre Welt sollte von feineren Dingen geprägt sein, auch wenn sie noch nicht genau wusste, wie sie diese erreichen sollte. Mit den Händen zu essen, erschien ihr unhöflich, fast primitiv.
Die nächsten zwei Tage waren dem Besuch der Eremitage gewidmet. Oxana war voller Vorfreude auf das, was sie dort alles entdecken würde. Als sie durch die prunkvollen Hallen mit den atemberaubenden Kunstwerken schritt, fühlte sie sich von den Gemälden, den goldverzierten Möbeln und den antiken Skulpturen, die Geschichten aus einer längst vergangenen Welt erzählten, förmlich eingesogen. Doch inmitten dieser Schönheit war es nicht nur die Kunst, die ihre Aufmerksamkeit fesselte. Es waren auch die Touristen, die aus allen Teilen der Welt angereist waren und eine Welt kannten, die sie sich nicht einmal erträumen konnte. Es waren die Stimmen und Gesichter, die so anders waren als alles, was sie je erlebt hatte. Mehrmals testete sie ihre Sprachkenntnisse und sprach mit den ausländischen Besuchern. Dabei spürte sie ein stilles Vergnügen, als sie bemerkte, wie fließend sie die Sprache beherrschte. Sie verstand alles – und die Touristen verstanden sie. Ein kleiner Triumph, der ihr zeigte, wie weit sie schon gekommen war, auch wenn das erst ein erster kleiner Schritt zu ihrem Ziel war.
Am nächsten Tag begleitete ein Museumsangestellter die Gruppe und führte sie zu den wertvollsten Exponaten. Während der Führung erfuhr Oxana, dass einige der ausgestellten Kunstwerke Milliarden Rubel wert waren – eine Summe, die für jeden Bewohner ihres Dorfes unvorstellbar hoch war. In diesem Moment stieg in ihr eine Mischung aus Ehrfurcht und Entschlossenheit auf. Die Vorstellung, dass ein einziges Gemälde mehr wert war, als das ganze Dorf in einem Jahr verdienen konnte, entfachte in ihr eine tiefe Sehnsucht. Sie wollte mehr – viel mehr. Sie wollte zu den Menschen gehören, die solche Schätze besaßen und nicht zu denen, die auf das Wohlwollen der Reichen angewiesen waren. Diese Erkenntnis brannte in ihr wie ein Funke, der sie mit einem klaren Ziel vor Augen zurückließ: Sie musste das Dorf verlassen, koste es, was es wolle.
Am letzten Tag ihres Aufenthalts in St. Petersburg durften alle Schüler in kleinen Gruppen die Stadt auf eigene Faust erkunden. Oxana nutzte die Gelegenheit, um durch die Straßen zu schlendern, sich an den luxuriösen Läden und den breiten Boulevards zu berauschen. Doch sie war nicht nur von den verlockenden Schaufenstern angezogen, sondern auch auf der Suche nach Wissen, nach einer Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln. Mit ihren verbliebenen Rubeln betrat sie eine nahegelegene Buchhandlung und kaufte zwei Werke über die Familie Medici. Die Geschichte von Wohlstand, Macht und Einfluss hatte sie schon immer fasziniert und sie wollte sie bis in die letzten Details verstehen. Drei Tage später, als der Zug in die Provinzhauptstadt einfuhr, hatte sie die fast achthundert Seiten verschlungen. Der Gedanke, was nötig war, um zu denjenigen zu gehören, die die Fäden der Welt in der Hand hielten, brannte sich tief in ihr Gedächtnis ein. Oxana wusste jetzt genau, was zu tun war: Sie würde das Dorf nicht nur verlassen, um die Welt zu erobern. Die Welt sollte ihr zu Füßen liegen.
2.
Geheimnisse über die Dorfbewohner zu sammeln, um sie zu ihrem Vorteil zu nutzen, wurde Oxanas neues Hobby. Um an Beweise dafür zu gelangen, stahl sie in einem der neuen kapitalistischen Kaufhäuser eine teure Digitalkamera. Mit dieser konnte sie heimlich Aufnahmen der Dorfbewohner machen, um ihre Schwächen und Geheimnisse zu sammeln. Die Bilder druckte sie heimlich am Schulcomputer aus und begann, eine Sammlung anzulegen. Die Mutter ließ ihr viele Freiheiten und so fiel es nicht auf, wenn Oxana, kaum dass es dunkel wurde, aus dem Fenster kletterte, um heimlich die Dorfbewohner zu beobachten. Wie ein Schatten huschte sie lautlos durch die nächtlichen Straßen, immer auf der Suche nach den dunklen Geheimnissen der Dorfbewohner. Dazu gehörten verheiratete Männer, die sie auf dem Weg zu ihren Geliebten verfolgte, um kompromittierende Fotos zu schießen. Dass in dem idyllischen Dorf nur wenige Dorfbewohner ihre Türen verschlossen, kam ihr dabei sehr entgegen. Sie sammelte Aufnahmen von gewalttätigen Szenen in Ehen, Vergewaltigungen, Diebstählen und Geschäftsleuten, die ihre illegalen Transaktionen im Dunkeln an der Hintertür abwickelten. Bald hatte sie Beweise für alle dunklen Geheimnisse der Dorfbewohner. Bei den anschließenden Erpressungen ging sie sehr geschickt vor. Sie verlangte nur Geld oder Objekte, die nicht auf sie als Täterin hinwiesen. Niemand hatte das unschuldig aussehende Mädchen in Verdacht.
Oxana hatte aus den Fernsehfilmen und den mitgebrachten Büchern gelernt, dass es einer Frau möglich war, Männer zu manipulieren, indem sie ihre weiblichen Reize einsetzte. Doch als Zehnjährige hatte sie noch keine genaue Vorstellung davon, wie sie diese Macht für sich selbst nutzen konnte. Das Internet war zwar im Kommen, doch noch nicht in ihrem abgelegenen Dorf angekommen. Um sich das nötige Wissen anzueignen, musste sie eine vierzigminütige Zugfahrt in die Provinzhauptstadt auf sich nehmen, um in einem Internetcafé zu surfen. Eines Morgens beschloss sie, statt in die Schule in das Café zu fahren und verbrachte dort den Tag. Am Nachmittag kehrte sie mit einer Liste von über hundert Filmtiteln – die meisten davon harte Pornos – nach Hause zurück.
In der Schule fiel Oxana lediglich durch ihre außergewöhnlichen Leistungen auf. Obwohl sie bei ihren Mitschülern recht beliebt war, schien sie keine engen Freundschaften zu pflegen. Hätten die Lehrer von ihren nächtlichen Aktivitäten gewusst, wäre ihnen klar geworden, dass Oxana schlicht keine Zeit für solche Beziehungen hatte. Inzwischen sprach sie so fließend Deutsch und Englisch, dass ihr Akzent kaum wahrnehmbar war. Ihr Mandarin war ebenfalls so gut, dass sie problemlos Gespräche führen und Zeitungen lesen konnte. Während ihre Mitschüler oft lange an schriftlichen Aufgaben saßen, konnte sie die gleichen Rechnungen im Kopf in der halben Zeit erledigen. Die Lehrer empfahlen der Mutter, Oxana auf eine Eliteschule in der Provinzhauptstadt zu schicken. Oxana war begeistert von dieser Idee. Sie sah es als ersten Schritt aus dem, wie sie es empfand, rückständigen Dorf. Außerdem würde es ihr die gelegentlichen Fahrten dorthin ersparen, die sie bis dahin immer heimlich unternommen hatte.
Oxana hatte einen Augenfehler, der sowohl positive als auch negative Auswirkungen hatte. Bei Dunkelheit funktionierten ihre Augen fast wie ein Nachtsichtgerät, doch zu intensive Sonnenstrahlen bereiteten ihr Schmerzen. Deshalb spazierte sie oft durch den Wald und gelangte in Gebiete, die seit Jahren niemand mehr betreten hatte. Auf einem dieser Streifzüge entdeckte sie eine vergessene Jagdhütte, die zu Zeiten des Sozialismus als Unterkunft für den staatlichen Jäger diente, der die Wölfe vom Dorf fernhielt. Strom‑ und Wasseranschlüsse aus dieser Zeit funktionierten noch, weshalb Oxana die Hütte zu ihrem geheimen Unterschlupf machte, in dem sie ihre Beute und Beweise versteckte.
Nach den Ferien – sie war inzwischen stolze zwölf Jahre alt – fuhr Oxana jeden Tag mit der Eisenbahn in die Hauptstadt und wieder zurück. Der Unterrichtsstoff an der neuen Schule wurde schneller durchgenommen als zuvor, was nicht nur die Langeweile verringerte, sondern auch für weniger Schulstunden sorgte. Trotz der täglichen Fahrt verbrachte sie insgesamt nicht mehr Zeit mit der Schule als vorher. Die vierzig Minuten Rückfahrt reichten ihr fast immer, um die Hausaufgaben zu erledigen. Dadurch musste sie diese nicht länger in der Hütte machen und hatte sogar mehr Zeit für ihre Hobbys als zuvor.
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Im Süden trennte die Wüste Gobi die Region von China – eine schwer kontrollierbare Grenze. Die dort ansässigen Mongolen nutzten die Gegebenheiten und agierten gerne als Handelsvermittler. In diesem abgelegenen Gebiet fernab des Kremls florierten Schmuggel und Schwarzmarkt, denn Luxusgüter des Westens erreichten die Region nur selten auf offiziellem Weg. Zobel‑ und Wolfsfelle, in China heiß begehrt, wurden gegen Elektronikwaren aus der Provinz Taiwan getauscht. So besaß beinahe jeder Haushalt im Dorf einen Fernseher und Videorekorder sowie eine Sammlung von Videokassetten mit westlichen Filmen. Bei den Frauen waren Streifen mit Doris Day und Marilyn Monroe besonders beliebt, während die Männer vorzugsweise Western sahen. Es war daher kaum überraschend, dass diese beiden amerikanischen Damen sowie John Wayne und Henry Fonda in der Region bekannter waren als viele Politiker des eigenen Landes – ein Umstand, der in Moskau vermutlich für Missfallen gesorgt hätte, wäre es bekannt gewesen.
Dimitrij Pjotrowitsch Andropow, der Besitzer eines Elektrogeschäfts, bezog einen Teil seiner Waren auf diesem inoffiziellen Weg. Oxana war darüber bestens informiert und hatte Beweisfotos gesammelt. Eines Tages entdeckte er einen Umschlag mit drei dieser Fotos und einem Zettel. Darauf stand eine Liste mit DVDs sowie die Aufforderung, diese zusammen mit einem DVD‑Player, einem Fernseher, einem PC mit Monitor und einem All‑in‑one‑Drucker zwei Tage später im Wald zu deponieren. Die geforderten Geräte zu beschaffen, war für ihn kein Problem und der finanzielle Verlust hielt sich in Grenzen. Deshalb biss er widerwillig in den sauren Apfel, lieferte die gewünschten Dinge im Wald ab und hoffte, damit die Angelegenheit erledigt zu haben. Aus einem Versteck im Unterholz beobachtete Oxana, wie Dimitrij die Bestellung ablegte und wieder verschwand. Erst als sie sicher war, dass er den Wald verlassen hatte, holte sie die Ausrüstung und schaffte sie in die Jagdhütte.
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Am Tag nach ihrem dreizehnten Geburtstag war die Jagdhütte so eingerichtet, dass jeder Dorfbewohner vor Neid erblasst wäre. Mit einer Grundfläche von achtundzwanzig Quadratmetern und einem soliden Dachstuhl bot sie erstaunlichen Komfort. Über ein Jahr hatte es gedauert, alle Einrichtungsgegenstände zu organisieren, in die fast zwei Kilometer vom Dorf entfernte Hütte zu schaffen, und dort zusammenzubauen. Eine erstaunliche Leistung für eine Zwölfjährige, die ihre Entschlossenheit und ihren Einfallsreichtum eindrucksvoll unter Beweis stellte. Niemand hätte dem unscheinbaren Mädchen solch ein Unterfangen zugetraut. An der Rückwand der Hütte stand ein vier Meter breiter Schreibtisch, auf dem der PC mit Monitor und Drucker aufgestellt war. Zwei Regale, gefüllt mit Büchern und DVDs, rahmten an einer anderen Wand einen Fernseher und einen DVD‑Recorder ein, während Teppiche den Boden bedeckten. Am beeindruckendsten waren jedoch der Sessel und der Kühlschrank. Diese hatte sie nachts, unter Anwendung all ihrer physikalischen Kenntnisse über Hebel und Flaschenzüge, mit einem Rodelschlitten aus dem Haus eines verstorbenen Dorfbewohners geholt. Da der Verblichene keine Familie mehr hatte, fiel das Fehlen der Möbelstücke niemandem auf. Obwohl sie nach diesem Kraftakt das Gefühl hatte, gegen einen Bären gekämpft und verloren zu haben, versetzte sie das Triumphgefühl in einen Glückszustand, der einem Drogenrausch glich. Auf dem Dachboden, den sie über eine Leiter erreichte, hatte sie sich aus einer zwei mal zwei Meter großen Luftmatratze, die sie in einem Campinggeschäft in der Provinzhauptstadt erstanden hatte, ein Bett gebaut. Der Zweiplattenkocher und der Staubsauger rundeten die erstaunliche Ausstattung ab.
Sowohl die Hütte als auch der kleine, ein paar Meter entfernte Abort waren mit militärischen Tarnnetzen bedeckt. Diese hatte Oxana in einem Geschäft erstanden, das ausgemusterte Ausrüstung der Streitkräfte verkaufte. Durch die Tarnung war die Hütte nur zu entdecken, wenn man von ihrer Existenz wusste – oder zufällig dagegen lief. Oxana verbrachte jede freie Minute in ihrem Versteck und vertiefte sich in Bücher über die Geschichte mächtiger Familien, Werke von Philosophen wie Machiavelli und DVDs für Erwachsene. Sie eignete sich theoretisch alles an, was sie über die Manipulation von Menschen und die Rücksichtslosigkeit für Erfolg wissen musste. Besonders begeisterte sie die Serie 'Dallas' und ihr großes Idol J. R. Ewing. Wie jeder Schüler nahm sie sich vor, ihr Vorbild zu übertreffen.
Jetzt musste sie das theoretische Wissen in praktische Erfahrungen umsetzen. In der Anonymität der Waldhütte streichelte sie sich zu ersten Orgasmen. Bald wusste sie, wie ihr Körper auf unterschiedliche Stimulierungen reagierte. Doch Sex ist nicht für eine einzelne Person gedacht und so brauchte sie ein männliches Forschungsobjekt.
Ein hübsches Mädchen wie sie war natürlich der Schwarm aller Jungen und jeder kam als Opfer infrage. Um die Gefahr zu minimieren, die Kontrolle über die Situation zu verlieren, wählte sie den Außenseiter des Dorfes aus. Dieser konnte sein Glück kaum fassen, dass sich das hübsche Mädchen für ihn interessierte. Er ahnte nicht, worauf er sich einließ und dass er nur ein Versuchskaninchen sein sollte.
Akribisch bereitete sie in der Hütte alles vor. Zum vierzehnten Geburtstag lockte sie den Jungen an den See am Waldrand. Dem Plan entsprechend schwammen sie zunächst eine Runde, damit beide nur noch spärlich bekleidet waren. Bei dem anschließenden Picknick zog ihr fast nackter Körper seine neugierigen Blicke an. Als dieser Anblick sein Gehirn vom Kopf zwischen die Beine teleportiert hatte, überrumpelte sie ihn mit einer Frage.
„Willst du mich komplett nackt sehen und dir alles genau ansehen dürfen?“ Ein vierzehnjähriger Junge, der inzwischen entdeckt hatte, dass das Ding in der Hose nicht nur zum Wasserlassen geeignet war, konnte so ein Angebot nicht ausschlagen.
Mit leuchtenden Augen antwortete er: „Ja.“
Er versprach alles zu tun, was sie verlangen würde und sich nicht zu wehren, einerlei was sie anstellen würde. Daraufhin fesselte sie seine Hände und stülpte ihm einen kleinen Sack über den Kopf, den sie mit einer Kordel am Hals zuzog. Dann führte sie das nur mit einer Badehose bekleidete Opfer zu ihrem Versteck.
Es dauerte etwas, bis sie den blinden, gefesselten Jungen dazu bewegt hatte, die Leiter zum Dachstuhl zu erklimmen, wo er sich auf die Matratze legen musste. Diese hatte an den Ecken Schlaufen, die eigentlich dafür gedacht waren, sie zu tragen oder am Boden zu fixieren. Oxana löste die Fesseln und band jede Hand mit einem Seil so an einer der oberen Laschen fest, dass die Arme gespreizt und gestreckt vom Körper zeigten. Dann baute sie ihre Kamera auf und schaltete sie ein. Die Aufnahme würde sowohl als Studienmaterial dienen sowie als Druckmittel, damit der Junge hinterher nicht zu gesprächig über die Ereignisse des Tages war. Oxana zog dem wehrlosen Jungen die Badehose aus und wiederholte mit den Beinen an den unteren Schlaufen, was sie zuvor mit den Armen gemacht hatte. Jetzt, wo sie die absolute Kontrolle über ihn hatte, entfernte sie den Sack und legte ihm ein Kissen in den Nacken. Mit großen Augen sah er zu, wie sie erst das Oberteil und dann das Höschen des Bikinis auszog. Dabei hielt sie den offensichtlichsten Unterschied zu ihrem Körper genau im Blick. Sie wollte beobachten, ob dieser die Reaktion zeigte, wie sie es in den Filmen gesehen und in den Büchern gelesen hatte. – Er tat es. Der Penis fing an, sich zu verändern und aufzurichten. Ihr Streicheln daran verhärtete die Schwellkörper weiter und brachte den Jungen zum Keuchen. Schneller als sie erwartet hatte, schoss eine weißliche Masse hervor und landete, begleitet von Aufstöhnen, auf seinem Bauch. Neugierig untersuchte sie die Konsistenz der Substanz mit den Fingern. Sie hatte eine entfernte Ähnlichkeit mit Gelatine. Erst recht, als diese mit der Zeit die Farbe verlor und durchsichtig wurde. Der Geruch erinnerte sie an eine Fischsuppe, die nicht mehr frisch war. Deshalb zögerte sie etwas, bevor sie die Masse vom Finger leckte. Sie stellte fest, dass die Suppe sehr stark gesalzen war, was mögliche andere Aromen überlagerte. Inzwischen lag das Glied verwelkt auf dem Schoß und hatte Ähnlichkeit mit einem glitschigen Wurm.
Sie hatte gelesen, dass ein Mann jetzt eine Pause benötigte, bevor der Vorgang wiederholbar wäre. Deshalb beugte sie sich über seinen Kopf und drückte ihre Lippen auf seine. Wie sie vermutet hatte, war er genauso unerfahren wie sie und presste seine zusammen. Um aber die Zunge in den Mund zu bekommen, war sie genötigt, diesen Zustand zu ändern. Statt ihn dazu aufzufordern, seinen zu öffnen, hielt sie ihm kurzerhand die Nase zu. Sekunden später war der Weg frei. Oxana untersuchte mit der Zunge den Mundraum, doch blieb seine komplett passiv, wodurch die ganze Sache nur sehr feucht, aber wenig aufregend war. Enttäuscht brach sie den ersten Versuch ab und blaffte den Jungen an. „Ist deine Zunge erstarrt? Wenn du nicht mitmachst, wird der Inhalt meiner Blase in deinem Mund landen.“ Die Drohung verfehlte nicht ihr Ziel. Erneut küsste sie ihn und als die Zungen jetzt miteinander spielten, spürte sie ein seltsames und aufregendes Kribbeln. Zu Testzwecken wiederholte sie den Kuss mit dem gleichen Ergebnis.
Um die gemachten Erfahrungen zu verarbeiten und ihm Zeit für die nächste Runde zu verschaffen, kletterte sie die Leiter in den Wohnraum hinab und setzte sich Wasser für einen Tee auf.
Nachdem sie das Getränk fertig aufgebrüht hatte, nahm sie mit der Tasse am Schreibtisch Platz und ergriff ihre To‑do‑Liste. Sie harkte Erledigtes ab und machte sich Notizen wie 'sehr salzig' hinter Geschmack. Den Tee trinkend, studierte sie die nächsten Punkte auf der Liste.
Als sie ausgetrunken hatte, kletterte sie die Leiter wieder hinauf. Der Junge wirkte erleichtert, sie wiederzusehen.
„Keine Angst, ich werde dich hier nicht vergessen.“ Der Wurm, den sie zurückgelassen hatte, richtete sich bei ihrem Anblick wieder auf. Sie langte mit der Hand zwischen seine weit gespreizten Beine und ergriff die Hoden. Vorsichtig knetete sie den Hautlappen mit den zwei Murmeln darin. Es schien dem Jungen zu gefallen. Langsam steigerte sie den Druck der Hand, bis er die Augen schloss und wieder anfing, schwerer zu atmen. Noch hatte sie wenig Erfahrung mit dem männlichen Körper und selbst für eine geübte Frau ist es kein leichtes Unterfangen, ein innen liegendes Organ wie die Prostata zu finden. Sie zog sich einen Einmalhandschuh über und tauchte einen Finger in ein Gläschen Vaseline. Vorsichtig, weniger aus Sorge, den Jungen zu verletzen, sondern aus Angst, den Finger in eine Öffnung zu führen, die sie nicht kannte, drang sie in seinen Po ein. Wie das Lehrmaterial es beschrieb, übte sie Druck auf die Wand des Rektums aus, bis sich plötzlich das Glied stramm aufrichtete und der Junge lauter stöhnte. Erstaunt zog sie angesichts dieser heftigen Reaktion die Augenbrauen hoch. Etwa eine Minute später schoss erneut eine Ladung weißer Masse aus dem Glied und landete erneut auf seinem Bauch. Diese hatte einen etwas kräftigeren Weißton und war sämiger als bei der ersten Entladung. Doch Geruch und Geschmack waren identisch.
Der nächste Punkt auf der To‑do‑Liste war die Reaktion ihres Körpers auf seine Berührungen. Dazu hockte sie sich über sein Gesicht, zog die Schamlippen auseinander und forderte ihn auf, mit der Zunge die freigegebene Spalte zu bespielen. Allein dort berührt zu werden, erzeugte eine aufregende Veränderung ihres Körpers. Warme Wellen durchströmten sie, was sich anfühlte, als ob sie im Winter nach Hause käme und sich am Kamin in eine Decke einhüllen würde. Plötzlich verstärkte sich alles um den Faktor hundert. Die Zunge hatte den Kitzler erreicht! Ihr wurde schwindelig. Sie war gezwungen, die Hände auf der Matratze abstützen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Die zuvor warmen Wellen verwandelten sich in Hitzewellen. Jetzt war sie über die Experimente froh, bei denen sie sich selbst befriedigt hatte. So wusste sie diese Gefühle, auch wenn sie ein vielfaches intensiver waren, einzuschätzen. Sie hätte sich sonst vielleicht aus Furcht den Berührungen entzogen. Dass die Schamlippen nicht mehr auseinandergezogen waren und jetzt wieder die Scham bedeckten, schien ihn nur für ein oder zwei Sekunden zu irritieren. Dann tauchte seine Zunge dazwischen ein und setzte die Stimulierung fort. Alles war viel intensiver als bei den Selbstbefriedigungen. Die Hitze drohte Oxana zu verbrennen. Als sie eine Brustwarze versehentlich berührte, durchströmte sie eine weitere Erregung. Es fühlte sich herrlich an. Dann glaubte sie, ihr Körper würde zerspringen. Wenige Sekunden später war sie so erschöpft, als hätte sie die Strecke von der Hütte nach Hause rennend zurückgelegt. Noch immer schwammen die Bilder vor ihren Augen. Etwas tapsig krabbelte sie neben den Jungen und legte sich lächelnd auf die Matratze. Es dauerte einige Minuten, bis sie die volle Kontrolle über den Körper zurückerlangte. Erst beim späteren Studium der Filmaufnahmen bemerkte sie ihre spitzen Lustschreie, die ihr zuvor gar nicht bewusst waren.Der Kunststoff der Matratze klebte an der Haut, als Oxana sich erhob. In dem Moment merkte sie erst, wie verschwitzt sie war. Sie stand auf, kletterte die Leiter wieder nach unten und wusch sich. Dann kam sie mit einer Schüssel warmen Wassers, Seife, einem Schwamm und einem Handtuch zurück und säuberte den Intimbereich des immer noch erschöpft dort liegenden Jungen. Sie wusste nicht, wie reinlich er war, und ihr Ekel würde verhindern, diesen jetzt glitschigen Wurm in den Mund zu nehmen. Der nächste Punkt auf der Liste war zu untersuchen, wie sich ihre Berührungen seines Körpers auf seine Erregung auswirkten. Das war leicht zu erkennen, hatte er doch ein auffälliges Anzeigegerät dafür zwischen den Beinen. Sie hatte eine Liste mit fast jeder Körperstelle vorbereitet und notierte die Stärke der Auswirkung in einem Notizbuch. Nachdem sie alle Stellen abgearbeitet hatte, verband sie ihm die Augen und wiederholte den Vorgang. Fasziniert stellte sie fest, dass die Berührungen deutlich stärkere Reaktionen erzeugten als zuvor.
Nachdem Oxana die Liste erneut abgearbeitet hatte, leckte sie mit der Zunge das Glied entlang. Sie empfand den Geschmack nicht so negativ, wie sie befürchtet hatte. Jetzt ergriff sie mit der Hand den Lolli und zog die Vorhaut zurück. Vorsichtig berührte sie mit der Zungenspitze die Eichel, was eine sofortige akustische Reaktion seinerseits erzeugte. Animiert von seinem Stöhnen, spielte sie weiter mit der Zunge daran. Er atmete heftiger und der zuvor schon feste Stab in ihrer Hand wurde richtig hart. Das Machtgefühl, die Erregung des Jungen durch ihr Handeln zu kontrollieren, ließ sie die bisherigen Zweifel, den Penis in den Mund zu nehmen, vergessen. Die Lippen umschlossen die Eichel und nahmen sie im Mundraum auf. Ein lautes Aufstöhnen war die Reaktion. Daraufhin ließ Oxana den Lolli wieder fast aus dem Mund gleiten, um ihn dann erneut aufzusaugen. Das Stöhnen des Jungen verwandelte sich in ein Wimmern. Nachdem sie diesen Vorgang ein paar Mal wiederholt hatte, spielte sie zusätzlich mit der Zunge an dem Lutscher. Die Frequenz des Keuchens erhöhte sich augenblicklich. Jetzt umschloss ihr Mund das Spielzeug wie einen Strohhalm und saugte fest daran. Sie erschrak davon, dass ihr Körper schwankte. Als sie aufblickte, erkannte sie den Grund dafür. Der Junge zappelte, soweit es die Fixierung zuließ, mit den Beinen. Was er sagte, konnte sie nicht genau verstehen, doch ging es dabei um Gott. – Vielleicht war er ja religiös. Weil aber keine eindeutigen Zeichen von ihm kamen, dass sie aufhören sollte, machte sie weiter.
Je fünfmal nahm Oxana die Eichel im Mund auf und ließ sie wieder herausgleiten, wobei sie die ganze Zeit mit der Zunge daran spielte. Danach saugte sie fest an dem Lolli, was jedes Mal ein Zappeln der Beine provozierte. Plötzlich irritierte sie ein Pulsieren an der Hand, die immer noch das Glied an der Wurzel umschloss. Im nächsten Moment hörte sie ein lautes Aufstöhnen und ihr Mund füllte sich mit einer zähflüssigen Masse. Fast augenblicklich wich die Härte aus dem Dauerlutscher. Deshalb gab sie ihn frei und verlagerte ihre Konzentration auf das, was er im Mund hinterlassen hatte. Sie versuchte die Konsistenz mit etwas Bekanntem zu vergleichen, fand aber nichts, was dem gleichkam. Bei der Planung dieses Tages hatte sie über diese Situation nachgedacht und war zu dem Ergebnis gekommen, dass der beste Weg wäre, die Masse schnell komplett zu schlucken. Also setzte sie diesen Plan in die Tat um. Der Geschmack erinnerte sie etwas an Kaviar. Auch der war sehr salzig, was den Eigengeschmack überlagerte, der sich aber dann im Abgang bemerkbar machte. Sie hatte gelesen, dass sich der Wohlgeschmack des Ejakulates durch verschiedene Lebensmittel verändern konnte. Dazu wurde besonders Ananas hervorgehoben. Sie hatte extra eine Dose mit der Südfrucht gekauft, die sie jetzt holte und den Jungen mit den Stücken fütterte. Mit einem Strohhalm ließ sie ihn auch noch den Saft aufsaugen. Dann stieg sie in den Wohnraum hinab und setzte sich erneut Wasser für einen Tee auf.
Als sie den ersten Schluck genommen hatte, stellte sie fest, dass das zuvor noch interessante und neue Aroma im Mund, jetzt den Geschmack des Tees komplett unterdrückte. Davon angeekelt stand sie auf und putzte sich die Zähne. Ein weiterer Schluck Tee bestätigte ihr, dass diese Maßnahme erfolgreich war. Zufrieden wandte sie sich wieder der To‑do‑Liste zu. Aus ihrem Lehrmaterial wusste sie, es würde mindestens zwei, eher drei Stunden dauern, damit die Ananas ihre Wirkung entfaltete. Deshalb legte sie eine DVD in den Rekorder und schaute sich vier Folgen Dallas an.
Nach den Folgen stieg Oxana zurück auf den Dachboden. Ihr Opfer war inzwischen eingeschlafen. Sie kniff in seine Brustwarzen.
„Los, aufwachen, du Schlafmütze. Ich bin noch nicht fertig mit dir.“
„Warum bin ich blind und bewegungslos?“
Oxana entfernte die Augenbinde und der Anblick ihres nackten Körpers brachte die Erinnerung zurück. Ohne Umschweife wandte sie sich mit dem Mund dem besten Stück zu. Inzwischen hatte sie begriffen, dass sie am Stöhnen ablesen konnte, wie sehr ihm gefiel, was sie machte. Keine drei Minuten später hatte sie den Lustsaft herausgesaugt und stellte nach dem Schlucken tatsächlich eine leicht positive geschmackliche Veränderung fest.
Für den letzten Test holte sie eine Uhr und ein Notizbuch. Sie streichelte an dem Glied, bis es wieder hart wurde. Dann brachte sie ihn mit der Hand zum Höhepunkt und wiederholte den Vorgang, wobei sie jeweils die verstrichene Zeit notierte. Wie zur Bestätigung des theoretischen Vorwissens wurde die Zeitspanne immer größer, die er benötigte, um für eine neue Runde bereit zu sein. Schließlich stöhnte er auf, doch die weißliche Masse blieb aus. Auch darauf war sie durch das Vorstudium vorbereitet, allerdings bedeutete es, dass der Junge für sie keinen Nutzen mehr hatte. Das Forschungsprotokoll war abgearbeitet.
Sie holte den Sack, stülpte ihn über seinen Kopf und zog die Kordel am Hals zu. Dann löste sie die Handfesseln von der Matratze und band die Hände wieder zusammen. Sie befreite die Füße und befahl ihm, aufzustehen. Die Leiter hinunter erwies sich als noch schwieriger als herauf. Unten angekommen druckte sie ein Foto von seinem mit Samenergüssen übersäten nackten Körper aus. Dann zog sie ein Kleid sowie Schuhe an und führte den Jungen zurück zum See. Es fing schon an zu dämmern, als sie ihn unweit der morgendlichen Badestelle von den Fesseln befreite. Er sank erschöpft zu Boden. Dann warf sie dem Versuchskaninchen das Bild zu und drohte, dass es jeder im Dorf zu sehen bekäme, wenn er nur ein Wort über den heutigen Tag verlieren würde. Er versprach es glaubhaft und lief zu seiner Kleidung. Nachdem er aus ihrem Sichtbereich verschwunden war, schlenderte sie zufrieden nach Hause. Die folgenden Tage ignorierte Oxana den armen Jungen und nahm ihm damit jegliche Hoffnung, dass sie ein zukünftiges Interesse an ihm haben würde.
Nach der Schule ging sie wie gewohnt zu Hause essen und anschließend zur Hütte. Dort suchte sie eine Lösung für das Problem mit der Leiter. Es dauerte drei Tage, alles dorthin zu bringen, und zwei weitere, einen kleinen Aufzug mit Hilfe eines Flaschenzugs zu improvisieren. Im Laufe der nächsten Wochen entführte sie noch drei Jungen in die Hütte und wiederholte die Tests mit ihnen. – Die zu fast identischen Ergebnissen führten.
3.
Dass ihre Mutter ihr nur wenig Taschengeld geben konnte, war für Oxana kein Problem. Wenn sie Geld brauchte, erpresste sie es sich. Drei besserverdienende Dorfbewohner schliefen nicht immer im eigenen Bett. Damit dieses Geheimnis geheim blieb, zahlten sie jeden Monat zehntausend Rubel – etwa 200 Euro – an Oxana. Dazu begaben sie sich in den Wald und verstauten einen Briefumschlag in einem hohlen Baum. Ab und zu versuchten die Erpressten, sich auf die Lauer zu legen, um den Erpresser beim Abholen zu entlarven. Doch Oxana kannte jeden Zweig sprichwörtlich mit Vornamen und sah nachts so gut wie andere tagsüber.
Der Inhaber einer Buchhandlung fand gelegentlich eine Nachricht von ihr im Briefkasten. Hatte er die Bücher besorgt, die auf dieser Liste standen, ließ er nach Geschäftsschluss eine kleine Lampe im Geschäft brennen. Am folgenden Tag brachte er die Bestellung dann zu einem Versteck im Wald: Denn er hatte eine sehr kreative Buchhaltung, was ihm einiges an Steuern sparte. Oxana wusste davon und bestellte sich auf diesem Weg regelmäßig Lektüren bei ihm, die für Aufmerksamkeit gesorgt hätten, wenn ein kleines Mädchen sie kaufen würde. Eine Vierzehnjährige, die Bücher von Marquis de Sade, Lehrbücher über ungewöhnliche Sexpraktiken oder Banken und Börsengeschehen kaufen würde, müsste sich zumindest einigen unangenehmen Fragen stellen – die Oxana nicht beantworten wollte. Bald gab es kaum noch Dorfbewohner, die nicht von ihr erpresst wurden. Leise Gerüchte machten die Runde, doch keiner verdächtigte das kleine, unschuldig aussehende Mädchen, dem niemand etwas Böses zutraute.
*
Wladimir Rudajev war ein einfacher und fähiger Arbeiter im örtlichen Sägewerk. Er lebte allein in bescheidenen Verhältnissen und verdiente somit viel mehr, als er zum Leben benötigte. Mit den Jahren hatte er eine ansehnliche Summe zusammengespart. Dann machte er den Fehler, sich eine teure Anlage von Burmester zu kaufen, weil er die russischen Komponisten in bester Qualität anhören wollte. Niemand glaubte ihm, dass er diese gewaltige Summe ehrlich angespart hatte. Von nun an war er der Hauptverdächtige. Als einer von Oxanas Kunden die monatliche Zahlung in den Wald brachte und sich mal wieder auf die Lauer legte, tauchte der Pechvogel dort auf, um Pilze zu sammeln. Am nächsten Tag wurde seine erschlagene Leiche im Unterholz gefunden. Doch die Erpressungen hörten zum Leidwesen der Dorfbewohner nicht auf, dafür hatte Oxana neue eindeutige Bilder für ihre Sammlung. Dass ein Mann ihretwegen getötet wurde, belastete ihr Gewissen nicht. Für sie war das Leben ein Schachspiel und die Menschen die Figuren. Sie war die Königin und ein geopferter Bauer gehörte zum Spiel.
Eines Nachts holte Oxana das monatliche Schweigegeld ab, wobei sie ein seltsames Gefühl im Bauch hatte. Noch vorsichtiger als sonst, nahm sie den Umschlag aus dem Baum und verschwand wieder im Wald. Einen Monat danach wiederholte sich Erlebtes. Doch dieses Mal verfolgte sie etwas in den Wald hinein. Als kurz darauf ein Zweig knackte, versteckte sie sich zwischen zwei nahe beieinander stehenden Bäumen und wartete mehrere Minuten. Doch das Gefühl von Augen, die sie beobachten, blieb. In dieser Nacht schlief sie in der Jagdhütte, anstatt wie sonst wieder nach Hause zurückzukehren. Als sie bei Tagesanbruch aufbrach, war das komische Gefühl verschwunden. Doch einen Monat später, sie war schon an der Hütte angekommen, meldete sich das seltsame Bauchgefühl wieder zurück. Obwohl sie lange lauschte, hörte sie dieses Mal keine fremden Geräusche.
*
Michail Jegorwitsch Pablow war zweiundvierzig Jahre alt und hatte als Major beim KGB gedient. Das System, dem er einst geschworen hatte, treu zu dienen und zu beschützen, löste sich über Nacht in Luft auf. Das Land verwandelte sich in etwas, das dem ehemaligen Feind sehr ähnlich war. Seine Dienste waren plötzlich nicht mehr gefragt. Der Mann, der einst eine gesicherte Karriere hatte, fand sich nun in einer ungewissen Zukunft wieder. Diese Unsicherheit war seiner Frau zu viel, weshalb sie ihn verließ. Doch Pablow hatte im Dienst des KGB viel gelernt. Zusammen mit vielen ehemaligen Kollegen, die ebenfalls ihre Positionen im neuen System verloren hatten, gründete er ein kriminelles Netzwerk, das die neu entstehenden kapitalistischen Wirtschaftszweige – Drogen, Waffen, Frauen – kontrollierte. Einige seiner alten Kollegen fanden eine neue Anstellung bei den Polizeibehörden, die ihnen zwar die nötigen Rechnungen bezahlten, jedoch den Verlust an Macht nicht ausgleichen konnten. Als sie von dieser Mafia angeworben wurden, zögerten sie nicht lange. Inzwischen war fast der komplette Polizeiapparat infiltriert, was dafür sorgte, dass die illegalen Geschäfte weitgehend ungestört florierten. Wie er es beim KGB gelernt hatte, konstruierte er eine Tarnidentität, die der Wahrheit nur wenig nachstand. Um seinen kriminellen Hintergrund zu verbergen, trug Pablow seinen Wohlstand nicht offen zur Schau und gab sich offiziell als Handelsvertreter aus. Früher war er Auslandsagent und beherrschte mehrere Fremdsprachen. Diese Kenntnisse sowie seine zahlreichen Verbindungen nutzte er nun, um für seine Freunde nützliche Kontakte im Ausland zu knüpfen. Die Besonderheit an Pablow war, dass er zu den wenigen Menschen im Dorf gehörte, die nicht auf Oxanas Kundenliste standen.
Die Gerüchte über Erpressungen im Dorf wurden immer lauter gemurmelt. Ein Spion schätzt keine Geheimnisse, außer seinen eigenen. Michail beschattete einen der Erpressten, bis dieser mitten in der Nacht in das Unterholz ging und etwas in einem Baum versteckte. Ein Wald war kein Ort, an dem Michail sich wohlfühlte oder sich unsichtbar bewegen konnte, vor allem bei dem schwachen Mondlicht, das sich mühsam durch das Blätterdach kämpfte. Als der Tag anbrach, überprüfte er den Baum und stellte fest, dass der abgelegte Gegenstand verschwunden war. Offenbar hatte er es mit einem Gegner zu tun, für den die Dunkelheit des Waldes eher ein Verbündeter war und nicht – wie bei ihm – ein Feind. Am nächsten Tag kaufte er in dem Geschäft, in dem Oxana die Tarnnetze besorgt hatte, ein Nachtsichtgerät.
Einen Monat später lauerte Michail bereits, bevor der Mann seinen Obolus versteckte. Zwei Stunden musste er warten, bis sich eine Person dem Baum näherte. Mit seinem Nachtsichtgerät der ersten Generation konnte er zwar nicht wie am Tag sehen, doch das Restlicht wurde 1000‑fach verstärkt. Der Blauanteil des Lichts verschob sich ins Grüne und der Rotanteil ins Infrarote, wodurch alles in verschiedenen Grüntönen erschien. Bedauerlicherweise nicht deutlich genug, um eine Person eindeutig zu identifizieren. Sofort fiel ihm auf, dass das Ziel ungewöhnlich klein war. Die fehlende Erfahrung im Wald machte sich bei der Verfolgung bemerkbar. Der leiseste Laut, den er verursachte, ließ den Gegner für Minuten unsichtbar werden. Mit jedem Schritt, den er tat, stieg der Respekt vor dem Rivalen. Plötzlich war er sich sicher, David Copperfield verfolgt zu haben. Von einer auf die andere Sekunde war die Person verschwunden und tauchte auch nach über zwei Stunden Warten nicht wieder auf. Da es bei dieser Angelegenheit weder um sein Leben noch um sein Land oder seinen Job ging, nahm Michail die Niederlage sportlich. „Twoju matj“, fluchte er das Schimpfwort, mit einem Unterton von Bewunderung – ähnlich wie das deutsche Wort 'Bastard', das auch Anerkennung ausdrücken kann. Die Übersetzung eines kommunistischen Kängurus würde 'Razupaltuff' lauten. Michail akzeptierte das eins zu null auf der Anzeigetafel. Für diese Nacht gab er sich geschlagen.
Er wusste ungefähr, wo er sich im Wald befand, befestigte jedoch sicherheitshalber ein Bonbonpapier an einem Baum. Mit dieser Markierung erhöhte sich die Chance, die Stelle später wiederzufinden. Der See musste im Norden liegen. Zusätzlich zum Nachtsichtgerät hatte er sich ein Mehrzweck‑Kampfmesser gekauft. Im Knauf des Griffes war ein Kompass mit fluoreszierender Nadel eingebaut. Mit dessen Hilfe ging er vorsichtig nach Norden und zählte dabei die Schritte. 1.752 Schritte später stand er am Ufer des Sees. Diese Stelle war ihm vertraut, schließlich war er im Dorf aufgewachsen und hatte als Kind oft dort gespielt. Deshalb hielt er eine weitere Markierung für unnötig.
Es dauerte drei Tage, bis ein Freund militärische Karten aus sowjetischen Zeiten von dem Waldgebiet besorgen konnte. Sofort machte sich Michail mit Bleistift und Lineal an den ausgebreiteten Plan. Nachdem er die Uferstelle am See gefunden hatte, zog er eine Linie nach Süden. Dann maß er auf der Karte im Maßstab 1:25.000 sechs Zentimeter ab und machte einen Kreis. Augenblicklich fiel ihm die alte Jagdhütte ins Auge. Er musste fast direkt neben ihr gestanden haben, ohne sie zu bemerken. Kopfschüttelnd gab er der Unerfahrenheit im Umgang mit dem Nachtsichtgerät die Schuld.
Am nächsten Vormittag machte er sich mit Messer und Karte ausgerüstet auf den Weg zu der Stelle am See, an der er aus dem Wald gekommen war.
1.752 Schritte südlich suchte er nach dem markierten Baum, doch entweder reichte seine Orientierung im Wald nicht aus, oder das Bonbonpapier war inzwischen verschwunden. Auch die Jagdhütte war nicht zu sehen, obwohl er nicht weit von ihr entfernt sein konnte. Verzweifelt suchte er auf der Karte nach einer markanten Stelle in der Nähe des Gebäudes. Er wollte schon fast aufgeben, als er zufällig mit dem Arm ein paar umherhängende Blätter beiseite strich. Im nächsten Moment stand er vor der Hütte. Verwundert drehte er sich um und begutachtete die Blätter, die er Sekunden zuvor berührt hatte. Sie entpuppten sich als künstlich und an einem Netz befestigt. Neugierig ging er zur anderen Seite des Tarnnetzes und umrundete die Hütte, wobei er die Tarnung bewunderte. Obwohl er jetzt wusste, wo die Jagdhütte stand, konnte er sie kaum erkennen. Die Lichtung, an deren Rand sie ursprünglich gebaut worden war, war inzwischen mit hohen Sträuchern bewachsen, die von den Tarnnetzen kaum zu unterscheiden waren. „Verdammt, ist der gut! Ein würdiger Gegner“, murmelte er.
Er umrundete die Jagdhütte ein zweites Mal und stellte fest, dass die Tarnung nur an zwei Stellen passierbar war. Die Hütte zu betreten traute er sich jedoch nicht. Zu groß war die Gefahr, vom Bewohner überrascht zu werden. Jemand, der sich so souverän im Wald bewegte und ein Gebäude so perfekt tarnen konnte, musste eine militärische Ausbildung haben – und wäre ihm möglicherweise in einer körperlichen Auseinandersetzung ebenbürtig. Nachdem er alle seine Spuren beseitigt hatte, machte er sich auf den Rückweg.
Am folgenden Tag kehrte Michail an die Stelle zurück. Er hatte einen Rucksack dabei, in dem er neben Verpflegung, dem Nachtsichtgerät und einem Feldstecher auch eine Rosshaardecke verstaut hatte. Zur besseren Tarnung hüllte er sich in militärische Tarnkleidung. Kurze Zeit später war sein Lager fertig. Nachdem er sich unter einer dicken Blätterschicht versteckt hatte, war er überzeugt, selbst ein geübter Waldläufer würde ihn nicht entdecken. Angestrengt lauschte er auf jedes noch so kleine, künstlich erzeugte Geräusch. Doch lange geschah nichts und er begann zu ermüden. Dann, wie ein Geist, erschien eine Person und schlich auf die Hütte zu. Michail gestand sich ein, sie nicht gehört zu haben, was seinen Respekt noch weiter steigerte. Neugierig setzte er den Feldstecher an die Augen. „Das ist doch die kleine Oxana! Dich hätte ich als Letztes hier erwartet.“
Er brauchte seine ganze Selbstbeherrschung, um nicht loszulachen – angesichts seiner Sorge vom Vortag, der Gegner könnte ihm körperlich überlegen sein. Dann traf er einen Entschluss, den er später bereuen sollte. Anstatt heimzugehen und am nächsten Tag zurückzukehren, wenn Oxana mit dem Zug zur Schule in die Provinzhauptstadt gefahren war, wollte er warten, bis sie wieder ging. Als er viele Stunden später das Nachtsichtgerät aufsetzen musste, wusste er, wie schlecht die Entscheidung gewesen war. Es ging auf Mitternacht zu, als sich das Tarnnetz endlich bewegte und eine Gestalt im Wald verschwand. Um sicherzugehen, wartete er noch dreißig Minuten. Dann stand er auf, erleichterte sich und ging zur Hütte.
Geräuschlos ließ sich die Tür öffnen. Eine Taschenlampe hatte er nicht dabei, wofür er sich selbst tadelte. Allerdings hatte er auch nicht im Traum damit gerechnet, mitten in der Nacht noch im Wald zu sein. Als Oxana die Hütte verließ, war es schon einige Zeit dunkel. Eine Öllampe oder Kerze hätte er deshalb riechen müssen. Dann fiel ihm ein, dass die Jagdhütten damals mit Strom versorgt waren – für die Funkanlage.
Funktioniert der etwa noch?
Er suchte in den Taschen nach dem Feuerzeug, um das selbst für das Nacht­sichtgerät spärliche Licht zu verstärken.
›Klick.‹
Sofort erblickte er die Lampe an der Decke. Eine Millisekunde, bevor die Hand vermeldete 'zu heiß', fand er den Schalter direkt neben der Tür und ließ das Feuerzeug fallen. Er setzte die Nachtsichthilfe ab und betätigte den Lichtschalter. Was er zu sehen bekam, veranlasste ihn, mehrere Sekunden mit offenem Mund zu verharren. „Respekt Djéwoschka – junge Dame –, du hast meine volle Bewunderung.“
Direkt in Blickrichtung gegenüber der Tür fiel ihm als Erstes der Schreibtisch mit Computer und Zubehör auf. Er bemerkte den Teppich und den Sessel. „Die Kleine hat es sich richtig gemütlich gemacht.“
Ihm fiel auf, dass es unerwartet sauber war. Dann sah er den Staubsauger und musste schmunzeln. Er blickte nach links und sah den Fernseher und die Regale, die voller DVDs und Bücher waren. Neugierig ging er näher heran und sah sich die Titel an. „Du kleines Luder.“
Er war sich nicht sicher, ob er brüskiert oder belustigt sein sollte, dass eine Vierzehnjährige eine Sammlung von Hardcore‑Pornos hatte, bei der alle Pornoliebhaber vor Neid erblasst wären. Noch mehr Verwunderung erzeugten die Bücher, die man bei jedem, nur nicht bei einem kleinen Mädchen erwartet hätte. „Die hat es ja faustdick hinter den Ohren.“
Er schaltete den Computer an, der, wie befürchtet, passwortgeschützt war. Doch damit kannte sich Michail aus. Er fuhr ihn herunter und bootete beim Wiedereinschalten manuell. Kurz darauf erschien der Desktop auf dem Monitor. Es handelte sich ausschließlich um selbst erstellte Ordner sowie Fotos. Der Umfang war riesig und würde ihn einige Stunden fesseln. Die Erfindung des USB‑Sticks kam für ihn um Jahre zu spät, wodurch er gezwungen war, sich vor Ort die Dateien anzusehen. Er bemerkte den Teekessel auf der Herdplatte und die verschiedenen Teesorten auf der Ablage darüber. Nachdem er den ganzen Tag nur Wasser getrunken hatte, war Tee eine willkommene Abwechslung. Mit der heißen Tasse setzte er sich wieder an den Schreibtisch und öffnete den ersten Ordner. Eine Liste mit fast jedem Dorfbewohner erschien als Unterordner. In allen fand Michail Zeitprotokolle und Beweisbilder vor. Erleichtert stellte er fest, dass sein Name nicht in der Liste vorkam. „Du bist ja eine fleißige Spionin.“ Dann öffnete er den Ordner 'Forschung'. Vier Unterordner erschienen: Test_1, Test_2, Test_3 und Test_4. „Was für Forschungen betreibst du denn, Liebchen?“
Er klickte auf Test_1 und zwei weitere Unterdateien wurden sichtbar. Eine Text‑ und eine Videodatei.
Arglos startete er das Video und nahm einen Schluck Tee, – was sich sofort als schwerer Fehler erwies. Nur mit größter Mühe schaffte er es, den Tee in den Ärmel und nicht über den Schreibtisch zu prusten. Ein Junge lag nackt und gefesselt auf einer Luftmatratze und das kleine Luder zog sich vor seinen Augen aus. Ungläubig sah er sich an, wie sie emotionslos ihre sexuellen Experimente an dem Knaben vollzog. Er öffnete die Textdatei und fand einen sachlichen Bericht über das, was er im Video sah. In den anderen drei Ordnern befand sich identisches Material mit weiteren Jungen, die als Testobjekte gedient hatten.
Der Morgen war schon angebrochen, als er den Computer ausschaltete und nach Hause ging. Eigentlich hätte er sofort ins Bett gehen müssen, denn er fühlte sich wie durchgekaut und ausgespuckt. Während der Observierung war er angespannt und das produzierte Testosteron pushte seinen Körper auf wie starker Kaffee. Doch jetzt baute es sich ab und er spürte die Erschöpfung. Bevor er nicht wusste, was er mit den neuen Erkenntnissen anfangen sollte, würde er ohnehin kaum Schlaf finden. Sie auffliegen zu lassen, würde ihm keinen Nutzen bringen. Sein Wissen gegen sie einzusetzen. – Was könnte sie ihm schon geben? Für das Einzige, was er sich vorstellen konnte, müssten noch einige Jahre vergehen, bevor er Interesse daran hätte. Er ließ sich ein Bad ein und hoffte, so die Anspannung abzuspülen. Das heiße Wasser fühlte sich gut an und versetzte ihn in einen Dämmerzustand. Immer, wenn er sich an die kaltschnäuzige Abgebrühtheit erinnerte, die sie bei den Experimenten mit den Jungen an den Tag legte, musste er schmunzeln. Zu gerne hätte er die Burschen dazu befragt, wie sie im Nachhinein darüber dachten. Immerhin waren auch sie auf ihre Kosten gekommen und würden den Tag bestimmt niemals vergessen.
Er hatte keine Anzeichen für einen Helfer gefunden. War eine Vierzehnjährige fähig, die Hütte allein so einzurichten? Geheimnisse auszugraben, einsetzbare Beweise besorgen, diese zum eigenen Vorteil ausnutzen und das alles, ohne erwischt zu werden. Ja, sogar ohne in Verdacht zu geraten. Leute wie er hatten eine jahrelange Ausbildung absolviert, um dazu fähig zu werden. Er könnte natürlich seine Beziehungen spielen lassen, um an die Schulunterlagen zu gelangen, doch er würde nur bestätigt bekommen, was er schon wusste: Das Mädel war verdammt clever, sonst hätte man sie nie auf die Eliteschule geschickt, wo sie inzwischen sogar eine Klasse überspringen durfte. Das ganze Dorf war stolz darauf, dass ein so schlaues Mädchen aus ihren Reihen stammte. Mit jeder Sekunde, die er über sie nachdachte, stieg seine Bewunderung. Was für eine Frau würde aus ihr werden, wenn jemand wie er sie zusätzlich ausbilden würde? Würde das ihn nicht ein Stück weit zu ihrem Vater und sie zu seiner Tochter machen? Ihm gefiel die Vorstellung immer besser, je länger er darüber nachdachte. Allerdings musste er zunächst mehr über das Mädchen erfahren.
Sein Plan war es, sie von nun an nicht mehr aus den Augen zu lassen. Doch was für den gelernten Spion ein Leichtes sein sollte, entpuppte sich als Mission Impossible. Er hätte auch eine Fata Morgana beschatten können. In einer Sekunde war sie noch da und in der nächsten spurlos verschwunden. Jedes Mal fragte er sich, ob sie ihn gesehen hatte, was aber eigentlich unmöglich war. Immerhin wurden einige Fragen beantwortet, die er sich gestellt hatte. Warum hatte ein Mädchen so viele Freiheiten, dass sie sogar in einer Waldhütte übernachten konnte, ohne dass die Mutter Alarm schlug? Diese war als Alleinerziehende froh über Oxanas Selbstständigkeit. Die Tochter machte keinen Ärger und war gut in der Schule. Essen gab es zu Hause direkt nach Schulschluss. War sie zu diesem Zeitpunkt anwesend, wurde sie anschließend nicht mehr vermisst. Die Mutter war trotzdem immer für sie da, wenn Oxana etwas von ihr wollte. Es kostete ihn ein Mittagessen mit einem der Lehrer ihrer Schule, der der Bekannte eines Bekannten war. Von ihm erfuhr er, dass sie in fast jedem Fach die Klassenbeste war. Nur musikalisch talentfrei hörte sie sich aber Musik gerne an. Die Einschätzung ihrer Sprachkenntnisse hielt er für übertrieben, bis er diese überprüfen ließ. Alle drei Tester versicherten ihm, dass sie sprachlich in den Ländern als Einheimische durchgehen würde.
4.
Seit diesem Tag im Wald hatte Oxana oft das Gefühl, beobachtet zu werden. Es machte sich als kalte Welle im Körper und ein komisches Empfinden im Magen bemerkbar. Wann immer sie es spürte, entzog sie sich aller Blicke. Sie verschwand in einem Geschäft und verließ es durch den Hinterausgang. Sie versteckte sich in einem Kellereingang und verharrte dort, bis das Gefühl verschwunden war. Mit der zierlichen Statur konnte sie perfekt in der Masse untertauchen und unbemerkt die Bewegungsrichtung ändern. Im Wald war ihr ohnehin niemand gewachsen. Wie ein Chamäleon hatte sie die Fähigkeit, mit diesem eins zu werden und sich absolut geräuschlos zu bewegen. Doch eine Frage ließ sie nicht mehr los: Litt sie an Paranoia oder wurde sie wirklich verfolgt?
Nach der Schule stieg sie im Dorf aus dem Zug und schlenderte heim zum Essen. Die Hausaufgaben hatte sie bereits, wie meistens, im Zug erledigt. Kaum war der Tisch abgedeckt, verschwand sie in den Wald. Seit ein paar Wochen fühlte sie sich hier oft beobachtet. Doch an diesem Tag blieb das Gefühl aus. Sie war erleichtert darüber. Aber kaum hatte sie die Hütte erreicht, kam das Empfinden zurück. Besorgt verharrte sie und sah sich um. Doch dieses Mal suchte sie die Gefahr in der falschen Richtung. Sich nervös umschauend öffnete sie die Tür zur Hütte und schlüpfte durch die Öffnung. Sie schloss sie wieder und atmete erleichtert aus. Dann drehte sie sich um und erstarrte.
„Hallo Oxana. Hast dir hier ein nettes Fleckchen geschaffen.“
Mit großen Augen sah sie Michail an, der grinsend auf ihrem Arbeitsstuhl saß. Der Wasserkessel stand auf der Herdplatte, wo sie ihn nie zurückließ. Die dampfende Tasse Tee auf dem Schreibtisch erklärte sich dadurch. Nicht aber, weshalb der Computer an war, obwohl der Mann das Passwort unmöglich wissen konnte. Sie kannte ihn vom Sehen, doch sie war überzeugt, er gehörte nicht zu ihrem Kundenkreis. Wieso hatte ausgerechnet er sie gesucht und jetzt gefunden? Statt Angst dominierte Wut in Oxana – auf sich selbst, weil sie anscheinend einen Fehler begangen hatte, weshalb dieser Mann jetzt in ihrem Versteck saß. „Wie haben Sie mich gefunden?“ In Gedanken ergänzte sie: „Warum haben Sie mich gesucht und was wissen Sie?“
„Das war gar nicht so leicht. Du bist verdammt gut. Ohne meine Ausbildung hätte ich es nicht geschafft.“
Sie entspannte sich etwas. Anscheinend ging von diesem Mann keine direkte Gefahr aus. Er strömte keinerlei Zorn aus, was bei der Entdeckung ihres Geheimnisses zu erwarten gewesen wäre. Vielmehr schmeichelte er ihr und zeigte Bewunderung für ihre Taten. „Was für eine Ausbildung?“
„Ich war beim KGB.“
Oxana wusste nicht viel über dieses dunkle Kapitel des Landes. Doch KGB hieß Geheimdienst. „Warum interessiert sich der Geheimdienst für mich?“
In der Stimme lag ein Erstaunen, das Michail zum Lachen brachte.
Er lachte nicht bösartig, sondern als hätte sie ihm einen guten Witz erzählt.
„Vor zehn Jahren hätte er sich für dich interessiert, um so ein Talent anzu­werben. Doch ich arbeite nicht mehr für den Geheimdienst und war einfach nur neugierig, wer alle hier im Dorf an der Nase herumführt.“
„Sie halten mich für talentiert?“
„Du bist besser als manche Ex‑Kollegen von mir nach über zehn Berufsjahren.“
Diese Anerkennung machte Oxana ein wenig verlegen. Anscheinend bewunderte dieser Mann sie, obwohl er besser sein musste als sie. Sie erinnerte sich an die Paranoia. „Seit wann beobachten Sie mich?“
„Seit fast zwei Monaten. Du hättest mich fast in den Wahnsinn getrieben. Ständig warst du plötzlich spurlos verschwunden.“
„Also hatte ich doch keinen Verfolgungswahn?“
„Du hast mich nicht gesehen, du hast mich gespürt?“
Sie nickte.
„Was für Talente hat sie noch?“, fragte Michail sich.
Die Zeit war gekommen, um die wichtigen Fragen zu stellen.
„Warum sind Sie hier, und was wollen Sie von mir?“
„Wie gesagt, ich war neugierig. Warum machst du das alles?“
„Ich will nicht in diesem Dorf versauern. Doch um von hier wegzukommen, brauche ich Geld – und Wissen, das ich nicht in der Schule lerne.“
Michail zeigte zum Bücherregal. „Deshalb die Lektüren über mächtige Familiendynastien?“
„Genau. Wie man Reichtum erlangt oder gar in Macht umwandelt, bringen sie dir in der Schule nicht bei.“
Er lachte und zeigte auf die DVD Sammlung. „Und mit dem Sexualkundeunterricht bist du auch unzufrieden?“
Oxana wurde aufgrund des belustigten Tonfalls etwas rot. Es war ihr unangenehm, dass ein Fremder mit ihr so über dieses Thema sprach. „Eine Frau hat Waffen, deren Nutzung man in der Schule nicht vermittelt.“
Er startete das Video auf dem Computer. „Deshalb betreibst du eigene Forschungen?“ Sein Unterton verheimlichte nicht, wie sehr ihn das Gespräch amüsierte.
„Man muss doch die Theorie in der Praxis überprüfen.“
Jetzt war Michail nicht mehr in der Lage, sich zu beherrschen und lachte laut los. Die Situation war zu komisch. Er unterhielt sich emotionsfrei mit einem Mädchen, das gerade erst den Sprung vom Kind zur Frau vollzog, über ein Thema, das selbst Erwachsene verlegen gemacht hätte. Er benötigte ein paar Sekunden, bis er fähig war, die nächste Frage zu stellen. „Und stimmt die Theorie?“
„Die Bücher untertreiben etwas und …“, sie zeigte auf die DVDs, „… die Filme übertreiben teilweise maßlos.“
Michail konnte sich kaum noch halten angesichts dieser sachlichen Analyse und der Erkenntnis, zu der viele Erwachsenen nicht fähig waren. War es Kaltschnäuzigkeit oder der sprichwörtliche Kindermund, der sie über ein solches Thema so sprechen ließ?  Doch eine Frage hatte er schon, als er die Videos zum ersten Mal sah. „Du hast fast alles mit den Jungen in den Filmen gemacht, nur eines nicht. Warum?“ Dabei zeigte er ihr den zwischen Zeige‑ und Mittelfinger eingeklemmten Daumen – das international verständliche Zeichen für Geschlechtsverkehr.
„Weil es mein Startgeld ist, um hier rauszukommen. Wer das als Erster darf, muss dafür tief in die Tasche greifen.“
Angesichts dieser berechnenden Kaltschnäuzigkeit war jetzt Michail sprachlos. Nein, eine Psychopathin, wie er befürchtet hatte, war sie nicht. Sie verfolgte eiskalt einen Plan. Wahrscheinlich hatte sie soziopathische Tendenzen, aber das wäre für ihn nicht problematisch, schließlich dachte er nicht daran, sie zu heiraten. Sie hatte ein Ziel und würde deshalb kein unnötiges Risiko eingehen – das dies und damit ihn in Gefahr bringen würde. Dann traf er eine Entscheidung. „Ohne Hilfe wird es schwer, die Ziele zu erreichen. Ich würde dich gerne unterstützen und ausbilden.“
Jetzt war es an Oxana, sprachlos zu sein. Damit hatte sie nicht gerechnet, als sie den Mann am Schreibtisch sitzen sah. Mit der Geschwindigkeit eines Hochleistungsrechners von Cray wog sie Vor‑ und Nachteile ab. Das größte Handicap war, dass ein Kind wie sie nur mit Bargeld Geldgeschäfte tätigen konnte. Ein Erwachsener wäre da eine große Hilfe. Wog es das Risiko auf, einen Mitwisser zu haben? Doch er wusste schon genug, um ihr Schaden zuzufügen. Er war hinter ihr Geheimnis gekommen, obwohl sie so vorsichtig agierte. Wer so gut war, konnte ihr bestimmt noch etwas beibringen. Die Vorteile überwogen immer mehr die Nachteile. Außerdem wäre ein starker Mann eine große Hilfe bei der Umsetzung der weiteren sexuellen Forschungen. „Warum bieten Sie mir das an?“
Er überlegte sich die Antwort gut, denn bis jetzt hatte er mehr aus dem Bauch und weniger mit dem Verstand gehandelt. „Ich habe keine Kinder und weiß nicht, ob ich noch welche haben werde. Wenn ich dich ausbilde, würdest du ein Stück weit wie eine Tochter für mich sein, auf deren Erfolge ich mal stolz sein könnte.“
Sie versuchte, sich ihre Mutter vorzustellen, was sie zu ihrem Treiben sagen würde. Doch der Vergleich hinkte, sie war eine Bäuerin. Wenn sie ihr zeigen würde, wie man eine Kuh melkt und Oxana würde es schaffen, das nachzumachen – natürlich würde sie stolz sein. So überraschend die Erklärung war, sie fand sie nachvollziehbar. Das Gute daran war: Ihre Ziele wären seine Ziele; nur wenn sie Erfolg hätte, könnte er stolz sein. Er wäre wirklich eine Unterstützung und nicht nur ein Mitwisser mit eigenen Plänen, der sie möglicherweise irgendwann hintergehen würde. Doch hatte er vielleicht noch sexuelle Vorhaben mit ihr? Sie wusste aus ihren Studien, dass Männer das bei Frauen fast immer haben. Aber er war finanziell besser gestellt, auch wenn sie nie in Erfahrung bringen konnte, wie er sich das Haus leistete, in dem er wohnte. Er war attraktiv, gepflegt sowie charmant und hatte es bestimmt nicht nötig, sich an einem Mädchen wie ihr zu vergehen. Es wäre wahrscheinlich ein Leichtes für ihn, sich eines dafür zu kaufen, wenn er das Verlangen danach hätte.
„Wie haben Sie sich die Zusammenarbeit vorgestellt?“
„Das Beste wird sein, nach außen so zu tun, als würden wir uns kaum kennen. Wir treffen uns hier in der Hütte, wo uns niemand sieht.“
„Stimmt. Warum Informationen preisgeben, wenn es keinen Vorteil bringt?“
Michail war erstaunt. Er hatte erwartet, den Grund erklären zu müssen. Nicht, dass sie ihm am Ende noch etwas beibringen würde. „Sag mal, hattest du Hilfe bei der Hütte?“
„Nein. Wie hätte ich sie sonst geheim halten sollen?“
„Respekt. Das war für eine zierliche Person wie dich bestimmt nicht einfach. Wie lange hast du gebraucht?“
„Über ein Jahr.“
„Ab jetzt kann ich dir dabei helfen.“ Er nahm einen Schluck Tee, spuckte aber bei der Antwort das Getränk wieder in die Tasse.
„Da könnten auch Gegenstände für Handlungen dabei sein, die ein Vater der Tochter nicht erlauben würde.“
„Was hast du denn vor?“
Sie ging zum Bücherregal und legte ihm die Bücher von Marquis de Sade auf den Tisch. „Ich will meine Forschungen auf die nächste Stufe bringen und brauche dafür ein paar Hilfsmittel. Außerdem benötige ich ein paar Gegenstände, die man an kleine Mädchen nicht verkauft. Ich könnte sie erpressen, aber wenn Sie sie kaufen, ist es ein geringeres Risiko.“
Michail fragte sich, worauf er sich da eingelassen hatte. Dieses Mädchen würde seine Sichtweise auf Frauen erheblich verändern. Sollte er doch mal eigene Kinder haben, so hoffte er, es wären Söhne, die er vor solchen Ludern warnen könnte. „Mach mir eine Liste, ich schaue dann, was ich besorgen kann.“
Sie unterhielten sich beide noch eine Weile über das gemeinsame Vorgehen und Michail versuchte herauszufinden, was er ihr nicht mehr beizubringen brauchte. Gerade ihre Risikominimierung beim Planen erstaunte ihn. Für das Alter war sie sehr vorausplanend. „Spielst du eigentlich Schach?“
„Wenn Ihr Ego keine Probleme damit hat, von einem Mädchen geschlagen zu werden.“
Sein Lachen wäre ihm im Hals stecken geblieben, hätte er geahnt, was für eine Blamage ihm bevorstand: Als er beim nächsten Besuch ein Schachspiel mitbrachte, konnte er in beiden Partien nur Remis spielen.
Er half bei der Weitergestaltung der Hütte und bei der Organisation der Gegenstände, die sie benötigte. Zu dem Sessel gesellte sich eine Schlafcouch. Der Küchenstuhl, mit dem sie am Schreibtisch gearbeitet hatte, wurde durch zwei verstellbare Bürostühle mit Laufrollen ausgetauscht. Der Flaschenzug wurde durch einen Aufzug mit Elektromotor ersetzt. Die Luftmatratze wich einem richtigen Bett, an dem rundherum Metallösen waren, um jemanden daran zu fixieren. Auch unter dem Dach darüber brachten sie entsprechende Ösen an. Auf dem Dachboden wurden ein Pranger und ein Käfig aus Stahlstangen aufgestellt. An der einen Giebelseite hing ein Andreaskreuz, an der anderen stand ein Schrank, der mit Sexspielzeugen, Ketten, Fesseln, Peitschen und Spreizstangen gefüllt wurde. In ihm lagen auch mehrere spezielle Fußmanschetten, bei deren Beschaffung Michail einige Probleme hatte. Über eine Fernbedienung konnte man bei ihnen einen Stromstoß auslösen, der zwar nicht gefährlich, aber sehr schmerzhaft war und die Muskulatur in den Beinen kurzzeitig lähmte.
Bei der Renovierung konnte Michail Oxanas handwerkliches Geschick bestaunen. Er trug die Elemente des Bettes auf den Dachstuhl, doch als er nach dem letzten Teil beim Zusammenbau helfen wollte, war sie schon fast damit fertig. In den Pausen brachte er ihr alles bei, was er über Computer und Internet wusste. Mithilfe eines Satellitentelefons hatte er in der Hütte eine Internetverbindung eingerichtet. Sie lernte schnell und selten musste er etwas zweimal erklären. Sie war eine Schülerin, wie sie sich jeder Lehrer wünschte. Nach und nach lehrte er sie alles, was er selbst mal gelernt hatte. Sogar in Systema, der Nahkampftechnik russischer Spezialeinheiten und von Spionen, sowie dem Gebrauch von Schusswaffen bildete er sie aus. Bei Letzterem zeigte sie ein so außerordentliches Talent, dass es nicht lange dauerte, bis der Lehrer gegen die Schülerin das Nachsehen hatte.
Gelegentlich fragte sich Michail, ob seine Ausbildung nicht irgendwann Folgen haben könnte, die nicht mehr mit seinem Gewissen vereinbar seien. Dann beruhigte er sich damit, dass ein Mädchen keine schlimmeren Sachen anstellen könnte als der KGB. Er ahnte da noch nicht, welche Mühe sich Oxana machen würde, diese These zu widerlegen. Dennoch bereitete es ihm viel Spaß, die Zeit mit ihr zu verbringen und die Fortschritte zu beobachten: Sein Wissen an jemanden weiterzugeben, der es zu würdigen wusste. Wenn er für seine kriminellen Freunde auf Reisen war, vermisste er die Stunden mit ihr und hatte einen weiteren Grund, sich auf die Heimkehr zu freuen.
5.
Auch sie vermisste dann die gemeinsame Zeit mit ihrem Mentor. Aber sie wusste diese zu nutzen, denn sie hatte Michail versprochen, etwas nur zu tun, wenn er verreist war. Am Dorfrand gab es eine Scheune, die nur zur Erntezeit als Lager Verwendung fand und ansonsten ungenutzt blieb. Bei den Heranwachsenden war das Gebäude am Waldrand für die ersten geschlechterübergreifenden Experimente sehr beliebt. Das nächste Forschungsobjekt hatte Oxana vorher ausgewählt. Sie kannte Juri noch aus der Dorfschule und schon damals himmelte er sie an.
Als Michail mal wieder verreisen musste, war die Zeit gekommen für das nächste 'Oxana forscht' Projekt. Sie lockte Juri, dem sie schon Tage zuvor schöne Augen gemacht hatte, unter dem Vorwand, mit ihm Strip‑Poker spielen zu wollen, in die Scheune. Der Junge war sechzehn Jahre alt, doch etwas naiv und ihr körperlich nicht überlegen. Um zu erkennen, dass er sich nicht nur wegen des Äußeren zu ihr hingezogen fühlte, wie es bei den anderen Jungen der Fall war, fehlte Oxana sowohl die Empathie als auch die Erfahrung. Denn Juri betete sie an, weil sie so taff und klug war und damit für ihn den Status einer über ihm stehenden Göttin hatte. Aber sie hielt sein Interesse an ihr nur für die übliche Schwärmerei der pubertierenden Jungs. Er war für Oxana nur ein weiterer Gambitbauer in ihrem persönlichen Schachspiel.
Michail hatte sie inzwischen, neben den Kampfkünsten, gelehrt, mit Spielkarten so umzugehen, dass es für ein Stadtverbot in Las Vegas gereicht hätte. Der Junge hatte nicht den Hauch einer Chance und saß nach nur fünfundzwanzig Minuten splitternackt vor ihr – während sie bis dahin nur die Schuhe ausgezogen hatte. Wie sie es geplant hatte, gesellte sich bei ihm, neben der Scham über die Blöße, zusätzlich die Enttäuschung, nicht so viel von ihr gesehen zu haben, wie er sich erträumt hatte. Jetzt machte sie ihren nächsten Schachzug. Sie bot ihm ein letztes Spiel mit erhöhtem Einsatz an. Wenn er gewänne, würde sie sich komplett ausziehen. Sonst müsste er sich fesseln lassen und dann alles tun, was sie verlangte. Die Aussicht, doch noch das Erhoffte erblicken zu dürfen und weitere Aufmerksamkeit der Angebeteten zu bekommen, ließ ihn leichtfertig zusagen, ohne nachzufragen, für wie lange. Wenig später blickte er erst triumphierend auf sein Full House und dann schockiert und enttäuscht auf ihren Straight Flush. Sie nutzte den kurzen Schockmoment aus und befahl ihm, sich mit dem Gesicht nach unten auf den Boden zu legen. Dann setzte sie sich auf seine Oberschenkel und forderte ihn auf, die Arme auf den Rücken zu nehmen. Wenige Sekunden später waren die Hände gefesselt und er wehrlos. Schneller, als das Gehirn die Verschlechterung seiner Lage verarbeiten konnte, waren die Augen verbunden und der Mund mit einem Gummiball geknebelt. Sie zog die Schuhe wieder an, sammelte seine Kleidung ein und stopfte sie in den Rucksack. Zuletzt legte sie eine Schlinge um seinen Hals und befahl ihm, aufzustehen.
Die ersten Meter bereiteten Oxana am meisten Sorgen. Die Frage eines Dorfbewohners, warum sie einen nackten, gefesselten Jungen Gassi führte, hätte selbst sie nicht zufriedenstellend beantworten können. Als das Scheunentor geöffnet und Juri hinausgeführt wurde, fingen seine Knie an zu zittern. In diesem Moment war seine größte Angst, nackt durchs Dorf geführt zu werden. Er würde auf ewig zum Gespött werden, weil er sich von einem Mädchen, dessen er nicht würdig war, hatte vorführen lassen. Mehrmals drohte Juri zu stürzen, denn seine Knie waren weich wie Pudding. Nach fünf Minuten waren sie so tief im Wald, dass eine Entdeckung sehr unwahrscheinlich wurde. Auch Juri war zunächst erleichtert, als er unter den Fußsohlen die Zweige spürte. Denn der Wald lag in der entgegengesetzten Richtung vom Dorf. Erst machte Juri sich Hoffnungen, dass es in dessen Abgeschiedenheit zu Handlungen kommen würde, die er sich seit Jahren mit ihr erträumt hatte. Doch die Wanderung nahm kein Ende. Die Sorge vor einer Bloßstellung und die Chance auf intime Berührungen wichen der Angst, was im Wald mit ihm geschehen würde. Er fragte sich, ob er diesen jemals wieder lebend verlassen würde?
Sie hatten die Hütte schon fast erreicht, da blieb er plötzlich stehen. Auch ihre Aufforderung: „Los, weiter“, führte zu keinem Erfolg. Verärgert holte sie einen Stock aus dem Rucksack. Es war ein Elektroschocker, wie ihn Viehtreiber benutzten. Sie hielt den Bullentreiber auf seinen Po und jagte ihm 24 Volt durch den Körper. „Jetzt gehorche, sonst finde ich Stellen an dir, wo es noch viel schmerzhafter ist.“ Dabei ließ sie den jetzt abgeschalteten Stock von den Hoden langsam über das Glied gleiten. Schlagartig setzten sich seine Beine wieder in Bewegung.
In der Hütte angekommen, fuhr sie ihn mit dem neuen elektrischen Aufzug in den Dachstuhl. Kalter Stahl umschloss seine Fußgelenke. Der Knebel wurde entfernt, wodurch der Speichel aus den Mundwinkeln und juckend über die Wangen lief. „Was hast du mit mir vor?“ Panik und Wut lagen in seiner Stimme. Doch auch Enttäuschung, so von dem Mädchen behandelt zu werden, das er anhimmelte.
„Nur deine Spielschulden einfordern.“
Der Unterton sagte ihm, dass die Schulden höher waren, als er sich vorgestellt hatte. Erleichtert stellte er fest, dass die Fesseln gelockert wurden. Als die Hände wieder frei waren, riss er sich die Augenbinde ab und wollte flüchten. Ein brennender Schmerz zuckte durch seine Beine, die daraufhin den Dienst versagten. Er sackte zu Boden und jegliche Aufforderung an die Beine, wieder aufzustehen, blieb unbeantwortet. „Das war eine sehr dumme Reaktion von dir.“ Sie sagte es im herablassenden Tonfall eines Boxers, der den Gegner gerade zum dritten Mal auf die Bretter geschickt hatte.
„Was hast du getan?“, jammerte er verzweifelt. Er hätte selbst nicht sagen können, was ihn mehr schmerzte, der Stromschlag oder die Enttäuschung und die geplatzten Hoffnungen.
„Ich kleines schwaches Mädchen muss doch sicherstellen, dass du die Schulden bezahlst“, antwortete sie ihm mit zuckersüßer Stimme. Sie hielt die Fernbedienung so, dass er sie sehen konnte und drückte noch einmal auf den Knopf. Der Schmerz, der schon fast vorüber war, flammte erneut auf.
„Hör auf damit. Ich werde ja alles tun, was du verlangst.“ „Du warst immer meine Göttin, für die ich alles tun würde“, vollendete er in Gedanken den Satz. In seiner Stimme lag ein Schluchzen, das bald Tränen erzeugen würde.
Sie glaubte, es läge nur an der erniedrigenden Situation, deshalb führte sie den Plan emotionslos fort und öffnete das Tor zu dem würfelförmigen Gitterkäfig, der ihr gerade bis zur Hüfte reichte.
„Los, krabbel da rein.“
Drohend hielt sie die Fernbedienung hoch, den Finger auf den Auslöser gelegt. Er hatte keinen Zweifel daran, dass eine Weigerung einen erneuten Stromstoß zur Folge hätte. Kaum war er in den Käfig gekrabbelt, verschloss sie die Tür.
„Was hast du mit mir vor?“
„Du bleibst mein Gast, bis du mein gehorsamer Sklave bist.“
„Dein WAS?“, eine Mischung aus Panik und Unglauben klang in seiner Stimme mit. Das Wort Sklave hatte für ihn eine so negative Assoziation, dass er gar nicht begriff: Es war genau das, was er sich immer gewünscht hatte!
„Ich bin mir sicher, solange du die Schmuckstücke trägst“, sie zeigte dabei auf die Fußmanschetten, „wirst du alles tun, was ich verlange. Aber frei lasse ich dich erst, wenn die dazu nicht mehr nötig sind.“
„Du bist doch verrückt!“, kreischte er.
„Mag sein, aber so etwas sagt man nicht zu einem Mädchen! Du wirst schnell lernen, dass gutes Benehmen belohnt und schlechtes bestraft wird.“ Im nächsten Augenblick durchzuckte ein noch stärkerer Stromschlag seinen Körper, der einen lauten Schmerzschrei zur Folge hatte. Ohne Juri überhaupt anzusehen, stieg sie die Leiter hinab und ließ ihn mit seinen Leiden allein.
Kaum war sie seinem Blick entwichen, weinte er los. Es waren nicht die Schmerzen oder die Demütigung, sondern die simple Tatsache, dass das Mädchen, für das er freiwillig alles getan hätte, ihn so behandelte.
Nachdem sie einen Tee aufgesetzt hatte, nahm sie am Computer Platz.
Test_5
Tag_1; Zeit_0:00
Proband ist nur nach Bestrafung kooperativ; noch.
Erwarte aber innerhalb der nächsten 48 Stunden eine positive Entwicklung.
Weitere Tests des Gehorsams werden stündlich, mit ansteigender Bestrafung, erfolgen.
Genau sechzig Minuten später stieg sie die Leiter hinauf.
„Dann wollen wir mal sehen, was du gelernt hast.“ Sie öffnete die Käfigtür und ging an den Schrank mit den Spielzeugen. „Du wirst ab jetzt außer Atmen nichts mehr tun, ohne dass ich es dir befohlen habe. Zuwiderhandlung wird bestraft. Hast du verstanden, Sklave?“
„Ich heiße Jur  …“, versuchte er in einem letzten Versuch der Gegenwehr einzuwenden.
„Ein Sklave ist ein Objekt und hat somit keinen Namen“, fiel sie ihm ins Wort.
Als sie sich vom Schrank abwendete, hielt sie eine Reitergerte mit einem Lederpaddel in der rechten Hand. In der Linken befand sich weiterhin die Fernbedienung. Er war inzwischen aus dem Käfig gekrabbelt und kniete davor.
„Jetzt beuge dich vor, küsse den Boden und recke den Hintern nach oben, damit ich dich für deine Vergehen bestrafen kann.“
„Welche Vergehen?“, erwiderte er verzweifelt.
„Habe ich dir erlaubt zu sprechen?“ Sie schüttelte den Kopf wie ein Turnlehrer, nachdem der Schüler zum wiederholten Mal eine einfache Übung verpatzt hatte.
„Nein, aber …“
„Die korrekte Anrede ist Gospozha. Alle Antworten außer 'Nein, Gospozha' sind in diesem Fall inakzeptabel.“
„Ich soll dich Herrin nennen?“, fragte er ungläubig. Er verstand nicht, wieso sie ihn so schlecht behandelte, nur um so angeredet zu werden. Sie bräuchte ihn nur zu bitten und er hätte sie Moya Boginya –meine Göttin – genannt.
Erneut schüttelte sie den Kopf. „Du sprichst ja schon wieder ohne Erlaubnis. Damit sind wir bei drei Strafen … eigentlich vier; oder spricht man seine Herrin in der zweiten Person an?“
Er wollte aufspringen, um aus diesem Alptraum zu entfliehen, doch sie drückte die Fernbedienung. Er schrie auf und sackte zu Boden. Oxana gab ihm eine Minute Zeit zur Erholung. „Wirst du jetzt wie befohlen den Fußboden küssen?“
„Ja, ich tue es“, antwortete er flehend.
„Besser, aber immer noch falsch. Es heißt 'Ja, Gospozha'.“
„Ja, Gospozha.“
Oxana lächelte über diesen Teilerfolg. Doch obwohl er gehorchte, hob er den Po nicht hoch genug. „Heb deinen Hintern höher, damit ich ihn besser treffen kann.“ Er gehorchte zwar, aber vergaß etwas Wichtiges. Laut knallte die Gerte zweimal auf den Po.
„Aua.“
Ob aus Überraschung oder Schmerz, konnte Oxana nicht mit Gewissheit bestimmen. „Was hat ein Sklave zu sagen, nachdem er einen Befehl von seiner Herrin bekommen hat?“
„Ja, Gospozha.“
„Unaufgefordertes Sprechen macht jeweils acht Schläge. Ich verlange, dass du laut mitzählst.“ Der Ärmste wollte gerade protestieren, da traf ihn der erste Hieb auf die linke Pobacke.
„Aua.“
Oxana wartete drei Sekunden.
„Das hörte sich nicht nach einer Eins an. Muss ich die Strafe erhöhen?“ Die Gerte traf die rechte Pobacke.
„Aua – eins.“
„Okay werten wir den ersten Schlag als Test und zählen ihn nicht mit.“
Er wollte gerade wieder protestieren. Klatsch.
„Aua – drei.“
„Bin ich schon so alt, dass mir einer entgangen ist? Also, der wievielte war das?“
„Zwei, zwei, bitte nicht weitermachen.“
„Du stellst also eine Entscheidung deiner Herrin infrage?“
„Nein, Gospozha. Verzeiht mir.“
„Ich will mal nicht so sein, aber jeder weitere Fehler bringt dir vier weitere Schläge ein.“ Weil sie hinter ihm stand und mangels Spiegeln im Raum, konnte sie die weit aufgerissenen Augen nicht sehen, die die letzte Aussage erzeugt hatten. Dies bemerkte sie erst bei der Sichtung der Filmaufnahmen.
Klatsch.
„Aua – drei.“
„Der Sklave ist ja lernfähig!“
Klatsch.
„Aua – vier.“ …
Klatsch.
„Aua – vierundzwanzig.“
„Kommen wir zur nächsten Lektion. Wenn er belohnt oder bestraft wurde, hat sich der Sklave zu bedanken. Hast du noch was zu sagen.“
„Da..nk..e“, brachte er vom Schluchzen unterbrochen hervor.
Klatsch.
„Aua.“
„Wie heißt das richtig?“
„Da..nk..e, Gos..po..zha.“
Offensichtlich weinte der Junge und war nur zu dieser schluchzenden Aussprache fähig. Eine sofortige weitere Bestrafung wäre kontraproduktiv gewesen. Sein schlimmstes Vergehen hatte sie noch nicht pönalisiert, doch dafür war es der falsche Moment. Da sah sie, wie er mit der Hand über seinen Po rieb. Klatsch.
„Aua.“
Sie hatte perfekt die Fingerkuppen getroffen.
„Habe ich dir das erlaubt?“
„Ne..ne..ne..in, Gos..po..zha.“
Er würde es wieder machen, wenn sie nicht aufpasste, denn der Po musste brennen wie Feuer. Sie hatte aber keine Lust, auf dem Dachboden zu bleiben, um ihn zu bewachen. Deshalb ging sie zum Schrank und warf ihm ein paar Sekunden später zwei Ledermanschetten zu. „Leg sie an die Handgelenke an. Aber schön stramm.“
„Ja, Gos..po..zha.“ Er stellte sich dabei ziemlich ungeschickt an.
Oxana hatte es selbst ein paar Mal versucht und wusste deshalb, dass es gar nicht so schwierig war. Doch diesen Übungsvorsprung hatte Juri nicht, weshalb sie Geduld mit ihm hatte. Schließlich hatte er es geschafft.
„Knie dich vor das Bett, beuge den Oberkörper vor und strecke die Arme aus.“
Er wollte gerade aufstehen.
„Krabbeln. Ein Sklave hat vor seiner Gospozha nicht zu gehen oder stehen, außer sie befiehlt es.“
„Ja, Gospo … zha.“
Nachdem er die befohlene Position eingenommen hatte, nahm sie zwei Seile und fixierte die Arme mittels der Ösen seitlich am Bett.
„Wenn du mein Bett anpinkelst, wird dir das Bisherige wie eine liebevolle Behandlung vorkommen.“ Als sie an ihm vorbeiging, um zur Leiter zu gelangen, konnte sie nicht widerstehen, mit der flachen Hand auf die festen, feuerroten Pobacken zu schlagen, deren Anblick ein Kribbeln zwischen ihren Beinen erzeugte.
„Aua. Wofür war das denn?“
„Weil mir danach war. Oder darf ich mit meinem Eigentum nicht machen, was mir gefällt?“
Zwar lag ihm eine andere Antwort auf den Lippen, aber er wählte die klügere.
„Doch, Gospozha.“
Er konnte das Lächeln auf ihrem Gesicht nicht sehen, als sie die Leiter hinunter stieg. Sie machte sich die übliche Tasse Tee und setzte sich an den Schreibtisch.
Tag_1; Zeit_1:00
Bestrafung zeigt erste Erfolge.
Proband nur bedingt belastbar.
Musste deshalb die Lektion unterbrechen.
Werde diese in 3 Stunden fortsetzen.
Mit einem Lehrbuch über Beschattungsmethoden, das ihr Michail besorgt hatte, setzte sie sich auf das Sofa. Exakt drei Stunden später kehrte sie zu ihrem Opfer zurück. Er war eingeschlafen, woraus sie schloss, dass die Schmerzen nicht mehr so schlimm sein konnten. Das Rot des Pos war um einige Nuancen schwächer geworden, wodurch das Kribbeln ihrer Scham beim Anblick noch erhöht wurde. Mit vollem Schwung landete ihre Hand auf dem Po. Sie spürte, wie Feuchtigkeit in die Spalte drang – zog aus dieser Erregung aber nicht die richtigen Rückschlüsse, dass sie mehr für ihn empfand.
„Aua. Nicht schon wieder.“
„Stell dich nicht so an. Das ist ja peinlich.“
„Ich muss mal.“
Oxana grübelte. Sie hatte ihm bisher noch keine Gelegenheit dazu gegeben, es wäre also unfair ihn dafür zu maßregeln und würde deshalb der Erziehung nur schaden. Doch bot sich ihr die Möglichkeit, eine Bestrafung anzudrohen, die ihn bestimmt motivieren würde, zukünftig gehorsam zu sein. Sie holte ein großes Einmachglas und löste die Seile, mit denen seine Arme fixiert waren.
„Mach da rein, aber wehe, du spritzt was daneben.“
„Danke.“ Er blickte in die plötzlich vor Zorn blitzenden Augen.
„Gospozha. Danke, Gospozha“, sagte er hastig.
Der Missmut verwandelte sich so schnell wieder in ein Lächeln, wie er gekommen war. Neugierig beobachtete sie Juri dabei, wie er sich erleichterte.
Als er fertig war, hielt er fragend das Behältnis hoch, denn er traute sich nicht, etwas zu sagen.
„Verschließ das Glas und stell es in den Schrank.“
„Ja, Gospozha.“ Er krabbelte dorthin und führte Befohlenes aus.
„Wenn ich noch einmal die Fernbedienung benutzen muss, wirst du den Inhalt des Glases austrinken.“ Sie nahm eine Augenbinde aus dem Schrank und warf sie auf die Matratze. „Jetzt lege dich mit dem Rücken auf das Bett, setze sie auf und strecke Arme und Beine von dir.“
„Ja, Gospozha“, sagte er inzwischen so selbstverständlich, wie er atmete und führte die Anweisungen umgehend aus, was sie zufrieden beobachtete.
„Wenn du dich bewegst, werde ich dich bestrafen.“
„Ja, Gospozha.“
Sie ging zum Schrank, holte vier Seile und acht Kugeln heraus und begab sich zum Bett. Dort nahm sie das erste Seil doppelt, zog es durch eine Öse an der Handmanschette, schob die Seilenden durch die Schlaufe und zog sie fest. Dann maß sie eine Armlänge ab und machte einen Knoten in das Seil. Anschließend wiederholte sie den Vorgang an den anderen Gliedmaßen. Sie führte überall die Doppelseile durch eine der mittig durchbohrten Kugeln, bis die jeweilige Kugel auf dem Knoten auflag. Dann stieg sie auf das Bett und zog die Seile durch die Ösen an der Zimmerdecke. Auf die losen, von der Decke hängenden Seilenden, schob sie je eine weitere Kugel, die sie mit einer Schlaufe sicherte.
Unter dem Bett befanden sich mehrere Rollkästen, von denen sie jetzt einen hervorzog. Darin lagen unzählige Gewichtsscheiben von je fünf Kilogramm. Alle hatten auf einer Seite eine Öse und auf der anderen einen Haken. Je eine Scheibe hängte sie an die vier Schlaufen, anschließend gleichmäßig an jede der Metallscheiben drei weitere Gewichte, wodurch der Junge zur Decke gezogen wurde und eine Armlänge darunter hängend zum Stillstand kam.
„Hilfe, was machst du mit mir?“
„Zweite Person, ist das dein Ernst?“, fragte sie ihn mit einem resignierenden Unterton.
„Verzeihen Sie, Gospozha.“
Sie nahm ihm die Augenbinde ab, damit er die Frage selbst beantworten konnte. Erschrocken betrachtete er Oxanas Konstruktion.
„Bist du, … sind Sie wahnsinnig?“
Die Gerte traf genau die empfindlichste Stelle eines Mannes, was ihn aufschreien ließ. „Ich finde das eher genial. Außerdem, beleidigt man seine Gospozha?“
Dem Jungen fiel ein Sprichwort ein, wonach Genie und Wahnsinn nahe beieinanderliegen. Er verkniff sich, das Oxana mitzuteilen. Der Gedanke, seine Angebetete könnte eine Verrückte sein, erschreckte ihn.
Sie hängte an jedes Seil ein weiteres Gewicht, um den Schwebezustand abzusichern, dann ging sie zum Schrank, um einige Gegenstände herauszuholen. Die Gliedmaßen waren deutlich im stumpfen Winkel gespreizt, was bei den Beinen nicht ganz schmerzfrei war.
„Du hast bei unserer Ankunft versucht zu flüchten. Das muss noch sanktioniert werden.“
„Bitte nicht, Gospozha.“
„Strafe muss sein. Ein Sklave sollte Bestrafung mit Stolz ertragen und nicht jammern wie ein kleines Mädchen. Denn dann kann auch die Herrin auf ihren Sklaven stolz sein. Möchtest du, dass ich stolz auf meinen Sklaven bin?“
„Ja, Gospozha.“
Sie zog erst die Vorhaut zurück und legte dann eine Schlinge um die Peniswurzel und den Hodensack. Danach zog sie die Schlaufe zu und hängte ein Bleigewicht daran. Fast sofort versteifte sich das Glied, doch eine Schmerzbekundung blieb aus und die Farbe der Eichel veränderte sich auch nicht erkennbar. Sie holte mehrere kleinere Bleikugeln, brachte eine nach der anderen ans erste Gewicht an, wartete ein paar Minuten und notierte sich den Farbton der Eichel, den sie mittels einer RAL‑Farbtabelle aus einem Baumarkt ermittelte. Bei der sechsten Kugel stöhnte er auf, was sie als Schmerz einstufte und ebenfalls vermerkte. Zwei Bleigewichte später nahm die Eichel einen leichten Stich ins Lila an.
Zufrieden nahm sie ihr Notizbuch und kletterte nach unten.
Tag_1; Zeit_4:00
Gehorsam des Probanden fast zufriedenstellend.
Konstruktion mit den Metallscheiben funktioniert ausgezeichnet.
Sie fügte eine, CBT benannte, Tabelle ein und übertrug ihre Beobachtungen mit den verschiedenen Gewichten.
Alle fünfzehn Minuten stieg sie nach oben, hängte weitere noch kleinere Bleikugeln dazu und las die neue Farbe ab. Elf Kügelchen später nahm die Eichel den tief lilafarbenen Farbton (RAL 4008) an, den sie zuvor als Zielfarbe festgelegt hatte. Sie rollte ein Kondom über das Glied und schloss ihre Hand fest darum. Mit einer Stoppuhr in der anderen stoppte sie die Zeit, bis die Handbewegungen dazu führten, dass er das Kondom füllte. Dann rollte sie es vorsichtig ab und kletterte nach unten. Dort legte sie es auf eine Apothekerwaage und notierte sich das Ergebnis. Anschließend trug sie Zeit und Gewicht in die Tabelle ein.
Michail hatte ein Elektronenmikroskop besorgt, bei dem man die Ergebnisse sogar auf dem Computer darstellen und automatisch speichern konnte. Sie entnahm dem Kondom einen Tropfen und legte ihn auf einen Objektträger. Fasziniert beobachtete sie die wimmelnden Würmchen auf dem Monitor und ließ alle dreißig Minuten das Bild abspeichern.
Nachdem eine Stunde verstrichen war, ging sie wieder auf den Dachboden. Das Glied war im Ruhemodus und die Schlinge mit den Gewichten lag auf dem Bett. Offensichtlich schrumpften nicht nur die Schwellkörper, sondern auch das Umfeld. Oxana speicherte die Informationen im Kopf ab, um sie später dem Protokoll hinzuzufügen. Inzwischen hatte Juri begriffen, dass seine Fragen nur Bestrafungen nach sich zogen, jedoch keine Antworten. Deshalb wartete er schweigend ab, was sie jetzt plante, obwohl die Gliedmaßen vor Schmerz brannten und er schleunigst diese unbequeme Position verlassen wollte. Oxana nahm die Gewichte ab, die seine Arme hoch zogen, wodurch der Oberkörper zurück auf das Bett sank. Allerdings hingen jetzt die Beine senkrecht nach oben. Sie begab sich zum Schrank und holte den kleinsten von drei Plugs heraus und salbte ihn mit Vaseline. Zu Juri zurückgekehrt, hielt sie den Stöpsel an seine Rosette und drückte ihn wie ein Zäpfchen in den Po. Danach nahm sie die anderen Gewichte ab und löste die Seile von den Manschetten. Außer einem erleichternden Aufatmen schwieg er weiterhin. Sie registrierte es mit Genugtuung.
Es war Freitagabend und in Kürze würde es dunkel werden. Daher wurde es Zeit, alles für die Nacht vorzubereiten. Natürlich sollte die Herrin im Bett schlafen und nicht der Sklave. Außerdem musste er essen und trinken, sonst würde sein Ejakulat bald an Qualität einbüßen.
„Runter vom Bett und knie vor mir auf dem Boden.“
„Ja, Gospozha“, antwortete er und krabbelt vom Bett. Doch die Schenkel waren beim Knien vor ihr geschlossen, was Oxana nicht gefiel.
„Die Beine auseinander. Ich will deinen Pimmel sehen. Ein Sklave hat zu zeigen, was er anzubieten hat.“
„Ja, Gospozha.“
Sie tippte mit einem langen Rohrstock von einem seiner Knie zum anderen, bis die Schenkel so weit geöffnet waren, wie sie es sich wünschte. „Hände in den Nacken. So wirst du immer knien, wenn ich 'Sitz' sage, und dich erst bei einem neuen Befehl wieder bewegen.“
„Ja, Gospozha.“
Obwohl der Anblick seines Geschlechtsteils die Feuchtigkeit wieder in ihre Spalte trieb – etwas, das bei den vier vorherigen Tests nicht passiert war – verstand sie ihre Reaktionen auf diesen Jungen immer noch nicht.
Sie bezog das Bett mit frischer Wäsche, darauf achtend, dass er sich nicht bewegte. Als sie damit fertig war, holte sie ein Lederhalsband aus dem Schrank und ging zu ihm. „Leg deine Hände auf die Oberschenkel.“
„Ja Gospozha.“
Sie legte ihm das Halsband an, verschloss es und sicherte es mit einem winzigen Vorhängeschloss. Nach einem kurzen Bedenken, ob er sich eine Belohnung verdient hatte, streichelte sie ihm mit der Hand über den Schopf. „In den Käfig, Sklave.“
„Ja, Gospozha.“
Ihr gefiel nicht, dass er immer wieder die Fernbedienung in ihrer Hand ansah. Noch wäre es wohl ohne diese Bedrohung sofort mit dem Gehorsam vorbei. Allerdings hatte sie es zu diesem frühen Zeitpunkt nicht anders erwartet. Sie wartete, bis er im Käfig hockte und verschloss ihn. Dann stieg sie die Treppe hinunter, um ein Omelett zu braten. Für ihre Experimente war es wichtig, dass er ausreichend Eiweiß zu sich nahm. Sie füllte den Eierkuchen in einen Fressnapf für Hunde und Wasser in einen zweiten. Dann kletterte sie mit den Näpfen nach oben und stellte sie zu dem Jungen in den Käfig. „Du darfst essen und trinken.“
„Ja, Gospozha.“
Sie verschloss die Käfigtür wieder und sagte: „Ich habe dir etwas gegeben, also wäre danke passender.“
„Ja, Gospozha. Danke, Gospozha.“
Verbittert stellte sie fest, dass der Sklave mit den Händen aß und wie aus einer Schale trank. Sie durfte ihn aber auch nicht maßregeln, denn es war ihr Fehler, diese nicht vorher gefesselt zu haben. Sie wartete, bis er fertig war, dann nahm sie eine Wolldecke und ging zum Käfig.
„Du darfst jetzt schlafen. Bis ich dich wecke, wirst du ruhig sein und den Stöpsel im Po lassen. Bist du gehorsam, wirst du belohnt.“
Daraufhin hängte sie die Decke über den Käfig und zog sich aus. Nachdem sie ihr Nachthemd angelegt hatte, stieg sie ins Bett und löschte das Licht.
Juri dachte nicht an Flucht, wie Oxana vermutete. Er konnte nur daran denken, dass seine Angehimmelte ihn zu seinem ersten Orgasmus gebracht hatte, den er nicht selbst herbeigeführt hatte. Die Erfüllung eines langjährigen Traumes. Damit er Wirklichkeit wurde, war es nur nötig gewesen, dass er ihren Befehlen gehorchte. Er würde jetzt alles ausführen, was sie verlangte und darauf hoffen, dass noch mehr seiner Wünsche in Erfüllung gehen würden. Trotz der Schmerzen schaffte er es einzuschlafen und wachte erst auf, als Oxana geräuschvoll die Käfigtür öffnete.
„Komm raus, Sklave!“
Er benötigte ein paar Sekunden, um vom himmlischen Traum in die Realität zurückzukehren. Es wäre schöner gewesen, wenn sie ihn Diener genannt hätte. Denn der Diener seiner Göttin zu sein, war für ihn eine akzeptable Vorstellung.
„Ja, Gospozha.“
Vor ihm auf dem Boden stand eine Schale mit Wasser.
„Hol den Stöpsel aus dem Po und lege ihn in die Schüssel.“
„Ja, Gospozha.“
Er tat wie befohlen, woraufhin sie ihm einen Stoffbeutel zuwarf: „Über den Kopf damit, Sklave.“
„Ja, Gospozha.“
Nachdem er Oxanas Befehl ausgeführt hatte, wurde der Beutel am Hals zusammengezogen und etwas am Halsband befestigt.
„Wir üben jetzt das blinde Krabbeln. Ich werde die Richtung nicht sagen, sondern so anzeigen.“ Das Paddel der Gerte traf seinen Po; wenngleich auch bei Weitem nicht so hart wie bei der Bestrafung am Vortag.
„Rechte Pobacke heißt nach links und linke nach rechts.“
„Ja, Gospozha.“
Mit der Leine in der einen und der Gerte in der anderen Hand dirigierte sie ihn zum Aufzug. „Stopp.“
„Ja, Gospozha.“
Ein paar Minuten später krabbelte er über den Waldboden und wurde wie ein Hund ausgeführt. Er hatte schon die Hoffnung, sie würde ihn jetzt freilassen und die Erniedrigungen beenden, da wurde er eines Besseren belehrt. Sie befahl ihm, sich breitbeinig hinzuknien und dann den Kopf auf den Waldboden zu legen.
„Jetzt erleichtere dich, Sklave.“
„Ja, Gospozha“, sagte er zwar, doch er dachte, dass der Zeitpunkt erreicht wäre, wo er vor Scham sterben würde. Er wusste wegen der Leine, die auf seinem Rücken lag, dass sie hinter ihm stand und alles genau sehen würde.
Hätte er die Kamera gesehen, die sie aufgestellt hatte, wären seine Gedanken bestimmt nicht angenehmer gewesen. Auch ohne dieses Wissen konnte er zunächst nicht auf Befehl. Hatte er sie nicht immer erhöht, schon bevor sie ihn in den Wald geführt hatte? Sie auf ein Podest gehoben und angebetet? War ihr das noch nicht genug, dass sie ihn jetzt weiter erniedrigen musste, indem sie die schmutzigste Handlung, die möglich war, von ihm verlangte – und dabei auch noch zusah? Klatsch. Die Gerte traf mit voller Kraft seine Pobacke. „Wird das noch was oder muss ich deine Exkremente herausprügeln?“
Die Angst vor weiteren Schlägen ließ ihn die Blase entleeren.
„Sei ein braver Sklave und mach dein Häufchen, damit wir zurück können.“
Er presste in dem Glauben, ihr nie wieder in die Augen sehen zu können. Tatsächlich flutsche, neugierig von Oxana und der Kamera beobachtet, eine Wurst auf den Waldboden.
„Braver Sklave, war doch gar nicht so schwer.“
Sie ließ ihn etwas nach vorn krabbeln, dann drückte sie ihm eine Rolle Toilettenpapier in die Hand, damit er sich säubern konnte. Sie bedauerte seine fehlende Gelenkigkeit, damit er es mit der Zunge ausführen konnte. Michails Witz fiel ihr wieder ein und sie musste kichern.
›Warum leckt sich ein Hund am Hintern? Weil er es kann.‹
Eine halbe Stunde später waren sie zurück auf dem Dachboden. Sie zog Seile durch die Ösen an den Handmanschetten und führte sie durch Metallringe an der Decke. Als seine Arme bis zur Gänze gestreckt waren, verknotete sie die Seile und befestigte an den Fußmanschetten eine Spreizstange. Jetzt stand er nur noch auf den Zehen. Sie holte eine Schüssel warmes Wasser, zog einen Gummihandschuh an und wusch ihn. Oxana hatte lange überlegt, aber keine andere Möglichkeit gefunden. Die Badewanne vor dem Haus kam nicht infrage, weil Juri die Hütte gesehen hätte. Dennoch war es nötig, ihn zu waschen, wenn sie nicht an einem dreckigen und bald auch übel riechenden Sklaven herumspielen wollte. Sie trocknete Juri ab und befreite ihn von den Seilen und der Stange. „Sitz.“
„Ja, Gospozha.“
Als wäre er schon ewig ihr Sklave, nahm er die geforderte Position ein. Zufrieden stieg sie die Leiter herab und bereitete das Frühstück zu. Die Mahlzeiten waren etwas ungerecht verteilt. Während sie Brote mit Wurst und Käse aß und dazu Tee trank, bekam er nur Porridge – immerhin mit Milch. Nebenbei essend lud sie die Aufnahmen aus dem Wald auf den Computer und ergänzte das Protokoll. Mit dem Napf kletterte sie anschließend nach oben, zog sich um und stellte sich hinter ihn. „Hände auf den Rücken.“
„Ja, Gospozha.“
Mit einem Karabiner verband sie die Handmanschetten, dann stellte sie sich vor ihn und entfernte den Beutel. Sofort richtete sich sein Glied auf.
Sie trug hohe Reiterstiefel. Ein hauchdünnes Spitzenhöschen und das dazu passende Negligée sowie über die Ellbogen reichende Lederhandschuhe. – Alles in Schwarz. Sie gönnte ihm ein paar Sekunden lang diesen sexy Anblick. Dann befahl sie ihm, sich wie im Wald auf das Bett zu knien. „Diese Position wirst du einnehmen, wenn ich Platz sage.“
„Ja, Gospozha.“
Dann holte sie den nächstgrößeren Plug, trug Vaseline auf und schob ihm den Stöpsel in den Po. „Jetzt darfst du das Bett wieder verlassen und essen.“
„Danke, Gospozha.“ Er krabbelte zu dem Napf und wartete. Doch Oxana machte keine Anstalten, seine Hände zu befreien. Notgedrungen tauchte er den Mund in den Brei und leckte ihn auf. Als er fertig war, säuberte sie mit einem Waschlappen das verschmierte Gesicht und befahl ihm, sich vor das Andreaskreuz zu stellen. Ein paar Minuten später war er ans Kreuz fixiert. Oxana ergriff sein bestes Stück und sagte: „Heute werde ich testen, wie leistungsfähig das Teil ist.“ Dabei bewegte sie langsam die Hand, bis die Samenspritze senkrecht nach oben stand. Als der Junge anfing, die Augen zu verdrehen, hörte sie auf und holte zwei Klemmen und mehrere Gewichte aus dem Schrank. Sie befestigte die Klammern an seinen Brustwarzen und hängte Bleigewichte daran. Er verzog zwar das Gesicht, reagierte aber nicht mit einer akustischen Schmerzmeldung.
Oxana hatte sich lange auf diesen Test vorbereitet, aber die Literatur war bei dem Thema sehr vage. Doch Übung macht schließlich den Meister. Um sich Juris Mithilfe zu versichern, war ein weiterer Befehl erforderlich. „Wenn irgendwas aus dem Ding rauskommt, bevor ich es dir erlaubt habe, werde ich dich bestrafen.“ Dabei tätschelte sie das erigierte Glied und fuchtelte mit dem einen Meter langen Rohrstock vor seinen Augen herum.
„Ja Gospozhaaaa“, kam ein Stöhnen als Antwort: Denn sie hatte schon angefangen, den Samenspender mit der Hand zu bearbeiten.
In der Literatur hatte sie alles darüber gelesen, wie sich eine Ejakulation ankündigt, damit man sie noch verhindern konnte. Doch was man in der Theorie weiß, klappt in der Praxis deshalb nicht automatisch. Obwohl sie wie beschrieben aufhörte, tropfte es wenige Sekunden später aus der Samenspritze heraus: Sie hatte nicht rechtzeitig aufgehört. „Damit hast du dir die ersten sechs Schläge verdient. Mal sehen, wie viele noch dazukommen.“ Sie entfernte mit einem Feuchttuch den Schlamassel und kletterte nach unten.
Dort ergänzte sie das Protokoll und trank eine Tasse Tee.
Eine Stunde später misslang auch der zweite Versuch. Doch beim dritten, eine weitere Zeigerumdrehung danach, schaffte sie es, im letzten Augenblick abzubrechen. Jetzt wiederholte sie alle fünf Minuten den Vorgang, der für ihr Opfer zugleich schön, aber auch grausam war. Nach jeder Verweigerung, die Erregung zu befreien, wirkte Juri paralysierter und nahm die Umgebung kaum noch wahr. Fünfzehn Abbrüche später hatte Oxana Erbarmen. „Weil du so gehorsam warst, bekommst du jetzt deine Belohnung. Du hast die Erlaubnis abzuspritzen.“ Mit diesen Worten kniete sie sich vor ihn und sog den Lolli zwischen ihre Lippen.
Die Göttin, die er anhimmelte, jetzt vor sich knien zu sehen; zu fühlen, wie seine fleischliche Männlichkeit mit ihren weichen Lippen verschmolz, beförderte seine Wahrnehmung in ein anderes Universum. Dort saß seine Angebetete auf einem Thron und er lag zu ihren Füßen. Es dauerte nicht lange, da stöhnte er laut auf und entlud sich.
Zunächst gedachte sie ihn zurechtweisen, weil er sich nicht bedankt hatte. Dann sah Oxana, dass er dazu nicht in der Lage war. Völlig weggetreten hing er lächelnd in den Fesseln. Sie ging nach unten und machte einen Milchshake mit einem in Fitnessstudios beliebten Proteinpulver, den er dann mithilfe eines Strohhalms trinken durfte. Einmal hatte sie einen solchen Shake probiert und kam zu dem Schluss, dass der Eiweißdrink, den sie eben zu sich genommen hatte, besser schmeckte. Sie fand sogar, besser als die vier zuvor. Auch dieses Indiz, dass dieser Junge mehr für sie sein könnte, als nur ein Versuchskaninchen, erkannte sie nicht. Nachdem sie das Protokoll aktualisiert und ihm das Getränk verabreicht hatte, lief sie zum Essen nach Hause.
Als sie zurückkehrte, sah sie kurz nach ihrem Probanden, der trotz der unbequemen Position schlief. Sie wärmte eine reichhaltige Fischsuppe auf, die die Mutter gekocht hatte. Diese kochte oft großzügige Mengen und Oxana nahm Übergebliebenes mit, wenn sie an Wochenenden in der Hütte übernachtete. Etwas, das, seit sie Michail kannte, öfter vorkam. Er schlief dann, wie es sich gehörte, auf dem Sofa. Oxana füllte die Portion des Jungen in den Napf, stellte diesen neben den Käfig und befreite den Sklaven, der sich nach ihrer Erlaubnis über das Essen hermachte. Kaum war er fertig, forderte sie ihn auf, sich auf das Bett zu legen, wo sie ihn mit Seilen an den Manschetten fixierte. Sie verband ihm die Augen und holte eine Kerze. Als sich das Wachs bildete, fing sie an, einzelne Tropfen auf den Körper fallenzulassen. Sie behielt dabei Juris erotisches Anzeigegerät im Blick und die Akustik im Ohr. Immer wieder machte sie zwischendurch Notizen. Als kaum noch ein freier Fleck auf dem Oberkörper vorhanden war, wozu Oxana auch den Bereich zwischen den Beinen zählte, entfernte sie das Wachs wieder. Dazu löste sie die hart gewordene Masse an einer Stelle und riss sie mit einem Ruck ab. Juri war zwar noch kein Mann, doch hatte er trotzdem schon Haare am Körper. Der Aufschrei ließ fast ihre Trommelfelle platzen. – Sofort ergänzte sie im Notizbuch: Proband vorher rasieren.
Sie ging in den Wohnraum, holte Eiswürfel und ließ sie über Juris Körper gleiten. Auch hierbei machte sie regelmäßig Notizen, die sie anschließend in den Computer übertrug. Jetzt wiederholte sie das Experiment, das sie zuvor am Andreaskreuz durchgeführt hatte. Erneut verbot sie ihm unter Androhung einer Strafe, die Erregung zu befreien, bevor er die Erlaubnis hätte. Blind und wehrlos blieb Juri ohnehin nichts anderes übrig, als Oxanas Kontrolle über Körper und Erregung zu akzeptieren. Auch ohne Fesseln wäre es ihm unmöglich gewesen, sich den Stimulierungen zu entziehen. Es war für ihn der Himmel auf Erden, die Erfüllung aller Träume, die er je mit diesem Mädchen verbunden hatte. Die Hand, die seinen besten Freund bearbeitete, brachte ihn fast um den Verstand. Nie hätte er sich vorgestellt, dass die Realisierung seiner Träume so schön sein würde. Sein Wille war inzwischen komplett gebrochen. Für diese fleischgewordene Gottheit würde er alles tun, was sie verlangte. Obwohl er sich nichts sehnlicher wünschte, als den angestauten Druck in den Lenden zu befreien, wusste er doch, nur sie würde bestimmen, wann dieser Zeitpunkt kommen würde. Schon beim ersten Mal am Andreaskreuz dachte er, sein Schwanz sei explodiert und würde nun aussehen wie eine Brühwurst, die man auf dem heißen Herd vergessen hatte. Überrascht hatte er dann festgestellt, dass dem nicht so war und das gute Stück diese Behandlung unbeschadet überstanden hatte.
Oxana muss ihm mindestens ein Dutzend Mal den Höhepunkt verweigert haben, da spürte er, dass es kein Zurück mehr gab. Jeder Muskel des Körpers fing an zu zucken, der Atem verwandelte sich in heftiges Keuchen, dann fühlte er die heiße Erregung aufsteigen und sich durch das Glied fressen. Doch Oxanas Hand griff so fest zu, dass es keinen Ausweg gab. Wie Magma stieg immer mehr Ejakulat auf und wollte in die Freiheit. Das Gehirn stellte alle anderen Funktionen ein und empfahl sich für einen späteren Zeitpunkt. Dass sich der Griff lockerte, merkte er nicht mehr. Nur, dass der Lustsaft, einer Explosion gleich, aus ihm herausspritzte und die warme Masse auf seinem Hals landete. Was noch wenige Sekunden zuvor ein fast unerträglicher Schmerz war, verwandelte sich in etwas, das einem Drogenrausch sehr ähnlich war.
„Habe ich dir erlaubt zu kommen?“ Oxana hatte absichtlich unterlassen, ihm den Orgasmus zu erlauben, damit er sich nicht darauf vorbereiten konnte. Juri hörte ihre Stimme, doch sein Gehirn war nicht fähig, die Laute in Wörter zu verwandeln – und schon gar nicht in einen sinnvollen Satz. Sie hatte in der letzten Stunde jeden Tropfen Testosteron, den sein Körper produzieren konnte, herausgekitzelt. Jetzt fehlte dieser Botenstoff, der ihn normalerweise antrieb. Das Gehirn verweigerte weiterhin den Dienst, weshalb es alle nicht lebenswichtigen Funktionen einstellte und Juri in einen tiefen Schlaf fiel. Oxana begriff sofort, dass das Versuchskaninchen die Leistungsgrenze überschritten hatte. Deshalb entfernte sie die Augenbinde und ging in den Wohnraum, um selbst ein Nickerchen zu halten.
Etwa eine Stunde später wachte Oxana auf dem Sofa auf. Sie machte eine typisch russische Mahlzeit aus Schwarzbrot, Butter und Dosenfleisch – allerdings ohne Wodka, der bei Männern dazu nicht fehlen durfte. Der Proband würde noch eine Zeit lang ausfallen. Deshalb nahm sie die Pistole, die Michail ihr geschenkt hatte, und ging in den Wald, wo sie mit dem Mentor einen Schießstand aufgebaut hatte. Inzwischen schoss sie so gut, dass die beiden schon überlegt hatten, die Schießbahn zu verlängern. Oxana füllte zwei Magazine der Gsch‑18 mit je achtzehn 9 Millimeter Patronen, schob das erste in die Waffe und lud durch. Aus fünfundzwanzig Metern erzielte sie 175 Ringe. Aber sie war eine Perfektionistin und ärgerte sich über die fünf, ihrer Einschätzung nach, Fehlschüsse. Oxana klebte die Einschusslöcher zu und legt das zweite Magazin ein. Dieses Mal traf sie fünfzehnmal die Zehn und nur dreimal die 9. – Michail wunderte sich immer, dass sie mit dieser Waffe so gut treffen konnte. Bei einem Wettkampf gegen die besten Scharfschützen des Landes hätte er jede Kopeke, die er besaß, auf Oxana gesetzt. Er selbst schätzte sich schon glücklich, wenn er mehr als 170 Ringe schaffte. Allerdings war der Verstand seine bevorzugte Waffe und nicht die Pistole. Musste er eine Schusswaffe benutzen, hatte der Verstand versagt.
Sie nahm das Magazin aus der Waffe und lud beide nach. Auf der zweiten Zielscheibe waren zwei etwa handgroße Zielflächen, die eine Armlänge getrennt übereinander angebracht waren. Aus zehn Meter Entfernung gab sie auf diese Doppelschüsse ab, wobei der zweite Schuss, dann auf die untere Scheibe, so schnell ausgeführt wurde, dass ein genaues Zielen nicht möglich war. Trotzdem zählte sie dort am Ende neun Treffer, wenngleich sie so weit verteilt waren, dass sie sich trotz dieser Leistung über das Ergebnis ärgerte. Das Problem bei der Übung war, dass sie noch zu schwach war, um den Rückschlag der Waffe komplett aufzufangen. Sie bekämpfte dieses Manko mit Hanteltraining und hatte für ein Mädchen ihres Alters schon ungewöhnlich starke Arme. Trotzdem bestimmte der zierliche und fast kindliche Körper Limits, die auch Training nicht beseitigen konnte. Sie wiederholte die Übung aus fünfzehn Meter Entfernung, mit einem ähnlichen Ergebnis. Zufrieden ging sie zurück zur Hütte.
Juri schlug die Augen auf und starrte auf die schräge Decke über ihm. Es dauerte etwas, bis ihm einfiel, wo er sich aufhielt. Die Gliedmaßen waren von ihm gestreckt, gefesselt und ließen sich nicht bewegen. Er war so auf Oxana fixiert gewesen, dass er sich nie für andere Mädchen interessiert hatte. Trotzdem hätte er nie zu träumen gewagt, was er an diesem Tag erlebt hatte. Sie hatte ihn zweimal zu einem unglaublichen Höhepunkt gebracht; davon einmal sogar mit dem Mund. Er hatte seine wunderschöne Göttin fast nackt gesehen. Selbst der intimste Bereich war unter dem dünnen Stoff zu erahnen gewesen. Vielleicht würde sie ihm auch dort irgendwann Einlass gewähren, wenn er weiterhin jeden ihrer Wünsche … Befehle erfüllte. Aber wo befand er sich? Eindeutig in einem Gebäude. Es musste im Wald stehen – doch wo? Dieser war riesig und er hatte dort noch nie ein Haus gesehen. Ein Luftzug ließ ihn frösteln, dann nahm er von unten Schritte wahr. Kurz darauf hörte er ein Geräusch, das nur eine Schusswaffe machte, wenn man sie durchlud. Will sie mich jetzt erschießen? Schlagartig bekam er Angst, etwas Wunderschönes würde schrecklich enden. Doch obwohl er noch mehrmals das Geräusch hörte, passierte nichts, was die Furcht begründete – denn Oxana reinigte nur die Waffe. Die Sekunden kamen ihm wie Stunden vor. Dann erschien ihr Kopf im Einstieg des Dachstuhls. „Hat mein Sklave gut geschlafen?“
„Ja, Gospozha.“
Oxana ging um das Bett herum und löste die Seile an den Manschetten. Am Fußende stehend sagte sie: „Sitz“ und zeigte dabei auf den Boden vor dem Käfig.
„Ja, Gospozha.“
Seine Beine waren wackelig, durch die lange Fixierung und die immense Energie, die Oxana ihn genötigt hatte, zu verbrauchen. Er stützte sich am Bett ab, um auf die Knie zu gehen, ohne dabei zu stürzen. Gehorsam krabbelte er vor den Käfig und nahm die geforderte Stellung ein. Oxana warf ihm das inzwischen vertraute Säckchen zu. „Aufsetzen, wir gehen jetzt Gassi.“
„Ja, Gospozha.“
Er war erleichtert. Der Druck auf der Blase war doch schon extrem stark – und er hatte sich nicht getraut zu fragen. Er zog das Säckchen über den Kopf und wartete, bis Oxana es zuzog. Nachdem sie die Leine am Halsband befestigt hatte, führte sie ihn zum Aufzug und kurz darauf aus der Hütte hinaus in den Wald. Dort erlaubte sie ihm, während eines fast einstündigen Spaziergangs die Blase zu entleeren.
Nachdem er zum Abendessen ein weiteres Omelett im Napf serviert bekommen hatte, musste er sich mit erhobenen Po vor sie beugen, damit sie die im Laufe des Tages angedrohten Strafen verabreichen konnte. Obwohl die Verfehlungen hauptsächlich ihrem eigenen Versagen zuzuschreiben waren, glaubte sie, die Bestrafung durchführen zu müssen, um die Autorität aufrechtzuerhalten. Damit diese milder ausfiel, beschloss sie, für die achtzehn Schläge ein Käsebrett zu nehmen, mit dem sie weniger hart zuschlagen konnte als mit der Gerte. Die durch die Löcher im Brett entstandenen Punkte auf den Pobacken amüsierten sie. Brav zählte er jeden Schlag mit und bedankte sich im Anschluss mit einem demütigen: „Danke, Gospozha.“
Oxana wusste in dem Moment, dass sie gewonnen hatte, aber sie hielt noch immer ihre Ausbildung für den Grund und nicht seine Gefühle für sie. Nachdem sie Juri in den Käfig eingesperrt hatte, machte sie sich eine Tasse Tee. Er hatte sich eine Belohnung verdient, die sie ihm auch gewähren wollte. Mit dem Getränk ging sie wieder nach oben und stellte es auf das Nachttischchen. Wenn du dich selbst befriedigst, wird der morgige Tag der schlimmste deines Lebens.“
„Ja, Gospozha.“
Sie setzte sich vor dem Käfig auf das Bett und zog die eleganten Handschuhe und Stiefel aus. So erotisch wie es ihre geringe Erfahrung möglich machte, rollte sie die Strümpfe von den Beinen. Dann stand sie auf, drehte Juri den Rücken zu, beugte sich vor und zog das Höschen aus. Als sie sich wieder umdrehte, saß der Sklave sabbernd und mit prallem Glied im Käfig. Mit einem Knebel aus dem Schrank ging sie zu ihm und reichte dem Jungen den Slip. „Steck ihn dir in den Mund.“
„Ja, Gospozha.“
Dann hielt sie Juri den Knebel hin. Eigentlich war es nur ein breites Stück Leder, in das ein Loch für die Nase eingelassen war, damit der Träger es nicht in seiner Position verändern konnte. „Umdrehen und anlegen.“ Sie verschloss den Knebel und sicherte ihn mit einem kleinen Schloss. „Du darfst dich wieder umdrehen.“ Nur mit dem hauchdünnen Negligée bekleidet, wechselte sie die Bettwäsche und setzte sich dann mit angewinkelten Beinen und der Tasse auf das Bett. Dabei achtete sie darauf, dass er einen guten Blick auf ihre Vulva hatte. Wohl wissend, dass jede Sekunde ihn mit seinen feuchtesten Fantasien belohnte und es doch zugleich die schlimmste Bestrafung war, weil er diese Träume nicht zu Ende bringen dürfte, genoss sie jeden Schluck des Tees. Schließlich zog sie das Negligée aus und warf es durch das Gitter in den Käfig. Dann legte sie sich hin, löschte das Licht und ließ Juri mit der nicht befreiten Erregung zurück.
Am folgenden Morgen bot sich Oxana ein köstlicher Anblick. Juri lag in Fötushaltung im Käfig, das Negligée mit beiden Händen vor der Nase haltend. Sie zog ihr kürzestes Kleid an, stieg hinunter und setzte einen Topf mit Wasser auf den Herd. Dann nahm sie eine Milchflasche aus dem Kühlschrank und kletterte wieder herauf. Dort holte sie eine Spreizstange aus dem Schrank, stellte die Flasche ab, begab sich zum Käfig und schloss ihn auf.
Als Juri die Augen aufschlug, fiel der Blick direkt unter das Kleid. Er war sofort hellwach beim Anblick der unbedeckten Scham. Es war die volle Absicht von Oxana, denn die Hoffnung auf eine weitere Belohnung sollte seinen Gehorsam steigern. „Komm raus und mach Sitz vor deiner Herrin.“ Er gehorchte und sie befestigte die Karabinerhaken der Spreizstange an den Handmanschetten. Danach löste sie den Knebel und ließ ihn das Höschen ausspucken. „Gefällt dir mein Geruch und mein Geschmack?“
„Ja, sehr, Gospozha.“
Sie füllte Milch in einen Napf und stellte ihn vor den Jungen auf den Boden. Sein Mund musste nach einer Nacht mit dem Höschen etwa so trocken sein wie ein Zwieback, dennoch machte er keine Anstalten etwas zu trinken. „Du darfst jetzt trinken.“
„Danke, Gospozha.“
Unverzüglich schleckte er gierig die Milch auf, bis der Napf leer war. Sie füllte nach und nachdem er dieses Mal ausgetrunken hatte, zog sie ihm den Beutel über den Kopf und stieg wieder hinunter. Dort schüttete sie das inzwischen heiße Wasser in einen Kanister und trug diesen in den Wald. Zurück in der Hütte packte sie alles, was sie für ihr Vorhaben benötigte, in eine Tasche und holte ihren, wieder von der Spreizstange befreiten, Sklaven vom Dachboden.
Bei dem Wasserkanister angekommen, nahm sie ihm das Säckchen vom Kopf. „Ich werde heute mit dir einige Sachen machen, die dir vielleicht nicht gefallen werden. Doch wenn du gehorsam bist, werde ich dich am Ende belohnen. Bist du dazu bereit?“
„Ja, Gospozha. Ich werde alles tun, was meine Herrin von ihrem Sklaven verlangt. Ich bin ihr Eigentum, das sie nach Belieben benutzen darf.“
„Platz.“ Er nahm die befohlene Position ein, wodurch er den Plug direkt unter ihre Nase hielt. Oxana drückte mit einem Rohrstock den Stöpsel ein paar Mal tiefer in den Po. Dabei atmete Juri jedes Mal tiefer ein. Es hörte sich mehr wie lustvolles Stöhnen, als nach Schmerz an. Schließlich hatte sie diesen Effekt ausreichend erforscht. Sie befreite den Jungen von dem Sextoy, ließ es auf den Waldboden fallen und führte den Sklaven ein paar Meter tiefer in den Wald. Dort erlaubte sie ihm, sich seiner Ausscheidungen zu entledigen. Sie holte eine Schüssel sowie Waschutensilien aus der Tasche und befahl ihm, erst sich selbst und anschließend den Plug zu säubern. Mit dem restlichen Wasser führte sie mit einem Klistier mehrere Analduschen bei ihm durch. Schließlich zog sie das Säckchen wieder über seinen Kopf und dirigierte ihn zurück in die Hütte.
Der Pranger war so aufgestellt, dass die dort gefangene Person diagonal, vom Fußende aus, über das Bett blicken konnte. Er war in der Höhe verstellbar und davor waren mehrere Ösen auf dem Fußboden angebracht. Nachdem Oxana Juris Füße – im Abstand einer Armlänge – am Boden fixiert hatte, verband sie die Handmanschetten mit einer Kette und befahl ihm, den Oberkörper vorzubeugen. Als der Sklave sicher in dem Gerät eingesperrt war, zog sie das Kleid aus und ging in den Wohnraum. Sie setzte erneut Wasser auf und bereitete sich ein Bad. Michail hatte dafür eine Badewanne organisiert, die vor der Hütte stand. In das warme Nass eingehüllt, überprüfte sie in Gedanken die weiteren Pläne.
Nach dem Bad kletterte sie splitternackt auf den Dachboden und holte einige Kleidungsstücke aus einer der Schubladen unter dem Bett hervor. So, dass er sie beobachten konnte, rollte sie lange schwarze Seidenstrümpfe über ihre Beine. Dann zog sie die bis zur Mitte der Oberschenkel reichenden schwarzen Stiefel an und schnürte sie zu. Sie hatten zwanzig Zentimeter Absätze und eine hohe Plateausohle unter den Zehen. Anschließend legte sie das Lederkorsett an, das den zarten, mädchenhaften Hügelchen fast weibliche Rundungen verlieh. Mit großen Augen beobachtete Juri dabei jede Bewegung. Sein Glied richtete sich steil auf, was Oxana zusätzlich bestätigte, dass ihm der Anblick gefiel. Zuletzt zog sie die Lederhandschuhe vom Vortag an und holte mehrere Gegenstände aus dem Spielzeugschrank. Diese legte sie auf das Bett und ging mit einem der Sextoys zu ihm. Es war ein Vibrator zur Prostatastimulierung.
„Dann wollen wir mal sehen, was dir gefällt und was nicht.“ Nachdem sie Gleitöl um seine Rosette verteilt hatte, führte sie den Stimulator ein und stellte ihn an. Er hatte zehn Stufen und sie probierte sie nacheinander aus, wobei sie bei jeder Juris Reaktionen beobachtete und diese notierte. Die beiden obersten Level schienen eine sehr positive Wirkung zu erzeugen. Da es Juri offensichtlich gefiel, ließ sie den Vibrator auf höchster Stufe und goss sich im Wohnraum einen Tee auf. Dort vervollständigte sie am Computer das Protokoll und ging wieder hinauf. Den leisen Stöhngeräuschen nach, gefiel es dem Sklaven immer noch. Sie nahm zwei weitere Vibratoren, schaltete sie ein und spielte damit an Hoden und Penis. Es schien Juri sehr zu gefallen. Sie zog ihm ein Kondom über, um zu verhindern, dass er das Schlafzimmer verunreinigte. Bald keuchte er und befreite, nachdem er von Oxana die Erlaubnis erhalten hatte, seine Erregung mit einem tiefen Aufstöhnen. Auch dieser Pariser fand nach dem Wiegen den Weg in das Gefrierfach des Kühlschrankes – zu weiteren Untersuchungen. Sie gewährte dem atmenden Sextoy den ersten Proteinshake des Tages und eine Erholungspause, in der sie selbst frühstückte. Er würde bei ihren Plänen noch jedes Gramm Eiweiß benötigen.
Der nächste Test sollte die Belastungsfähigkeit der Hintertür feststellen. Dazu führte sie ihm einen Analhaken ein. Es war ein Dildo, der in eine im rechten Winkel angebrachte Stange überging. Am Ende dieser war eine Öse, durch die Oxana ein Seil führte, es festzog und durch eine Öse an der Decke fädelte. Dann knotete sie in die freien Seilenden eine Schlaufe und hängte dort so lange Gewichte ein, bis seine Fersen den Bodenkontakt verloren. Nachdem sie einen Gummiring über Hoden und Glied gezogen hatte, verließ Oxana den Dachboden und sah sich einen Film an. Es war ein Hardcore‑Porno, auf dessen Hülle eine Domina abgebildet war, die fast die identische Kleidung trug wie Oxana. Was diese Frau in dem Video anstellte, plante auch Oxana noch an diesem Tag und studierte deshalb jede der Bewegung genau. Würde es ihrem Probanden ebenso gefallen, wie dem Mann im Fernsehen? Sie hielt den Film nach der interessanten Szene an und stieg wieder hinauf. Dort nahm sie einen Rosshaarflogger aus dem Schrank und schlug damit auf Juris Pobacken. Im Anschluss an jeden Schlag wartete sie fünf Sekunden, dann folgte der Nächste. Langsam steigerte sie die Schlagstärke, was dem Sklaven aber nichts auszumachen schien. – Im Gegenteil. Bald gab er identische Geräusche von sich wie bei der Stimulierung mit den Vibratoren. Sie hatte Zweifel gehabt, doch anscheinend konnte auch diese Behandlung erregend sein.
Oxana holte zwei Klemmen, befestigte sie an seinen Nippeln, hängte Bleigewichte daran und fuhr mit den Schlägen fort. Doch selbst nach weiteren Gewichten reichte die Stimulierung nicht für einen Orgasmus aus. Auch wenn sie enttäuscht war, hatte der Proband die Behandlung vorbildlich hingenommen. Deshalb nahm sie das nächste Kondom und Sekunden später entlud Juri sich. Sie hängte die Bleigewichte vom Seil ab und befreite den Jungen vom Analhaken. Dann landete das Kondom ebenfalls im Gefrierfach.
Nachdem der Junge einen weiteren Shake bekommen hatte, genehmigte sie sich ein Nickerchen. Dabei überdachte sie die nächsten Schritte. In der Box im Gefrierschrank war noch Platz für acht Proben. Sie gedachte, diese voll zu bekommen, doch sollte er sich jede Abnahme verdienen. Ebenso wollte sie prüfen, ob er inzwischen freiwillig gehorsam sein würde und nach dem Ablegen der Elektrofesseln, weiterhin als Sklave nutzbar wäre. Bevor sie wieder hinaufstieg, versteckte sie die Fernbedienung unter dem Korsett. Er konnte nicht wissen, dass sie im Nahkampf ausgebildet war und einen Angriff zumindest so weit abzuwehren vermochte, um noch nach dieser zu greifen. Oxana ahnte nicht im Entferntesten, dass diese Sorge völlig unbegründet war. Auf dem Dachstuhl angelangt, befreite sie Juri aus dem Pranger und forderte ihn auf, sich vor den Käfig auf den Boden zu setzen. Sie selbst stellte sich vor ihn und befahl, ihre Stiefel abzulecken. Er legte dabei einen Eifer an den Tag, den sie völlig falsch interpretierte. „Zieh meine Stiefel aus.“
„Ja, Gospozha.“
So würdevoll wie es ihm möglich war, löste er die Schnürsenkel, wohl wissend, dass der Anblick ihrer wohlgeformten, seiden bedeckten Beine und Füße seine Belohnung sein würde. Er zelebrierte jede Schlaufe, bis die Stiefel komplett geöffnet waren und er sie abziehen konnte.
„Das hast du fein gemacht.“ Sie warf ihm ein Kondom zu. „Zieh es über und befriedige dich.“
„Ja, Gospozha.“
Einem Jungen dabei zuzusehen, wie er sich selbst befriedigte, ließ das Kribbeln bei ihr zurückkehren …
Bis zum Abend hatte sie ihm weitere Aufgaben aufgetragen und sich dabei auch oral befriedigen lassen. Nach jedem erfüllten Befehl erlaubte sie, dass er es sich selbst machte. Die Probenbox war gefüllt und alle geplanten Experimente abgeschlossen. Im Anschluss eines langen Gespräches kam sie zu der Erkenntnis, dass es keine Gefahr wäre, ihn freizulassen. Nicht nur, dass er versprach, über das Geschehene zu schweigen, er versicherte auch, weiterhin ihr Sklave zu sein. Mit einem Beutel über dem Kopf führte sie ihn zurück an den Waldrand. Nachdem sie seine Kleidung auf den Waldboden gelegt und ihn von den Fesseln befreit hatte, kam es zu einem vorerst letzten Gespräch.
„Man wird bestimmt schon nach mir suchen. Was soll ich sagen, wo ich war?“
„Sag ihnen, du hast dich im Wald verlaufen. Es wäre ja nicht zum ersten Mal vorgekommen, dass sich hier jemand verirrt hat.“
Auch, wenn seine Kleidung in Griffweite lag, unternahm er keine Anstalten, sich anzuziehen und kniete stattdessen weiterhin nackt vor ihr – in der inzwischen gewohnten Sklavenhaltung. Obwohl sie wieder wie das brave Mädchen gekleidet war, das jeder im Dorf zu kennen glaubte, erblickte sie zwischen seinen Beinen deutlich die Erregung. Doch es war nicht ihr Anblick, der ihn erregte, sondern allein ihre Anwesenheit.
„Wird meine Herrin weiterhin für mich Verwendung haben oder endet es hier und heute?“ In der Stimme hörte sie sowohl Hoffnung als auch Traurigkeit. Sie dachte kurz über die Frage nach und kam zu dem Schluss, dass ein gefügiger Sklave noch einmal nützlich sein könnte. Daher überlegte sie sich die Antwort sehr genau. „Niemand darf davon erfahren. Erzählst du jemandem von uns, werde ich dich nicht mehr kennen.“
„Das würde ich nie tun, Gospozha, außer ihr befehlt es mir.“ Sie ahnte nicht, mit welchem Stolz er gerne allen erzählt hätte, dass er ihr Sexsklave war.
„Wenn ich wieder Verwendung für einen Sklaven habe, schicke ich dir eine Nachricht mit einem Datum und einer Uhrzeit. Unterschrieben wird sie sein mit einem G.“
„Und was soll ich dann tun?“
„Sollten darin keine anderweitigen Anweisungen sein, kommst du zu dem angegebenen Zeitpunkt genau zu diesem Platz, ziehst dich aus und wartest genau in dieser Position. Ich werde dann kommen.“
„Ja Gospozha. Ich werde gehorsam hier sein und Ihre Befehle erwarten.“
„Du darfst jetzt gehen.“
Juri sah sie erstaunt an: „Nackt?“ Sie war etwas überrascht von der Frage. Dass er so gehorsam sein würde, hatte sie nicht erwartet. „Du darfst aufstehen und dich anziehen.“
„Danke, Gospozha.“ Daraufhin erhob er sich, legte die Kleidung an und ging nach Hause …
Die Eltern erwarteten ihn schon aufgelöst. Das halbe Dorf hatte nach ihm gesucht und alle waren erleichtert über seine Rückkehr. Als die Mutter erfuhr, dass er das Wochenende im Wald umher geirrt war, stürmte sie in die Küche und tischte bis in die Nacht verschiedene Gerichte auf, in dem Glauben, er müsse halb verhungert sein. Die nächsten zwei Tage entschuldigte sie ihn wegen Magenschmerzen in der Schule – ohne zu ahnen, dass ihre Fürsorge, und nicht der Aufenthalt im Wald daran schuld war. Wie er versprochen hatte, sagte er niemandem ein Wort über Oxana und die Verbindung zu ihr. Doch sie hatte ihm nicht verboten, von ihr zu träumen. Sobald er die Augen schloss, war er wieder mit seiner Göttin zusammen.
6.
Die nächsten Tage verbrachte Oxana jede freie Minute in der Hütte und untersuchte die Proben mit einem Eifer, als ginge es um eine Forschungsarbeit für den Nobelpreis. Zunächst überlegte sie, ein paar davon aufzuheben, für den Fall, dass sie weitere Untersuchungsmöglichkeiten finden würde. Aber dann verwarf sie die Überlegung, schließlich konnte sie jetzt jederzeit Nachschub besorgen.
Donnerstagabend kam Michail von seiner Reise nach Hause. Nachdem er die Koffer ausgeräumt und die dreckige Wäsche für die Haushaltshilfe bereitgelegt hatte, genehmigte er sich ein heißes Bad. Er war die letzten sieben Tage durch etwa zwanzig Zeitzonen gereist und glaubte, nicht einmal sagen zu können, welcher Tag gerade war. Nach dem Bad nahm er eine Schlaftablette und schlief bis zum Vormittag den Jetlag aus. Als er aufwachte, war die Haushaltshilfe schon dabei, den Haushalt zu erledigen. Es war eine deutlich leichtere Arbeit als noch wenige Jahre zuvor. Dank seiner Kontakte waren die gesamte Küche und das Bad 'Made in Germany'. Das beinhaltete natürlich auch eine Waschmaschine und einen Trockner; etwas, das in dieser entfernten Provinz nur bei wenigen Menschen zum Standard gehörte.
Die Haushaltshilfe war die vierundzwanzigjährige Svetlana. Seit fünf Jahren eine Vollwaise musste sie allein mit Gelegenheitsjobs für sich und den noch minderjährigen Bruder sorgen: Bis Michail vier Jahre zuvor in ihr Leben trat. Er rettete sie vor drei Betrunkenen, die nicht‑einvernehmlichen Geschlechts­verkehr wollten. Zum Dank für die Rettung hatte sie dann mit dem charmanten Retter sehr einvernehmlichen Geschlechtsverkehr. Im Bett an ihn gekuschelt, erzählte sie am folgenden Tag von ihren Lebensumständen, woraufhin Michail ein Angebot machte, das sie nur schwer ablehnen konnte. – Zumal ihr die Nacht sehr gefallen hatte. Er zahlte ihr ein monatliches Taschengeld, das für das Auskommen der Geschwister reichte und besorgte einen Platz an einer Schule, wo sie den Abschluss nachmachen konnte. Dafür kam sie jeden zweiten Tag zu ihm und erledigte den Haushalt – inklusive einiger Nebenleistungen. Eine dieser Sonderleistungen war die Kleidung, die sie in seinem Haus trug. Dazu hatte er einen Schrank bereitgestellt, den er mit den heißesten Dessous gefüllt hatte. Was sie davon anzog, war ihr freigestellt, fand er es doch unterhaltsam, überrascht zu werden – und sie enttäuschte ihn nie.
Kaum hatte sie gehört, dass er aufgewacht war, klopfte sie an der Schlafzimmertür.
„Komm rein.“
Sie öffnete die Tür. Bei ihrem Anblick hob sich augenblicklich das Oberbett an. Sie war mit 175 Zentimeter für eine Frau schon sehr hochgewachsen und zusammen mit den Absätzen der feuerroten High Heels etwa so groß wie der 1,88 Meter große Michail. Die schlanken Beine waren ansonsten nackt; anders als die runden B‑Körbchen Brüste, die mit einem bordeauxroten, hauchdünnen Negligée bedeckt waren. Die langen, gewellten, roten Haare wirkten wie ein zusätzliches Muster auf dem Hauch von Seide und Spitze.
„Bonjour, chéri. Tu m'as manqué“, hauchte sie in perfektem, sexy Französisch.
Svetlana hatte inzwischen eine Ausbildung zur Dolmetscherin angefangen und freute sich, wenn sie das Gelernte nicht nur anwenden, sondern damit auch den Liebhaber erregen konnte.
„Ich habe dich auch vermisst.“
Was nicht in gleichem Maße galt wie für sie. Gerade auf seinen Reisen wurden ihm ständig Frauen zur Entspannung zugeführt, doch für Svetlana war er der einzige Sexualpartner. Für Michail hatte dieser Umstand den Vorteil, dass sie sich besonders auf die Zweisamkeit mit ihm freute, was der Qualität dieser Aktivitäten sehr zuträglich war. Sie sah an ihm vorbei auf das ausgebeulte Oberbett. Mit den Worten „Je vois, que j'ai manqué à quelqu'un d'autre, aussi“, tänzelte sie auf das Bett zu und glitt mit den Fingern unter die Zudecke.
„Ja, mein Schatz, der hat dich auch vermisst.“ Dann folgte der Kopf den Händen. Michail schloss die Augen und ließ sich von Svetlana verwöhnen.
Kurz vor der Mittagsstunde machte er sich auf, um Oxanas Hütte aufzusuchen. Dafür hatte er sich extra eine Motocross‑Maschine zugelegt. Unter einem Busch nahe dem Moor versteckte er das Motorrad und legte die letzten fünfhundert Meter zu Fuß zurück. Er hatte von der Reise ein neues Programm für Oxana mitgebracht, mit dem sie auf dem Computer verschlüsselte Nachrichten versenden konnte. Jetzt war es ihnen möglich, in Kontakt zu bleiben, wenn er auf Reisen war. Michail betrat die Hütte und entnahm einer Tragetasche zwei Literflaschen Cola, sowie einige Lebensmittel und öffnete den Kühlschrank. Nachdem er alles darin verstaut hatte, entriegelte er das Gefrierfach. Er holte die Eiswürfelform aus dem Eisfach und füllte sie mit Wasser. Während er diese in das Fach zurück stellte, fiel ihm eine seltsame Plastikdose auf. Neugierig nahm er sie heraus und öffnete sie. Beim Anblick der mit einer kristallisierten Masse gefüllten Kondome bereute er seine Neugier. Er stellte Wasser auf den Herd und setzte sich an den Schreibtisch. Das Elektronenmikroskop stand noch eingeschaltet auf dem Tisch und der Computer war nicht ausgeschaltet, sondern befand sich im Stand‑by‑Modus. Nach dem Fund im Kühlschrank ahnte er schon, was Oxana mit dem Mikroskop untersuchte. Sekunden später wurde der Verdacht bestätigt. Grinsend, mit geschlossenen Augen, schüttelte er den gesenkten Kopf, legte die CD ins Laufwerk und installierte das mitgebrachte Programm. Während der Computer die Software verdaute, verwandelte Michail das heiße Wasser in eine Tasse Kaffee. Er setzte sich wieder an den Schreibtisch und beendete die Installation. Mit seinem Satellitentelefon testete er die Anwendung und stellte zufrieden fest, dass sie wie geplant funktionierte.
Wie er nach der Entdeckung im Eisfach schon befürchtet hatte, befand sich ein neuer Ordner auf dem Computer – Test_5. Wie auch die Vorgänger beinhaltete dieser eine Text‑ und eine Videodatei. Michail nahm einen Schluck Kaffee und startete das Video. „Video sed non credo“, fluchte er mit aufgerissenen Augen. Auch wenn er, wie der Fluch besagte, nicht glauben konnte, was er sah, amüsierte ihn das Auftreten Oxanas im Stile einer professionellen Domina. Dafür stieg mit dem Fortschreiten des Videos sein Mitleid mit Juri. Nebenher las er das Protokoll zu dem Experiment und lachte angesichts der emotionslosen Analyse mehrmals auf. Gerade war das Video beendet, da öffnete sich die Tür. „Hallo Michail, war die Geschäftsreise erfolgreich?“
„Ja, danke der Nachfrage. Wie ich sehe, warst du auch fleißig“, dabei blickte er schelmisch lächelnd auf den Monitor.
„Ich musste ja die Langeweile bekämpfen.“
„Kreierst du gerade eine neue Geschmackssorte für Eiswürfel?“, wobei er den Blick zum Kühlschrank schwenkte.
„Ich glaube, die würde sich nicht durchsetzen. Aber das Zeug ist verdammt instabil und nur dort haltbar.“
„Du hast den armen Kerl ganz schön in die Mangel genommen.“
„Schien ihm aber gefallen zu haben. Brauche jetzt nur noch pfeifen, dann macht er Sitz und erfüllt jeden Befehl.“
„Ein gehorsamer Sklave kann immer nützlich sein.“
„Ich befürchte nur, er hat sich etwas erhofft, das er sich nicht leisten kann. Ich habe schon überlegt, jemanden aus meiner Kundendatei dazu zu überreden.“
Michail, der sofort verstand, was sie meinte, dachte nach: „Ich hätte da vielleicht die Richtige. Kennst du Svetlana?“
„Die Rothaarige, die allein mit ihrem jüngeren Bruder lebt und bei dir putzt?“
„Genau die. Wenn ich sie bitte, wird sie mir bestimmt den Wunsch erfüllen.“
„Aber wo? Hier und bei dir wäre schlecht. Bei ihm zu Hause wären die Eltern … störend.“
„Das Gesicht von denen würde ich zu gerne sehen, wenn Svetlana da klingelt und ihnen sagt, sie will es ihrem Sohn besorgen.“ Beide lachten los.
„Dann wäre das Problem wahrscheinlich gelöst, weil sie der Schlag treffen würde.“
„Wenn dir das ein paar Rubel wert ist, könnte ich was in der Hauptstadt organisieren.“ Wenn jemand im Dorf von der Hauptstadt sprach, war damit nicht das viertausend Kilometer entfernte Moskau, sondern die Provinzhauptstadt Krasnojarsk gemeint.
„Was würde das denn kosten?“
Michail griff zum Telefon und wählte eine Nummer, während Oxana in den Kühlschrank sah und dort die Cola fand. Freudestrahlend goss sie sich ein Glas ein und gab einen geschmacksfreien Eiswürfel dazu.
»Danke, das ist ein fairer Preis. Ich melde mich dann wegen des Termins. Do svidaniya.«
„Er macht mir einen Freundschaftspreis, wenn wir von Montag auf Dienstag buchen. Inklusive eines Autos, das die beiden am Ortsausgang abholt, fünftausend Rubel. Es ist ein Arbeitszimmer der Mädchen in einem gehobenen Bordell – mit Whirlpool.“
„Das ist es mir wert, um ihn bei Laune zu halten. Sag Bescheid, wenn Svetlana zugestimmt hat.“
„Ich werde sie morgen fragen, wenn du zum Essen nach Hause gehst. Soll ich dich bis zum Dorfrand fahren?“
„Gerne. Lieber wäre mir aber, wenn du mir das Fahren beibringen würdest.“
„Das Thema hatten wir doch schon. Noch bist du dafür zu schwach. Wenn die Maschine umkippt, bekommst du sie nie wieder hoch.“ Oxana setzte ein trauriges Gesicht auf und ließ ein paar Tränen über die Wangen kullern. „Vergiss es, darauf falle ich nicht rein. Dazu kenne ich dich zu gut.“
Sofort versiegten die Tränen. Mit in der Taille gestützten Händen sah sie ihn beleidigt an. „Nichts traust du mir zu.“
„Ich traue dir viel zu viel zu, vor allem Sachen, an die ein Mädchen in deinem Alter noch gar nicht denken sollte.“
„Jeder braucht doch ein Hobby“, erwiderte sie mit einer Unschuld, als würde es um das Spielen mit Puppen gehen.
„Hobby …?“ Michail musste laut loslachen.
„Lach nur“, antwortete sie gespielt entrüstet. „Ich muss noch viel lernen und in der Praxis geht das am schnellsten.“
Drei Sekunden lang herrschte Totenstille, dann lachten beide herzhaft los.
„Apropos Praxis. Ich muss nächsten Monat nach Westeuropa. Es sind Schulferien. Möchtest du mitkommen?“
Oxana blickte ihn abwechselnd nachdenklich und begeistert an. „Mama, du kennst doch den Mann in dem schmucken Haus am Dorfrand. Er will mit mir ein paar Tage nach Europa fliegen. Aber mach dir keine Sorgen, er war früher beim KGB und arbeitet jetzt für die Mafia. Er wird schon auf mich aufpassen. – Klar, mein Kind. Bei so einem Begleiter weiß ich dich in guten Händen.“
„Vielleicht sollten wir nicht ganz so dick auftragen“, antwortete er lachend.
Sie sah ihn schelmisch grinsend an: „Hast du einen besseren Plan?“
„Ich glaube, jeder Plan ist besser“, erwiderte er mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Okay, ich höre.“
„Deine Mutter hat doch noch nie die Lehrer von deiner Schule gesehen?“
„Nein. Sie verlässt so gut wie nie das Dorf.“
„Ich gehe verkleidet bei ihr vorbei und stelle mich als dein Lehrer vor. Ich sage, dass es einen Ferienkurs in Irkutsk gäbe, den nur die besten Schüler besuchen dürften.“
„Das könnte klappen. Aber wie bekomme ich in der kurzen Zeit einen Reisepass und ein Visum?“
„Ich habe Beziehungen, das wird kein Problem.“ Sie sah ihn zweifelnd an, denn sie hatte gehört, dass solch ein Antrag durchaus ein paar Monate dauern konnte.
Am Sonntagmittag erschien Michail wie geplant bei Oxanas Mutter, um sich als Oxanas Lehrer vorzustellen. Diese war so stolz, dass die Tochter einen Kurs belegen sollte, der nur für die Besten der Schule ausgerichtet wurde, dass sie keine Einwände hatte. Auch Svetlana war einverstanden. Mit einem Jungen Sex zu haben, der noch Jungfrau war, stellte sie sich interessant vor. Sie beschloss, dass er dieses Erlebnis nie vergessen würde und überlegte sofort, was sie für ihn anziehen würde.
Eine Woche vor Oxanas Abreise ließ sie Juri heimlich einen Brief zukommen. Als er ihn fand, rannte er aufgeregt nach Hause und schloss sich in sein Zimmer ein. Auf dem Umschlag stand nur ein großes G. Erwartungsvoll öffnete er ihn und holte den Brief hervor.
Mein Sklave
Weil du so gehorsam warst und wie versprochen nichts über uns gesagt hast, habe ich eine kleine Belohnung für dich. Erfinde eine Ausrede für deine Eltern, warum du Montag und Dienstag nicht zu Hause sein kannst. Sei dann am Montag um 12 Uhr am südlichen Ortsausgang, ein Auto wird dich abholen.
Deine Gospozha
Während Oxana mit einem leicht gefüllten Koffer in Michails Wagen zum Flughafen gefahren wurde, hielt ein Auto am Ortsrand an und brachte Juri zu einem Date, bei dem er mit Svetlana das nachholen durfte, was Oxana ihm verwehrt hatte. Zwar wäre ihm dieses Erlebnis mit Oxana lieber gewesen, aber es war schließlich ihr Befehl und deshalb hatte er keine Schuldgefühle, sich von der sexuell erfahrenen und attraktiven Svetlana vernaschen zu lassen. Wenn  er passiv sein und die Augen schließen konnte, erlaubte er sich allerdings, dabei an seine Gospozha zu denken. Vielleicht würde sein Traum noch in Erfüllung gehen, gleiches mit ihr zu tun.
7.
Am Flugplatz checkte Michail ein und legte dazu die Pässe und Visa vor. Nachdem sie die Bordkarten hatten und auf dem Weg zur Gangway waren, nahm Oxana ihm die Ausweise aus der Hand und schlug ihren auf.
„Oxana Michailowna Pablow?“
„Als Vater und Tochter wird man uns weniger Fragen stellen.“
„Ich schätze mal, der ist so echt wie ein Drei‑Rubel‑Schein.“
„Der ist so echt wie aus der Moskauer Staatsdruckerei.“
„Nur, dass er noch nie in Moskau war.“
„Er wird das schon niemandem verraten.“
„Als wären die dreihunderttausend Rubel in dem doppelten Boden des Koffers nicht schon Probleme genug“, dachte sie sich.
Doch bei der Ankunft in Zürich gab es keine Probleme. Dem pinkfarbenen Kinderkoffer mit den darauf abgebildeten weißen Einhörnern, den Michail ihr besorgt hatte, trauten die Schweizer Zöllner wohl keinen illegalen Inhalt zu.
Dank der Ortskenntnisse von Michail saßen sie schon nach wenigen Minuten in einem Taxi. Oxana war sich sicher, sie hätte allein aus diesem Irrsinn an Gängen und Abzweigungen nie herausgefunden. Obwohl das Hotel nur wenige Kilometer entfernt war, benötigten sie über eine Stunde, bevor das Taxi vor dem Baur Au Lac vorfuhr. Hatte Oxana in St. Petersburg geglaubt, die Unterkunft wäre nobel gewesen, merkte sie sofort: Das ließ sich noch steigern.
Michail ging zur Rezeption: „Michail Jegorwitsch Pablow mit Tochter, ich habe reserviert.“
„Grüezi, Herr Pablow. Herzlich willkommen in Züri. Es freut mich, Sie wieder einmal in unserem Haus begrüßen zu können.“ Die junge Dame winkte dezent. Nur Sekunden später erschien ein Mann im Livree. „Die Deluxe River Suite ist für sie vorbereitet. Im Schlafzimmer wurde wie gewünscht ein zweites Bett aufgestellt“, sie lächelte Oxana an. „Für ihre Tochter, nehme ich an.“
„Mein Vater macht sich immer so viel Sorgen und möchte immer auf mich aufpassen“, meldete sich Oxana, schmiegte sich an seinen Arm und blickte ihn anhimmelnd an, wie es eine Tochter beim Vater tut.
„Bei einer so hübschen Tochter würde das bestimmt jeder Vater machen. Du sprichst aber ein gutes Deutsch.“
Oxana lag auf der Zunge und Sie ein Komisches. Denn sie musste sich angesichts der witzigen Betonung einiger Buchstaben beherrschen, um nicht loszulachen. „Danke, mein Vater übt auch viel mit mir.“
Zwar war das 'viel' etwas übertrieben, doch ansonsten war es das erste halbwegs wahre an diesem Tag, das sie von sich gegeben hatte. Während des Gesprächs verstaute der Page die Koffer auf einem Rollwagen und wartete, bis Michail die Schlüsselkarten ausgehändigt bekam.
„Bitte folgen Sie mir“, sagte der Livrierte und setzte sich in Bewegung – den Wagen vor sich herschiebend.
Sie folgten ihm zu einem Aufzug und fuhren damit nach oben. Die Fahrt war so sanft, dass Oxana sich fragte, ob er sich überhaupt bewegte. In St. Petersburg war der Fahrstuhl gute sozialistische Wertarbeit, bei der man nicht nur jede Bewegung spürte, sondern auch hörte. Selbst die Teppiche auf den Fluren schluckten hier jeden Laut. Die kleinste Kleinigkeit zeigte: Billig gab es hier nicht. Michail öffnete mit der Schlüsselkarte die Tür und der Livrierte fuhr die Koffer in die Suite. Michail holte die Brieftasche aus der Hose und suchte etwas. „Das ist mir jetzt peinlich, ich habe nur noch D‑Mark“, wobei er dem Pagen einen Zehnmarkschein entgegenhielt.
„Das macht nichts. Man muss ihn nur sofort umtauschen, solange er noch einen Wert hat.“ Dabei grinste er so offensichtlich, dass die Aussage als Scherz erkennbar war.
„Ihr Eidgenossen, mit eurem Stolz auf euren Fränkli“, lächelte Michail zurück.
Beide Männer schmunzelten, dann empfahl sich der Page und verließ das Zimmer. Michail drehte sich zu Oxana um, die mit weit geöffnetem Mund im Raum stand. „Ist es für die gnädige Dame angemessen?“
„Ist akzeptabel“, grinste sie ihn an.
„Dann bin ich ja beruhigt“, lachte er zurück.
„Ist das nicht sehr teuer?“
„Zahlen meine Geschäftspartner. Das richtige Ambiente erleichtert oft die Geschäfte. Ich kann ja nicht über Millionengeschäfte verhandeln und auftreten wie ein Bettler.“
Das leuchtete ihr ein und sie nickte. Oxana untersuchte das Bad und das Schlafzimmer und freute sich schon auf ein späteres Schaumbad. Doch es war früher Nachmittag und Michail hatte bestimmt noch Pläne für den Tag. „Was hast du für heute geplant?“
„Wir gehen jetzt zur Kantonalbank, richten dir ein Konto ein und ich brauche etwas Bargeld. Danach gehen wir etwas essen und ich zeige dir die Stadt.“
Oxana rieb sich den Bauch. „Gute Idee.“
„Hol dein Geld aus dem Koffer, dann können wir los.“
Fünf Minuten später verließen die beiden das Hotel. Oxana hatte erwartet, dass in einer großen Stadt der Weg zur Bank einige Zeit in Anspruch nehmen würde. Deshalb war sie überrascht, als sie nach nur wenigen Schritten das Gebäude betraten. Auch hier sah es nicht aus, als wäre die Armut ausgebrochen. Sie fragte sich schon, ob in diesem Land alle Menschen reich waren. Ein Mann in einem teuren Anzug kam auf sie zu. „Grüezi, Herr Pablow. Ich melde Sie sofort bei Herrn Oppenhofer an. Darf ich Ihnen so lange einen Kaffee bringen und eine Cola für die junge Dame?“
„Danke, sehr gerne.“
Der Mann führte die beiden zu einer gemütlichen Sitzgruppe, entfernte sich und kam wenige Minuten später mit den Getränken zurück.
„Eine hübsche Tochter haben Sie. Sie müssen sehr stolz auf sie sein!“
Oxana nahm einen Schluck und hätte diesen aufgrund von Michails Antwort fast durch den Raum geprustet.
„Oh ja, sie ist auch sehr wissbegierig und experimentiert viel.“
„Dann wird sie bestimmt einmal eine erfolgreiche Wissenschaftlerin werden und bei Cern arbeiten!“ Nachdem der Mann sich empfohlen hatte, tranken beide, sich gegenseitig angrinsend, die Getränke.
„Entschuldigung, dass Sie warten mussten, Herr Pablow.“
„Nicht schlimm, Herr Oppenhofer.“
„Möchten Sie an Ihr Schließfach oder geht es um Ihr Konto?“
„Ich müsste an mein Schließfach, Geld vom Konto abheben und ein Konto für meine Tochter eröffnen.“
„Selbstverständlich, das ist kein Problem. Gehen wir zunächst in den Tresorraum und danach in mein Büro.“ Michail nickte, leerte die Kaffeetasse und stand auf. Oxana tat es ihm gleich und folgte den Männern. Michail benötigte nicht lange, um einen Schweizer Pass, eine Kreditkarte und ein Päckchen aus dem Safe zu holen, dann gingen sie in das Büro des Bankdirektors. „An welche Summe haben Sie denn für die Einrichtung des Kontos ihrer Tochter gedacht?“ Oxana griff in die Tasche und legte das Bündel Rubelscheine auf den Tisch.
Der Direktor zählte die Scheine und sah auf. „Da hat die Dame aber fleißig gespart!“
„Ja, meine Tochter ist in vielen Dingen fleißig“, dabei musste er ein Lachen unterdrücken.
„Ich fotografiere gerne und in meinem Dorf sind den Bewohnern diese Bilder viel wert.“
Michail fiel es schwer, ernst zu bleiben.
„Soll das Konto der Dame so strukturiert sein wie ihres, Herr Pablow?“
„Ja, nur Kontonummer und Geheimwort wären perfekt. Bieten Sie auch schon Onlinebanking an?“
„Natürlich. Wir haben weltweite Kunden, die nicht für jede Überweisung in die Schweiz kommen möchten. Wünschen Sie für das Konto Ihrer Tochter auch ein Nebenkonto in Nassau?“
„Jetzt noch nicht, aber ich komme bestimmt irgendwann darauf zurück.“
Eine halbe Stunde später verließen sie die Bank und kaum fühlten sie sich unbeobachtet, fingen sie an zu lachen.
„Ob er geglaubt hat, wir wollen ihn veräppeln?“
„Möglich, aber wie soll man dabei ernst bleiben“, wischte sich Michail die Tränen aus dem Gesicht. „Hast du Appetit auf etwas Bestimmtes?“
„Es sollte satt machen, wir haben heute fast noch nichts gegessen. Was ist denn hier so ein landesübliches Essen?“
„Lass dich überraschen.“
Die beiden schlenderten durch die Straßen der Stadt und Oxana fiel auf, wie sauber es hier war. Auch das Gewässer, an dem sie entlang gingen, roch nicht so übel wie in St. Petersburg. Ganz im Gegenteil, es hatte den frischen Duft des Sees bei ihrem Dorf. Sie gelangten an eine Grünanlage, oberhalb derer auf einer Terrasse mehrere Tische und Stühle aufgebaut waren. Michail wählte einen nahe dem Geländer aus, von wo aus man einen guten Blick über den kleinen Park und den Brunnen hatte. Eine Minute später erschien ein Ober. „Guete Obig. Was wünschen Sie zu bestellen?“
„Als Vorspeise bitte zwei Nudelsuppen, dann zweimal Cordon Bleu mit Appenzeller und Rösti, einen Tomatensalat, ein Cesar Salad, als Dessert zwei gemischte Eisbecher mit Rahm und als Getränk einen Grauburgunder und eine Weißweinschorle.“
„Sehr gerne“, antwortete der Ober und entfernte sich.
„Und das ist eine typische Schweizer Mahlzeit?“, fragte Oxana nach dem ersten Bissen vom Cordon Bleu.
„In diesem kleinen Land gibt es mehr Käsesorten als in Russland Wodkamarken. Deshalb spielt Käse hier eine sehr große Rolle bei den Speisen. Zu später Stunde isst man hier Käsefondue oder Raclette.“
„Hört sich interessant an, werden wir das auch noch essen?“
„Das lässt sich bestimmt einrichten.“
„Fein. Was machen wir heute noch?“
„Wie ich dich kenne, möchtest du das schöne Bad genießen und ich muss mich mit jemandem treffen. Ich zeige dir noch etwas die Stadt und dann bringe ich dich zurück ins Hotel.“
„Worum geht es bei deinen Geschäften; ist das gefährlich für dich?“
„Ein bisschen Gefahr ist immer dabei, aber ich bin nur der Vermittler, es würde wenig Sinn ergeben, mir etwas anzutun.“
„Man könnte mir unangenehme Fragen stellen, wenn ich allein nach Russland zurückreisen müsste.“
„Mich rührt deine Selbstlosigkeit.“
„Mein Leben würde auch bestimmt langweiliger werden.“
„Dein Leben wird nie langweilig werden“, lachte er los.
„Ich müsste mich dann mehr mit meinen Forschungsexperimenten beschäftigen.“
„Dann sollte ich zum Wohl der Jungen im Dorf auf mich aufpassen.“
„Dabei gehe ich immer so fürsorglich mit ihnen um.“
Statt einer Antwort stützte Michail den Ellbogen auf den Tisch und vergrub die Stirn in die geöffnete Hand.
„Etwa nicht?“, fragte sie empört.
„Natürlich, wie mit einem dressierten Hund.“
„Genau, das ist doch das Ziel. Dass sie Männchen machen, wenn ich es sage.“
Michail blickte sie an. In den letzten Wochen waren ihre Hüften weiblicher geworden und die Brüste gewachsen. Sie verwandelte sich eindeutig in eine Frau. Dazu das Engelsgesicht. Oh ja, die Männer würden Männchen vor ihr machen. Wäre er ihr richtiger Vater, würde bald die Zeit anfangen, wo sie ihm echte Sorgen bereiten würde, weil die Jungen Schlange bei ihr stünden.
Nach dem Essen spazierten sie durch die Stadt, dann blieb Michail ohne Grund stehen. „Bring uns zurück ins Hotel.“
Oxanas Augen leuchteten. Sie liebte die praktischen Übungen. Er wollte testen, wie gut ihre Orientierung war. Sie sah sich ein paar Sekunden um, dann bog sie zielstrebig in eine Seitenstraße ein. Michail folgte ihr mit drei Schritten Abstand, damit sie nicht an seiner Reaktion erkennen konnte, ob sie auf dem richtigen Weg war. Doch Oxana hatte einen Stadtplan des ihr inzwischen bekannten Teils der Stadt im Kopf erstellt und führt ihn auf dem kürzesten Weg zurück. Michail war stolz, welche Fortschritte sie gemacht hatte. Er hatte erst vor wenigen Monaten mit der Ausbildung begonnen und hätte schon ohne Sorge mit ihr als Partnerin gearbeitet – ein Status, den kein Frischling beim KGB geschafft hatte.
„Hast du deine Schlüsselkarte dabei?“ Sie griff in die Tasche und wedelte mit der Karte.
„Warte nicht auf mich, es kann spät werden. Wenn du noch Hunger bekommst, bestelle etwas beim Zimmerservice.“
„Hallo, Zimmerservice. Einen Hummer und ein halbes Dutzend Riesengarnelen. Dazu eine Knoblauchcrème mit schwarzem Trüffel und eine Flasche 59er Dom Pérignon bitte.“
Michail lachte laut los: „Eine gute Auswahl, aber erst nach dem Baden, sonst gehst du unter.“
„Keine Sorge, ich kann schwimmen“, erwiderte sie lachend.
Zurück in der Suite packte sie den Koffer aus und verstaute außer dem Nachthemd alles in einem der Schränke. Dann ließ sie ein Bad ein und sah in die Minibar. Dort fand sie einen ausreichenden Vorrat an Cola, von dem sie zwei Flaschen mit ins Bad nahm. Nach dem Schaumbad trocknete sie sich ab und hüllte sich in den weichen weißen Bademantel mit dem Wappen des Hotels, der ihr viel zu lang war. Sie hatte Hunger – Zeit für den Zimmerservice. Neben dem Telefon lag eine Broschüre, in der alle Leistungen aufgeführt waren, die man ordern konnte. Bis zweiundzwanzig Uhr gab es kaum Beschränkungen, weshalb sie vermutete, dass man Essen außerhalb bestellen würde. Sie hatte noch nie Pizza gegessen, aber schon viel davon gehört. Zeit, das zu ändern. Dreißig Minuten später klopfte es und ein Page trat ein. Nachdem er die Pizza Hawaii serviert hatte, fragte ihn Oxana: „Gibt es den auch in meiner Größe?“, dabei zupfte sie an dem Bademantel.
Der Page sah sie schmunzelnd von oben bis unten an und sah, dass die Füße auf dem Mantelsaum standen. „Bestimmt, ich schau' mal.“
Sie hatte gerade angefangen zu essen, da klopfte es erneut. Der Page trat mit einem neuen Mantel über dem Arm herein. „Probieren Sie diesen. Der müsste passen.“
Sie nahm den Bademantel und sagte in einem Tonfall, den Juri gut kannte: „Los, umdrehen!“
Der Page blickte sie irritiert an, um sicherzugehen, dass es sich um ein vierzehnjähriges Mädchen und keine fünfundzwanzigjährige Domina handelte und drehte sich grinsend um.
Mit den Worten: „Ja, der passt viel besser“, drückte sie ihm den ersten Mantel in den Arm.
„Freut mich. Hat die Dame sonst noch einen Wunsch?“
„Nein, danke, alles bestens.“
Nachdem sie die Pizza mit großem Genuss verzehrt hatte, sah sie sich im Fernseher den neuesten James‑Bond‑Film an und ging danach ins Bett.
Michail spazierte derweil zum Hauptbahnhof und nahm den Zug nach Basel. In der Schweiz war der Zug das zuverlässigste Verkehrsmittel und viele Verbindungen verkehrten auch nachts. Neunzig Minuten, nachdem er das Hotel verlassen hatte, betrat er in der Basler Altstadt einen Sexclub. Der 38‑jährige albanische Inhaber Eldi Luka begrüßte Michail und führte ihn in ein Hinterzimmer. Michail drehte das Radio lauter, setzte sich zu dem Mann an den Tisch und fragte: „Warst du mit der letzten Lieferung zufrieden?“
„Alle Pferdchen laufen, ich kann nicht klagen. Was hast du dieses Mal für uns?“
„Die bestellten Friedensstifter liegen bereit. Habt ihr unser Nasenpuder?“
„Ist noch in Marseille. Wäre ein zu großes Risiko, es hier rein und wieder raus zu schaffen. Wo soll die Übergabe stattfinden?“
„Auf der Ostsee. Es gibt da einen kleinen Streifen internationales Gewässer. Soll unsere Lieferung an die gleiche Adresse wie die letzte gehen?“
„In der Nähe davon. Ihr erfahrt die genaue Adresse, wenn die Ware im Land ist. Leider sind unsere Bullen nicht so kooperativ wie eure.“
„Ich muss die Qualität und Menge prüfen, bevor ich grünes Licht geben kann.“
„Verstehe ich. Bist du wieder in Züri abgestiegen?“
„Ja, aber eine andere Suite. In der Deluxe River, ich bin nicht allein gekommen.“
Eldi feixte: „Hast du dir Unterhaltung mitgenommen? Die kannst du auch bei mir bekommen.“
„Nein, ich habe eine Schülerin und führe sie in die Praxis ein.“
„Das kann ich auch“, grinste er.
„Sie ist erst vierzehn und würde dir bei der erstbesten Gelegenheit das Herz rausschneiden, es in eine Pfanne schnippeln, mit schwarzen Trüffeln garnieren und mit einem Bordeaux ablöschen.“
Eldi lachte, hielt dann aber inne, als er in Michails Gesicht las, dass dieser keinen Scherz gemacht hatte. „Muss ja ein interessantes Herzchen sein.“
„Sie hätte beim KGB eine steile Karriere hingelegt. Mit der Gsch‑18 führt sie mich regelmäßig vor. 178 Punkte ist ihr bester Wert. Nur eine Frage der Zeit, bis sie eine 180 schießt.“
„Aus 10 Metern?“
„Aus 25.“
Eldi ließ ein langgezogenes 'Fuck' entweichen. Nach fünf Sekunden fand er die Sprache wieder. „Hört sich an, als wäre es klüger, sie auf unserer Seite zu wissen.“
„Da kannst du einen drauf lassen.“
„Ich muss ein paar Telefongespräche führen, damit man dich in Frankreich erwartet. Such dir ein Mädchen aus. Du kannst Zimmer 101 haben.“
„Die Blonde mit dem roten Höschen. Ich gehe schon einmal nach oben, sie soll in fünfzehn Minuten nachkommen.“
„Chantal ist eine gute Wahl. Sie wird kommen.“
„Sollte sie nicht dafür sorgen, dass ich komme?“
Eldi lachte: „Touché.“
Michail ging ins Zimmer, ließ Wasser in den Whirlpool laufen und zog sich aus. Nachdem er die Kleidung ordentlich über einen Stuhl gelegt hatte, stieg er in den Pool.
Ein paar Minuten später öffnete sich die Tür. „Hallo, ich bin Chantal.“
Sie war Anfang zwanzig und selbst mit High Heels nicht größer als 1,70 Meter. Zwei fast perfekt runde D‑Körbchen Halbkugeln prangten auf dem Brustkorb, die gegen Newtons Gesetze immun zu sein schienen. Michail vermutete, dass dabei nachgeholfen worden war. Der String bestand aus wenig Stoff, wodurch ihm sofort auffiel, dass ihr Intimbereich epiliert war.
„Ich bin verspannt, massiere mich.“ Er setzte sich so in den Pool, dass sie dafür ins Wasser steigen musste. Sie holte aus einem Schränkchen eine Flasche Öl, zog das Höschen aus und stieg zu ihm. Sie hatte sehr weiche, zarte Hände und ihre Berührungen erregten ihn schnell. Nach zehn Minuten Schulter‑ und Rückenmassage hockte sie sich auf seinen Schoß und fuhr mit der Massage an seiner Vorderseite fort. Als ihre Hände in tiefere Regionen vordrangen, setzte Michail sich auf den Beckenrand.
„Mach dort mit dem Mund weiter.“ Ohne ein Kondom zu holen, nahm sie den Lustspender auf. Daher vermutete er, Eldi hatte sie informiert, dass er kein normaler Kunde war. Michail ergriff die Brüste und schloss die Augen. Nachdem sie seine Lust befreit hatte, fing er an, mit ihrem Körper zu spielen. Besonders die dicken, fleischigen Nippel hatten es ihm angetan. Ihr schien das zu gefallen, denn die Knospen wurden immer härter. Als das Wasser abkühlte, ergriff er ihre Pobacken und zog sie zu sich. Sie korrigierte geschickt mit der Hand und schon tauchte er in sie ein. Es war ein langer, sanfter Ritt von ihr und führte bei beiden zu der angestrebten Befreiung.
Anschließend unterhielten sie sich, wobei Michail Geschichten erzählte, die er sich für solche Abenteuer zurechtgelegt hatte. Schließlich hatte er beim KGB gelernt, dass man Frauen gerne zur Beschaffung von Informationen benutzte. Dort gab es die Spatzenschule, wo Mädchen vom Geheimdienst ausgebildet wurden. Nach einer einstündigen Pause trug er sie zum Bett, für eine dritte und letzte Runde.
Michail zog sich an und ging zu Eldi. Der teilte ihm mit, dass er in drei Tagen nach Zürich kommen würde und rief Michail ein Taxi. Der erreichte kurz vor drei das Hotel, öffnete die Schlafzimmertür und dachte, 'so ein Biest'. Natürlich lag Oxana in dem größeren, für ihn gedachten Bett. Er biss in den sauren Apfel, legte sich in das deutlich schmalere und schlief schnell ein.
Morgens um acht wachte Michail auf. Das andere Bett war leer, aber er wusste, wie leise Oxana sich bewegen konnte. Deshalb wunderte er sich nicht, dass er nicht aufgewacht war. Auf dem Weg ins Bad bemerkte er, sie hielt sich auch nicht in der Suite auf. Er vermutete sie beim Frühstücksbuffet, wo er sie, nachdem er eine Dusche genommen hatte, dann schließlich fand. Nach einem Blick über das Schlachtfeld auf dem Tisch fragte er sich, ob Kinder einen anderen Stoffwechsel haben als Erwachsene. Denn bei dem, was Oxana schon gegessen haben musste, hätte sie eigentlich wie eine Kugel aufgebläht unter dem Tisch liegen müssen. Trotzdem hatte sie noch die gleiche zierliche Figur wie immer.
„Guten Morgen Michail. Wie spät ist es geworden?“
„Gegen drei.“ Er formte mit den Händen die Silhouette seines Körpers nach und danach die viel kleinere von Oxana. „Nach welchen Kriterien hast du die Betten zugeordnet?“
„Du hast doch Mutter versprochen, auf mich aufzupassen. Da willst du doch bestimmt nicht, dass ich aus dem Bett falle, weil es zu schmal ist?“
„Und auf einem Teppich aufschlägst, der so dick und weich wie ein Luftkissen ist!“
„Und deshalb nicht aufwache und in den langen Fasern ersticke?“ Dabei sah sie ihn mit unschuldigen und hilflosen Augen an. Michail gab auf, er konnte nicht gewinnen. Kopfschüttelnd ging er zum Buffet, suchte sich das Frühstück zusammen und setzte sich an den Tisch.
„Haben deine Geschäfte geklappt?“
„Ja, ich bekomme in drei Tagen Besuch. Anschließend müssen wir noch einen Abstecher nach Frankreich machen.“
„Heißt, wir haben zwei freie Tage? Hast du schon Pläne?“
„Heute fahren wir zum Bodensee, das wird dir gefallen und morgen müssen wir früh aufstehen.“
Sie blickte mit dem Croissant am Mund, wovon sie gerade abbeißen wollte, auf: „Warum?“
„Wir nehmen den Frühzug nach Mailand, um dich vernünftig einzukleiden.“
Ihre Augen fingen an, zu strahlen: „Hört sich aufregend an.“
Anscheinend war Kleidung einzukaufen ein weibliches Gen, das sich schon in jungen Jahren entfaltete.
Nachdem sie das Frühstück beendet hatten, verließen sie das Hotel und fuhren mit dem Zug nach Kreuzlingen. Auf dem Bahnsteig zog Michail einen Stadtplan aus seiner Jackentasche und reichte ihn Oxana. „Du hast eine Minute. Danach gibst du ihn mir zurück.“
Sie nahm den Plan entgegen, sah zunächst nach der Uhrzeit und dem Sonnenstand, drehte sich Richtung Norden und blickte dann auf den Stadtplan. Genau dreiundfünfzig Sekunden später reichte sie ihm die Straßenkarte zurück.
„Führ mich zur Schiffsanlegestelle.“
Sie setzte sich in Bewegung und schon nach wenigen Minuten wusste er, dass sie auf dem kürzesten Weg das Ziel erreichen würden. Sich in einer fremden Stadt, nur anhand eines Stadtplans aus dem Gedächtnis zu orientieren, den man nur wenige Sekunden gesehen hatte, war Spionagekunst für Fortgeschrittene – für weit Fortgeschrittene. Michail war stolz und beeindruckt von seiner Schülerin. Er kaufte zwei Fahrkarten und Colas und setzte sich mit Oxana auf eine Bank am Wasser, um auf das Schiff zu warten. Bis es anlegte, erzählte er ihr alles, was er selbst über dieses Gewässer wusste. Er würde Oxana im Laufe des Tages abfragen, doch war er sich sicher, sie würde bei keiner Frage fehlen.
Als das Schiff anlegte, reihten sie sich in die Schlange ein. Vor ihnen befand sich ein Mittfünfziger mit einer Frau Ende zwanzig. „Finde bis zur nächsten Anlegestelle alles über den Mann heraus, was möglich ist.“ Oxana sah ihn freudestrahlend an und nickte. Michail suchte sich einen Platz, von wo er sie im Auge behalten konnte, während sie sich an die Fersen des Paares heftete. Als sie die Geldbörse des Mannes an sich nahm, wurde ihm etwas mulmig. Zwei Minuten später steckte sie die Börse wieder unbemerkt zurück und machte sich an der Handtasche der Frau zu schaffen. Oxana bewegte sich so unauffällig, dass die beiden Turteltauben das Mädchen nicht bemerkten, das jedes Wort des Gesprächs im Kopf abspeicherte und wie ein Computer analysierte.
Auf Mainau gingen sie wieder von Bord. Während sie sich die schöne Botanik der Insel ansahen, fragte er seine Schülerin nach dem Mann.
„Walter Neumann, geboren am 24.11.1943 in Saarbrücken, wohnt jetzt in Trier, ist verheiratet und hat einen volljährigen Sohn. Er ist Abteilungsleiter einer Versicherung. Seine Begleitung heißt Evelyn Reuter, geboren 12.04.1969 in Mayen, wo sie immer noch wohnt. Ich habe zwar noch nie etwas von dem Dorf gehört, vermute aber aufgrund der Postleitzahl, dass es in der Nähe von Trier liegt. Sie ist in der gleichen Versicherung, aber in einer anderen Stadt als Sachbearbeiterin angestellt. Die beiden haben seit zwei Jahren eine Affäre. Er verspricht ihr, sich scheiden zu lassen, was ich ihm aber nicht glaube. Vermute, seine Frau hat Geld, das er dann verlieren würde. Er steht darauf, mit Handschellen ans Bett gefesselt und dann von ihr im Latexkostüm gekleidet ausgepeitscht zu werden. – Was sie heute Abend in einer Pension in Bregenz auch machen wollen. Seine Frau kann mit dieser Neigung nichts anfangen, warum er überhaupt Affären hat.“
Michail war darüber amüsiert, mit welcher emotionslosen Sachlichkeit sie über sehr intime und peinliche Sachen sprach. Aber er war auch beeindruckt, wie viel sie in der kurzen Zeit herausgefunden hatte. Am Nachmittag setzten sie nach Friedrichshafen über und besuchten das Zeppelinmuseum, wo Michail das Lehrprogramm fortsetzte. Vor der Rückfahrt kehrten sie in ein Raclette Restaurant ein, wo Oxana diese gemütliche Form des Speisens kennenlernte. Gegen dreiundzwanzig Uhr waren sie zurück im Hotel und gingen nach einer Tasse Tee ins Bett – wobei er wieder die Bettenwahl verlor, weil sie vor ihm ins Badezimmer stürmte.
Am nächsten Morgen klingelte um fünf Uhr das Telefon.
„Herr Pablow, Sie wollten geweckt werden.“
„Danke. Können Sie zwei Frühstücksgedecke aufs Zimmer bringen?“
„Selbstverständlich. Können wir sonst noch etwas für Sie tun?“
„Zwei Zugfahrtkarten nach Mailand und Return für heute. Wir wollen den Frühzug nehmen.“
„Wird erledigt, die Karten werden in dreißig Minuten an der Rezeption bereitliegen. Wir wünschen Ihnen einen schönen Tag in Mailand.“
„Ich bedanke mich; werden wir bestimmt haben.“
Oxana sah ihn verschlafen an. „Müssen wir schon aufstehen?“
„Ja, du kannst im Zug noch etwas schlafen, die Fahrt dauert vier Stunden.“
„Nein, wird schon gehen – wenn ich geduscht habe.“ Sie sprang im Satz aus dem Bett und rannte lachend an ihm vorbei. „Erster.“
Michail musste grinsen. Der Göre sollte er mal den Hintern versohlen; nur hatte er Angst, sie würde sich mit etwas aus Leder revanchieren. Er tauschte seine Nachtwäsche gegen den Bademantel und wartete auf den Pagen mit dem Frühstück. Dieser war gerade dabei, das Essen zu servieren, als Oxana aus dem Bad kam. „Guten Morgen, junge Dame, gefällt Ihnen der neue Mantel?“
„Ja, sitzt perfekt. Kann man die auch kaufen?“
„Natürlich. Was uns auch viel lieber ist, als wenn sie im Koffer versteckt herausgeschmuggelt werden.“
„So etwas tun Leute, die sich ein solches Zimmer leisten können?“ Ihr Erstaunen in der Stimme war nicht gespielt.
„Ja, unglaublich, oder?“
An Michail gewandt fuhr sie fort: „Hast du Verständnis für so Kriminelle?“
Er musste sich auf die Lippe beißen: „Nein, für solche Verbrecher habe ich kein Verständnis.“
Nachdem der Page das Zimmer verlassen hatte, lachten beide los. Michail ging ins Bad, um zu duschen, während Oxana sich auf das Essen stürzte.
Zum Glück wusste er um die großzügigen Portionen, sodass noch genug für ihn übrig geblieben war, als er sich nach der Morgentoilette an den Tisch setzte.
Eine Stunde später saßen sie im Zug und verließen den Züricher Bahnhof. Neugierig schaute Oxana aus dem Fenster und verliebte sich in die Landschaft. Vieles erinnerte sie an die Heimat, nur die riesigen Wälder fehlten und Berge hatte sie noch nie so nah gesehen. Plötzlich wurde das Abteil erleuchtet und man fuhr in einen Tunnel. Nach ein paar Minuten sah sie Michail an: „Scheint ein längerer Tunnel zu sein.“
„Die Schweizer bohren gerne Löcher in Berge. Wir fahren gerade durch den Gotthardtunnel, der die Schweiz und Italien verbindet. Die Alpen lassen nur zwei Optionen zu, mittendurch oder oben drüber.“
„Hat bestimmt etwas gedauert, den zu graben? Wie lang ist er denn?“
„Bei Weitem nicht so lang, wie der neue Tunnel werden soll.“
„Wieso ein neuer Tunnel, der sieht doch noch gut aus?“
„Er ist immerhin schon hundertsechzehn Jahre alt und nach den heutigen Maßstäben nicht mehr sicher genug. Der Neue wird mit siebenundfünfzig Kilometer der längste Eisenbahntunnel der Welt und die Fahrt, die wir gerade machen, um über eine Stunde verkürzen.“
„Wow, wird bestimmt nicht billig?“
„Etwa siebenhundert Milliarden Rubel.“ Oxana war angesichts dieser gewaltigen Summe, die jenseits ihrer Vorstellung lag, sprachlos.
Die Landschaft veränderte sich hinter dem Tunnel. Weite Ebenen mit endlosen Ackerfeldern, durch die die Flüsse in Richtung Meer flossen. Ab und zu wurden sie von Ortschaften unterbrochen, die der Zug passierte. Dann verschwanden die Felder und wichen einer großen Stadt. Sie waren am Ziel angekommen. Kaum waren sie aus dem Zug ausgestiegen, fielen Oxana Unterschiede zu Zürich auf. Waren dort die Bewohner diszipliniert und unauffällig angezogen, herrschte hier ein gewisses Chaos und die Menschen legten viel Wert auf die äußere Erscheinung. Oxana hatte den Eindruck, als würden sie untereinander konkurrieren, wer am besten gekleidet war. Leute, die sich unterhielten, gestikulierten wild mit den Händen und Armen, als ob ihre Sprache nicht genug Wörter hätte, um die Inhalte der Gespräche zu übermitteln. Nachdem sie den Bahnhof verlassen hatten, steuerte Michail eine Cafeteria an. „Wenn man in Italien ist, muss man auch einen Cappuccino trinken.“
Sie setzten sich an einen Tisch vor dem Café. Sofort stürmte ein Kellner herbei und überfiel sie mit einem Wörterschwall in einer Oxana unverständlichen Sprache. Er redete so schnell, dass sie glaubte, es wäre ein einziges sehr langes Wort. Mit seinen limitierten Italienisch‑Kenntnissen bestellte Michail. Ein paar Minuten später stellte der Kellner zwei, mit einer weißen Haube versehene Tassen vor die beiden. Auf der Untertasse lag ein kleines eingeschweißtes Gebäck. Er packte das Plätzchen aus, zog es durch den Milchschaum und biss ein Stück ab. Oxana tat es ihm gleich. „Was ist das?“
„Milch. Man schlägt mit hoher Geschwindigkeit Luft hinein, bis sie sich in einen festen Schaum verwandelt.“
„Hat das einen bestimmten Grund?“
„Man macht hier nicht nur einfach Kaffee, man kreiert ihn. Italiener legen viel Wert auf die optische Erscheinung – nicht nur bei sich, sondern bei allem.“
„Ja. Mir ist schon aufgefallen, dass hier alle sehr elegant gekleidet sind.“ Von zu Hause kannte sie Kaffee als starkes bitteres Gesöff, das nur mit viel Zucker genießbar war. Doch dieses Getränk hatte einen milden, aromatischen Geschmack und nicht die geringste Ähnlichkeit mit dem heimischen Gebräu.
Im Anschluss eines Spaziergangs durch die Stadt gelangten sie an eine Straße, wo ein Bekleidungsgeschäft sich an das andere anschloss, unterbrochen von Schneidereien, wo die Kleidungen vor Ort nach Maß gefertigt wurden. Oxana hatte in der Kirche etwas vom Paradies gehört. Dieses musste das für Frauen sein. Zu ihrer Enttäuschung suchte Michail erst einen Schuster auf, in dessen Auslage nur Männerschuhe lagen. Er unterhielt sich länger mit dem Inhaber, dann vermaß dieser den Fuß seines Kunden und sie diskutierten erneut. Vermutlich stritten sie um den Preis. Schließlich einigten sich die beiden und Oxana durfte endlich ihre Garderobe auffüllen gehen. Bald kam sich Michail vor wie ein Packesel, angesichts der vielen Einkaufstüten. Trotzdem ging er am Abend noch einmal bei dem Schuster vorbei und holte die bestellten Schuhe ab. Der Taxifahrer, der die beiden zum Bahnhof bringen sollte, grinste mitfühlend, aufgrund der vielen Tragetaschen, die Michail in den Kofferraum stopfte. Er hatte auch eine Tochter und konnte nachempfinden, was der Mann hinter sich hatte. Auf dem Weg zum Bahnsteig trug Oxana die Tüten mit der wertvollsten Beute selbst. Es war ein elegantes ärmelloses Sommerkleid, ein paar Pumps in ihrer Augenfarbe und ein goldgelbes Satinnachthemd. Es war nicht wie viele Satinstoffe aus Baumwolle, sondern aus Seidenfäden gewebt und fühlte sich herrlich auf der Haut an. Michail war sich sicher, sie würde es heute Nacht tragen wollen.
Noch bevor der Zug die Schweiz erreichte, wurde es dunkel. Als sie kurz vor Mitternacht im Züricher Bahnhof einfuhren, war Oxana eingeschlafen. Michail sammelte die Tüten ein und hob Oxana vorsichtig in die Arme. Der Taxifahrer gab sich für die kurze Fahrt große Mühe, sanft zu fahren. So schaffte es Michail, seine Schülerin ins Bett zu legen, ohne dass sie aufwachte. Bevor er sich selbst in das breite Bett legte, streckte er ihr triumphierend die Zunge heraus. Heute hatte er die Bettenwahl gewonnen.
Am Morgen wachte er von knisternden Einkaufstüten auf. Er schlug die Augen auf und sah Oxana in dem neuen Sommerkleid vor dem Spiegel posieren. Dieser spontane Wechsel zwischen Kind und Frau bei ihr amüsierte ihn. Es erinnerte Michail gleichzeitig schmerzhaft daran, keine eigene Tochter zu haben, bei der er die komplette Entwicklung vom Baby bis zur Frau hätte verfolgen können. Er fragte sich, ob er dieses Versäumnis mit Svetlana nachholen könnte. Vielleicht in zwei Jahren, wenn ihr Bruder volljährig war und sie diese Verpflichtung nicht mehr hätte. Dann wäre auch ihre Ausbildung beendet und sie nicht länger finanziell von ihm abhängig. Etwa zu dem Zeitpunkt würde Oxana ebenfalls das Dorf verlassen. Dadurch könnten sie, frei von sonstigen Bindungen, entscheiden, ob sie aus der heimlichen Affäre eine offizielle Beziehung machen und eine Familie gründen wollten. Damit Oxana nicht bemerkte, dass er wach war, beobachtete er weiter die Modenschau. Sie zog das Kleid aus, unter dem sie nackt war, um es in den Schrank zu hängen. Als er sie kennenlernte, hatte sie nichts Frauliches an sich gehabt. Jetzt konnte man fast täglich erkennen, wie sie immer deutlichere weibliche Attribute bekam. In wenigen Monaten würde Oxana von erwachsenen Männern mit sexuellen Hintergedanken angeschaut werden. Noch waren die Brüste mehr süß als erotisch, doch die Hüften und der Po waren schon jetzt eher fraulich. Er fand es als Mann aufregend, diesen Wandel beobachten zu können. Bei Jungen, wie er mal einer gewesen war, findet diese Phase des Lebens ohne solch offensichtliche körperliche Veränderungen statt. Mädchen sehen fast täglich im Spiegel ihre Verwandlung zur Frau. War das der Grund dafür, dass die Damenwelt mehr Wert auf ihr Äußeres legte und sie von Männern ebenfalls meistens nach der Optik ausgewählt wurden? Sie probierte die neuen Seidenstrümpfe an. Er musste zugeben, dass auch diese Handlung inzwischen viel weiblicher war als auf dem Video mit Juri, das nur wenige Wochen zuvor gedreht wurde. Entwickelte sich diese Fähigkeit synchron zur Verwandlung des Körpers? Bei jeder anderen Frau oder auch Mädchen hätte ihn dieses erotische An‑ und Ausziehen erregt, doch anscheinend war Oxana für ihn inzwischen so sehr eine Tochter, dass etwas in ihm dieses Gefühl nicht zuließ.
Auf ihrem Bett türmten sich die leeren Tüten und er fragte sich, wie viel von der Modenschau er verschlafen hatte.
„Passt alles?“
Oxana drehte sich überrascht zu ihm um. „Oh, du bist schon wach. Ja, fragt sich nur wie lange, bei mir wird ja jeden Tag alles größer. Danke für den schönen Tag.“
„Gerne geschehen, brauchte eh ein Paar neue Schuhe und in meiner Begleitung solltest du auch angemessen gekleidet sein.“
„Hmmm, heißt das, ich darf dich bei deinen Geschäften begleiten?“
„Wenn du glaubst, dazu noch nicht bereit zu sein, kannst du auch gerne im Schlafzimmer warten oder solange in die Sauna gehen.“
„Welche Rolle hast du mir denn zugedacht?“
„Ich habe deine Schießkünste anklingen lassen. Du wirst meine Bodyguard sein.“
„Bewaffnet?“
„Natürlich“, er ging zu seinem Koffer und holte eine Waffe und ein Holster heraus, „ohne hätte ich deine Schießkünste nicht zu erwähnen brauchen.“ Er gab ihr die ungeladene Pistole, woraufhin sie diese bewundernd anschaute.
„Schicke Knarre.“ In wenigen Sekunden zerlegte sie die Waffe und setzte sie wieder zusammen. „Gut verarbeitet. Was ist das für eine?“
„9 mm Glock“, dabei reicht er ihr das Magazin.
Als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes getan, führte sie es ein, lud die Waffe durch und machte Zielübungen. „Liegt gut in der Hand. Die ist besser ausbalanciert als die in der Hütte.“
„Bei so etwas sind die Schweizer genauso gut wie bei Geldgeschäften – und Uhren.“
„Bekomme ich auch eine Schweizer Uhr?“, ihre Augen fingen an zu leuchten.
„Zu einer Dame wie dir passt eine französische Marke besser.“
Sie sah ihn mit großen Augen an. „Da wollten wir doch auch noch hin, hast du gesagt“, die letzten drei Worte sagte sie mit dem bettelnden Unterton von kleinen Mädchen, die ein Eis möchten und hätten auch bitte, bitte, bitte lauten können.
Michail musste loslachen: „Ja, da fahren wir noch hin!“
„Toll, ich kann es kaum erwarten.“
Hatte er sie wenige Minuten zuvor als Frau erlebt, war sie jetzt wie ein kleines Mädchen, das sich auf einen Jahrmarktbesuch freute.
Sie besichtigten am Vormittag die Stadt, bis sie zur Mittagsstunde in einem Café eine Rast machten. Nach einem heißen Getränk und einem Stück Gebäck gingen sie weiter und kamen dabei über eine Brücke. Sie schauten sich von dort die Menschen unter im Park und die Schwäne auf dem See an. Plötzlich sagte Michail: „Siehst du den Mann mit dem braunen Mantel?“
„Natürlich. Was ist mit ihm?“
„Verfolge ihn, ohne dass er etwas bemerkt.“ Es gab keinen direkten Weg hinunter, deshalb überlegte sie einen Moment, in dem sie den im Gehirn gespeicherten Stadtplan abrief; dann ging sie zügig los. Michail folgte mit etwas Abstand, mit jedem Schritt stolzer, dass sie genau so handelte, wie er es getan hätte. Obwohl sie den Mann nicht im Auge behalten konnte, bog sie nur zwölf Minuten später um eine Ecke und folgte ihm in sicherer Entfernung. Michail schloss zu ihr auf.
„Woher wusstest du, dass er diesen Weg nehmen würde?“, fragte er.
„Seine Kleidung. Die einzige frühere Abzweigung hätte ihn in ein Bankenviertel geführt. In dieser Stadt geht kein Mann dorthin, ohne einen Anzug und Krawatte zu tragen.“
Er streichelte ihr sanft übers Haar. „Du wärst der Stolz des KGB gewesen.“
Glücklich über die Anerkennung sah sie zu ihm auf und lächelte. „Du bist stolz darauf, beim KGB gewesen zu sein?“
„Wir waren der beste Geheimdienst der Welt.“
„Aber die CIA, waren die nicht auch gut?“
„Gut ja, aber nicht so gut wie wir. Doch sie konnten lockerer mit Geld umgehen als wir, das ermöglichte ihnen, den Rückstand etwas auszugleichen. Wenn überhaupt jemand uns das Wasser reichen konnte, dann war es der Mossad. Aber die sind viel kleiner und nicht so breit aufgestellt wie wir.“
„Das heißt, ich lerne vom Besten der Besten.“
Michail lachte auf: „Ob ich der Beste war, weiß ich nicht. Aber ich war gut – bin ich hoffentlich immer noch.“
„Wahrscheinlich der Zweitbeste – nach mir.“
„Du freches Biest“, sagte er lachend und versuchte, sie zu fangen. Doch sie war darauf vorbereitet und schon außerhalb seiner Reichweite.
Lachend erwiderte sie: „Für Platz 1 bist du zu langsam“, und streckte ihm die Zunge raus. Ein paar Sekunden lang versuchte er, Oxana zu fangen, doch sie war zu flink und hatte zu viele Fluchtmöglichkeiten.
Zwei Stunden später kamen sie am Hotel an. Sie aßen zu Mittag, bevor sie in die Suite gingen. Dort suchte Michail ihr das passende Kostüm heraus und zog sich selbst um. Als beide damit fertig waren, half er ihr, das Holster anzulegen und die Gurte auf ihre Größe einzustellen, bis es perfekt saß. Sie übte ein paar Mal die Waffe zu ziehen und dabei zu entsichern. Dann zeigte sie ihm den erhobenen Daumen. Sie zog einen Bolero über, der die Pistole und vor allem die Lederriemen des Holsters bedeckte. Sie drehte sich vor ihm. Michail nickte ihr zu und nahm das Telefon in die Hand. Er teilte der Rezeption mit, dass er Besuch erwarten würde und bat, diesen in die Suite zu führen. Des Weiteren bestellte er Snacks und Getränke, die serviert werden sollten, wenn die Gäste eingetroffen wären.
Die beiden überbrückten die Zeit damit, dass er sie instruierte, wie sie sich zu verhalten hätte. Er erwartete keine Schwierigkeiten; genau das richtige Szenario, um einen Anfänger einzuarbeiten. Dann klingelte das Telefon und man kündigte den Besuch an. Eine Minute später klopfte es. Ein Page führte die Gäste in die Suite, während ein zweiter einen Servicewagen in das Zimmer schob. Kaum hatten sie den Raum wieder verlassen, öffnete Oxana den Bolero und klemmte den Kragen, in der Gestik eines Revolverhelden aus einem Western, unter dem Gurt des Holsters fest. Wie die geschrumpfte Ausgabe eines Türstehers stellte sie sich innen vor die Zimmertür und beobachtete mit einem konzentrierten Gesichtsausdruck die Männer, die am Tisch Platz nahmen. Bevor sich Michail zu den Gästen setzte, schaltete er den Fernseher ein und suchte den Sender MTV. Er glaubte hier zwar nicht an Wanzen, denn er hatte jeden Tag die Räume untersucht. Aber es wäre nicht professionell, sich darauf zu verlassen. Eldi kannte er und zwei der Gäste hatte er schon früher gesehen. Nur der Dritte war ihm unbekannt, was Eldi sofort korrigierte und diesen als 'Clément, ihren Mann in Marseille' vorstellte. Es war also die Person, die er in Frankreich treffen würde. Clément war einer der Gründe für diese Zusammenkunft. Denn Michail sollte ihn zu Gesicht bekommen und nicht vor Ort in die Falle eines verdeckten Ermittlers laufen. Natürlich war Oxana schnell einer der Gesprächsstoffe, passte sie doch so gar nicht in diese Gesellschaft. Als die Männer hörten, zu welchen Leistungen sie mit einer Pistole fähig war, erntete Oxana anerkennende Blicke. Schließlich wandte man sich Geschäftlichem zu und Michail reichte Eldi eine Liste mit den Waffen, die seine Freunde liefern würden. Er studierte sie und nickte dem Franzosen zu. Der holte daraufhin ein Tütchen aus der Tasche und gab es Michail. Der nahm ein Prüfset aus der Jackentasche und füllte den Inhalt des Tütchens in das Röhrchen. Dann knickte und schüttelte er das Set. Sofort verfärbte sich die Flüssigkeit darin blau, woraufhin er ebenfalls zufrieden nickte. Er fragte, wann er die Ware sehen könnte. Daraufhin nannte der Franzose ihm Ort und Zeitpunkt. Vierzig Minuten nach ihrem Erscheinen verabschiedeten sich die Männer und verließen die Suite.
„Die zwei, die vorn saßen, hatten ebenfalls eine Waffe!“
„Gutes Auge, ich habe es auch gesehen. Sie sind sowas wie Eldis Bodyguards und haben sonst nichts mit dem Geschäft zu tun.“
„Soll ich bei dem Treffen in Frankreich auch eine Waffe tragen?“
„Ja, aber versteckter, ich werde dort auch eine tragen. Ich habe noch eine 22er mit, die passt in das Handtäschchen, das du dir in Mailand gekauft hast.“
„Wie kommen wir dorthin?“
„Mit dem Zug. In Europa gibt es kaum Grenzkontrollen und aus der Schweiz kommend sucht man höchstens nach Bargeld.“ Er erklärte den Grund dafür.
„Wann müssen wir los und wie lange fahren wir?“
„Wir fahren übermorgen am Vormittag. Die Fahrt dauert zehn Stunden, weshalb wir erst am Abend ankommen werden. Wir übernachten dort im Hotel, erledigen am nächsten Tag das Geschäftliche und fahren dann nach Paris. Dort machen wir noch ein paar Tage Urlaub und fliegen dann zurück nach Hause.“
„Was passiert mit den Waffen? Die willst du doch wohl nicht mit zurücknehmen?“
„Ich werde in Paris einen Kumpel treffen, der bringt sie zurück nach Zürich.“
„Alles durchorganisiert?“
„Sind doch keine Stümper.“
„Habe ich auch nie behauptet. – Nur nicht mehr die schnellsten“, warf sie lachend hinterher und rannte ins Schlafzimmer.
„Na warte, du Frechdachs.“ In der Suite waren die Fluchtmöglichkeiten beschränkt und eine Minute später warf Michail sie auf ein Bett und kitzelte sie so lange, bis sie sich ergab und um Gnade bat.
Es war zu früh für ein Abendessen und die Sonne schien. Deshalb wollten die zwei noch einmal das Hotel verlassen. Auf dem Weg hinaus hielten sie an der Rezeption und Michail informierte die Dame dort über seine Reisepläne. Als sie nach einem Spaziergang zurückkehrten, winkte sie ihn zu sich und überreichte ihm die Fahrkarten und Hotelbuchungen. Er bedankte sich mit einem großzügigen Trinkgeld, gab noch eine Bestellung auf und ging mit Oxana zurück in die Suite. Nachdem das Hotel das bestellte Käsefondue serviert hatte, sahen sie sich einen Film an, bevor sie sich schlafen legten.
Am folgenden Tag fuhren sie im Anschluss an das Frühstück mit dem Zug nach Pfäffikon. Sie spazierten gemütlich durch das Örtchen und kauften sich dann im Seedamm Center Badekleidung. Den Nachmittag verbrachten sie im angeschlossenen Alpamare Spaßbad, wo Oxana vor allem die Wasserrutschen gefielen, auf denen sie sich austobte, bis sie Michail erschöpft beim Sonnenbaden Gesellschaft leistete. Auf der Rückfahrt besuchten sie im Sihlcity Einkaufszentrum den Mediamarkt und kauften ein paar Sachen für Oxanas Computer, die in Russland schwer zu bekommen waren. Von dort fuhren sie zurück ins Hotel und packten die Koffer.
Nach dem Frühstück holten sie das Reiseproviantpäckchen von der Rezeption ab und checkten aus. Im Bahnhof kaufte Michail, der selbst für das Vorhaben ausreichend Französisch beherrschte, ein Wörterbuch sowie eine Zeitung in dieser Sprache und gab beides Oxana als Reiselektüre. Sich selbst kaufte er einen Roman. Obwohl sie von der Landschaft abgelenkt wurde, wechselte sie noch, bevor der Zug die Schweiz verließ, mit Michail die ersten französischen Sätze. Als sie am Abend im Bahnhof von Marseille einfuhren, führten die beiden schon einfachere Gespräche. Das Hotel war um einige Preisklassen niedriger angesiedelt als in Zürich, doch für eine Übernachtung akzeptabel.
Gegen Mittag fuhren sie mit dem Taxi ins Hafengebiet. Oxana hatte das Kostüm an, das sie schon bei dem Treffen in Zürich getragen hatte. Dazu trug sie eine Handtasche, in der sie die 22er verstaute. Michail hatte einen Anzug an und versteckte die Glock hinten im Hosenbund. Doch die Vorsichtsmaßnahmen waren überflüssig. Am vereinbarten Café trafen sie den Mann aus dem Hotel. Er führte sie auf ein Boot und zeigte Michail die Ware. Nachdem er drei zufällig ausgewählte Drogenbeutel geprüft hatte, umwickelte er alle mit einem Klebeband und beschriftete sie. Neben der erkennbaren Schrift mit einem Eddingstift markierte er heimlich jeden Beutel mittels eines Spezialstifts mit einem unsichtbaren Zeichen, das nur unter Schwarzlicht sichtbar wurde. Bevor man sich verabschiedete, gab er dem Franzosen einen Zettel mit den Koordinaten und einem Zeitpunkt. Während der ganzen Aktion stand Oxana unauffällig Schmiere und achtete darauf, dass niemand das Boot betrat. Kaum hatten sie den Kai verlassen, legte es ab. Sie fuhren zurück ins Hotel, holten die Koffer und bestiegen den Zug nach Paris. Oxana staunte die Fahrt über, mit welcher Geschwindigkeit der Zug durch die Landschaft schnitt und fragte sich, warum, angesichts der Entfernungen, solche Züge nicht in Russland verkehrten. Nach dem Einchecken ins Hotel genossen sie dort ein siebengängiges Menü. Erschöpft und müde fiel Oxana, kaum in der Suite, ins Bett und schlief ein.
Als sie aufwachte, wunderte sie sich zunächst über das Fehlen von Michails leisem Schnarchen. Mit dem neuen Nachthemd bekleidet kletterte sie aus dem Bett, öffnete die Tür und sah sich im Zimmer um, das sie am Vorabend aufgrund der Müdigkeit nur vage wahrgenommen hatte. Zur Linken verriet die elektronische Verriegelung, dass es sich um die Außentür der Suite handelte. Voraus war Michails Schlafzimmer. In dem Hauptraum stand ein Konferenztisch mit sechs Stühlen und etwas abseits davon eine Couchecke. Sie schritt ins Zimmer und sah gegenüber der Couch eine weitere Tür sowie eine, die hinauszuführen schien. Sie ging zur Ersten und öffnete sie. Ein Bad, ähnlich vornehm wie in der Schweiz, kam zum Vorschein. Sie gab ihrer Neugier nach, ignorierte es zunächst und öffnete die Tür nach draußen. Dort fand sie einen Balkon mit einem kleinen Esstisch und zwei Stühlen vor. Er war von einem schmiedeeisernen Gitter begrenzt, das einen freien Blick über Paris erlaubte. Etwa zwölf Meter darunter quetschten sich Autos durch die Straßen. In dieser Stadt schien es keine Verkehrsregeln zu geben – zumindest konnte Oxana in dem Verhalten der Fahrer keine erkennen. Über dem gegenüberliegenden Haus ragte ein stählerner Turm in den Himmel. Plötzlich schreckte sie auf, weil sich ein Körper von hinten an ihren legte und Arme sie sanft umschlossen.
„Bewunderst du den Eiffelturm?“
Oxana ärgerte sich, so abgelenkt gewesen zu sein, dass sie Michail nicht gehört hatte. „Der Anblick ist schon beeindruckend.“
„Wollen wir auf dem Balkon frühstücken?“
„Das wäre toll.“
Oxana verschwand im Bad, während er das Frühstück bestellte. Es stand schon angerichtet auf dem Balkon, als sie es wieder verließ und Michail es aufsuchte. Waren es in der Schweiz noch Hartkäsesorten, die inflationär angeboten wurden, wollte dieses Land wohl jedem zeigen, dass es ebenso viele Weich‑ und Frischkäsesorten gab. Allein von der dargebotenen Käseplatte wäre eine halbe Kompanie satt geworden. Sie hatte schon fast das erste Baguette verbraucht und trotzdem nicht einmal die Hälfte der angebotenen Sorten probiert. Grinsend schaute Michail über das Schlachtfeld, als er frisch geduscht und rasiert den Balkon betrat und sich eine Tasse Kaffee einschenkte. „Schmeckt es?“, fragte er mehr rhetorisch.
„Der Hunger treibt's rein.“ Ihre Blicke trafen sich, dann lachten beide los.
Es klopfte und ein Page brachte Michail einen Teller mit zwei Scheiben geröstetem Brot, Speck und Spiegeleiern. Oxana warf einen skeptischen Blick über das Gedeck. „Du wirst noch mit verstopften Adern krepieren“, kommentierte sie vorwurfsvoll.
„Du bist nicht meine Frau. Es schmeckt mir halt. Basta.“
„Mach ruhig Svetlana zur Witwe, bevor du sie überhaupt geheiratet hast.“
Er verschluckte sich und musste husten. „Du vorlaute Göre, gleich setzt es was.“
„Mit dieser Ernährung wirst du mich nie fangen“, dabei streckte sie die Zunge heraus.
„Woher weißt du das von mir und Svetlana eigentlich?“
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass du weiblichen Versuchungen abgeneigt bist. Dazu blickst du zu oft Röcken hinterher. Bei mir hast du nie etwas in diese Richtung unternommen, also muss es eine Frau in deinem Leben geben. Viel Zeit kannst du mit ihr nicht verbringen, wenn ich bedenke, wie oft wir zusammen sind. Da bleibt eigentlich nur deine Haushaltshilfe übrig.“
Er war beeindruckt, wie sie aus wenigen Fakten eine präzise Analyse anfertigte.
„Mal schauen, ob sie überhaupt noch etwas von dir will – nach dem Abenteuer mit meinem Sklaven.“ Hastig ergriff er eine Serviette und hustete.
Mit Tränen in den Augen erwiderte er: „Wir hätten eine Kamera in dem Zimmer verstecken sollen.“
„Sei ehrlich, du liebst sie. Wäre es da nicht komisch, sie beim Sex mit einem anderen zu sehen?“
„Ich bin auch nicht monogam und sie macht es ja nicht hinter meinem Rücken.“
„So wie du!“
„Frechdachs“, er wischte lachend mit der Hand durch ihre Haare.
Nachdem sie zu Ende gefrühstückt hatten, zogen sie sich um und besichtigten die Stadt. Natürlich gehörte dazu ein Ausflug auf den Eiffelturm. Oxana, die nie zuvor auf einem so hohen Gebäude war, konnte sich an dem Ausblick nicht sattsehen. Nach über drei Stunden musste Michail sie fast vom Turm zerren, damit er ihr bei einem Juwelier noch eine goldene Armbanduhr von Cartier kaufen konnte. Die Kreditkarte der Geschäftsfreunde räumte ihm ein großzügiges Limit für Spesen ein. Das Geschäft, das er für sie organisiert hatte, würde ein paar Millionen einbringen, welche Rolle spielten da schon zwanzigtausend Franken. Doch auch wenn er die Uhr selbst bezahlt hätte, wären die strahlenden Augen seines Schützlings jeden Rappen wert gewesen.
Beim Besuch des Louvres am nächsten Tag blickte Oxana häufiger auf das linke Handgelenk als auf die Kunstwerke. Am letzten Tag in Paris entführte Michail sie ins Disneyland. Für Oxana war es wie ein Ausflug auf einen fremden Planeten. Diese beiden Tage verbrachten sie fast wie Vater und Tochter. Das Erlebnis steigerte seinen Wunsch nach eigenen Kindern.
Am nächsten Morgen packten sie und verließen das Hotel. In der Lounge saß ein Mann, der genau im richtigen Moment aufstand, um von Michail angerempelt zu werden. Entschuldigungen wurden ausgetauscht, dann entfernten sie sich in verschiedene Richtungen. Nicht einmal Oxana hatte die Übergabe des Päckchens mitbekommen, in dem sich die Pistolen und der falsche Pass mit der Kreditkarte befanden. In achtundvierzig Stunden würde sich alles wieder im Züricher Bankschließfach befinden und der Kurier, den Michail als Boris kannte, von seiner Frankfurter Wohnung aus die Waffenlieferung in die Schweiz organisieren, die Michail gerade in die Wege geleitet hatte. Boris Spezialität war es, jede grüne Grenze in Europa zu kennen. Außerdem hatte er in fast allen Ländern Zöllner auf der Lohnliste, die ihm Tipps gaben, wo Kontrollen durchgeführt wurden.
8.
Auch dieses Mal gab es keine Probleme am Flughafen. Es war schon später Abend, als sie in Irkutsk das Flugzeug verließen. Michail fuhr in einen Sexclub, der den Geschäftsfreunden gehörte. Er wurde bereits von Nikolaj, dem Bezirksleiter Süd‑Sibiriens und anderen Kumpels erwartet.
„Priwét Mischa.“ Die Männer küssten sich gegenseitig auf die Wangen. „Hat alles geklappt?“
„Lief alles perfekt. Aufgrund meiner Begleitung wurde ich nicht einmal kontrolliert“, er schwenkte den Arm in Richtung seiner Schülerin. „Darf ich dir Oxana vorstellen!“ Zu ihr gewandt: „Das ist Kolja, mein Freund und ehemaliger Vorgesetzter.“
„Noch ein Spion? Bei dem Umgang kann aus mir ja keine brave gesetzestreue Bürgerin werden“, dabei ließ sie die Schultern hängen, als würde ihr Weltbild gerade zusammenstürzen. Dann wandte sie sich zu dem Mann, der etwa zehn Jahre älter als Michail war: „Priwét, Nikolaj.“ Als fremdes Mädchen stand es ihr nicht zu, ihn mit Kosenamen anzusprechen, wie Michail es getan hatte. Auch ihn hätte sie aus Respekt nie unaufgefordert Mischa gerufen.
Alle Anwesenden lachten. „Mischa, die Kleine ist ja ein Herzchen. Ich fange an, deine Geschichten über sie zu glauben.“
Oxana stützte die Hände auf die Hüfte und baute sich mit einem empörten Gesichtsausdruck vor Michail auf: „Petze!“ Dann drehte sie sich zu Nikolaj um. „Glaub ihm kein Wort oder würde so etwas ein braves kleines Mädchen machen?“
Das Lachen, das gerade am Verebben war, schallte erneut auf.
„Du hast wirklich einen Jungen entführt und zu deinem Sklaven abgerichtet?“
„Wer weiß, wann man einen braucht. Möchte sich einer von euch bewerben?“
Jetzt übertönte das Lachen der Männer die Musik.
„Ich muss dich bei Gelegenheit mal Maria vorstellen. Mit der Peitsche reicht ihr niemand das Wasser. Ihr werdet euch prima verstehen.“
Plötzlich tippte Roman von hinten auf ihre Schulter. „Mischa erzählt tolle Geschichten von deinen Schießkünsten. Wie wäre es mit einem Wettkampf?“
„Würdest du vor deinen Kumpels nicht ziemlich blöd dastehen, wenn ein kleines Mädchen mit dir den Boden aufwischt?“, dabei blickte sie dem Mann selbstbewusst und siegessicher in die Augen.
Er stutzte, doch die Kumpel krümmten sich inzwischen vor Lachen. „Zehntausend auf die Kleine!“, rief jemand in den Raum und weitere Einsätze folgten.
Lächelnd registrierte sie, dass Michail die höchste Wette auf sie abgab.
„Selbst deine Kumpel wissen, wer gewinnen wird“, dabei sah sie ihn provozierend an. Unter stichelnden Zwischenrufen wurden die beiden in den Keller geführt, wo sich ein Schießstand befand. Als Nikolaj ihr eine Waffe reichte, fragte sie ihn: „Hab ich einen Probeschuss, ich muss sie einschießen?“
Er nickte, nahm sie zurück, lud sie durch, füllte eine weitere Patrone in das Magazin und schob es wieder in die Pistole. Sie ergriff die Knarre und schritt zum Schießstand. Ohne Vorwarnung legte sie an und schoss. Sie erschrak von dem lauten Knall, hatte sie bisher doch nur im Freien geschossen. Trotzdem traf sie mittig die auf einem der äußeren Ringe geschriebene 5 – auf die sie gezielt hatte. Wie geplant, steigerte dieser scheinbare Fehlschuss das Selbstbewusstsein des Herausforderers. „Was ist der Einsatz?“, fragte sie Roman, der sich nach diesem schlechten Schuss siegessicher fühlte.
„Wenn ich gewinne, musst du bis zu deinem achtzehnten Geburtstag mit mir ein Wochenende im Bett verbringen.“
„Hoffe, es ist groß genug, sonst wird das unbequem, wenn ich dich vorher darauf gefesselt habe.“ Das Lachen der Kumpel verwandelte sich in ein Gegacker.
„Und was, wenn ich gewinne?“
„Was stellst du dir vor?“
„Du schuldest mir einen Gefallen, den ich irgendwann einfordern werde.“ Sie reichten sich die Hände und schlugen ein. Dann marschierten sie zum Schießstand, Oxana links und Roman rechts. Sie steckten sich Stöpsel in die Ohren und legten an. Keine Minute später hatten beide das Magazin leer geschossen. Die anderen im Raum nahmen die Hände wieder von den Ohren.
Nikolaj trat zu ihnen und zog Romans Scheibe zu sich. „174 Ringe, das ist schwer zu schlagen.“
Er zog Oxanas Zielscheibe nach vorn und noch, bevor sie diese direkt vor Augen hatte, sahen alle drei das klaffende Loch in der 10. Nur zwei Treffer waren in der 9. Zwar konnte er die Einschüsse in der 10 nicht zählen, aber Nikolaj zweifelte daran, dass sie die Scheibe auch nur einmal komplett verfehlt hatte.
„Würde ich es nicht sehen, würde ich es nicht glauben: 178 Ringe.“
Provozierend blickte Oxana die anderen Männer an: „Traut sich noch jemand?“ Augenblicklich war es still im Raum, nur vereinzelt „Nein, muss nicht sein“, war leise zu hören. Dann fing der Erste an zu klatschen und die anderen fielen in den Applaus ein. Oxana spürte Hitze im Kopf aufsteigen, die die Wangen rötete.
„Mit der Kleinen legt man sich besser nicht an“, rief einer und die Kumpel stimmten ihm zu.
Roman reichte ihr die Hand: „Schade, wäre bestimmt ein aufregendes Wochenende geworden. Gut geschossen.“
Sie nahm den Handschlag an und erwiderte: „Warst aber auch nicht schlecht, für Michail hätte es gereicht. Frag ihn mal, vielleicht lässt er sich auf den gleichen Wetteinsatz ein.“ Dabei lächelte sie ihn schelmisch an.
„Du bist ganz schön frech für dein Alter!“ Er konnte jedoch nicht anders als mitzugrinsen. „An was für einen Gefallen hast du gedacht?“
„Es wird bestimmt mal etwas geben, um das ich Michail nicht bitten möchte.“
Dabei betrachtete sie den Gegner genauer. Er war um die dreißig, ein paar Zentimeter kleiner als Michail, aber kräftiger. Auf dem rechten Arm war ein Tattoo – eine Faust, die ein Kalaschnikow‑Sturmgewehr umschloss. Ein sicheres Zeichen dafür, dass er Mitglied der SpezNas, das russische Gegenstück zur Delta‑Force, war. Sie fand ihn sympathisch, weil er die Niederlage mit einem einnehmenden Lächeln hinnahm. Er nickte verständnisvoll und gesellte sich zu den Kumpels. Trotz der Demütigung, von einem kleinen Mädchen geschlagen worden zu sein, lästerte niemand. Denn sie wussten alle, sie hätten nicht einmal die 174 Ringe geschafft und sich deshalb noch mehr blamiert.
Die Gruppe verließ den Keller. Nikolaj setzte sich mit Michail und Oxana an einen Tisch im Club. Während sich die Männer über die Reise unterhielten und dabei Wodka tranken, beobachtete Oxana an einer Cola nippend die Prostituierten, die sich fast nackt den Freiern anboten. Ihr fiel auf, dass sie von einige Gäste in einer Weise anschaut wurde, wie man Mädchen in ihrem Alter nicht anschauen sollte. Aber niemand traute sich in die Nähe des Tisches. Nikolaj schien hier der uneingeschränkte König zu sein, zu dem man nur durfte, wenn er eine Audienz erlaubt hatte. Obwohl sie das Ambiente spannend fand, fingen ihre Augen an, schwer zu werden. Sie stupste Michail an, der sofort verstand.
„Kolja, hast du ein Zimmer für uns, war ein langer Tag.“
„Zwei Betten?“
„Bitte.“
Er winkte einen der Kumpel heran und flüsterte ihm etwas zu. Der verschwand und kehrte zehn Minuten später zurück. Er nickte Nikolaj zu und setzte sich wieder an einen Tisch.
„Zimmer 107 ist vorbereitet.“ Das Zimmer war zwar ein krasser Absturz nach den letzten Unterkünften, doch immerhin sauber. Beide waren so müde, dass sie fast sofort einschliefen.
Am nächsten Tag fuhren sie zurück ins Dorf. Während Oxana von der Mutter erwartet wurde und über einen Kurs erzählen musste, der nie stattgefunden hatte, wurde Michail von einer atemberaubend gekleideten Svetlana empfangen und ins Bett gezogen. Als sie sich Stunden später an den völlig Erschöpften kuschelte, erinnerte er sich an die Idee, mit ihr eine Familie zu gründen. Ihr Verhalten heute war nicht allein mit Dankbarkeit zu erklären; ob sie ihn wirklich liebte – und er sie?
Am nächsten Tag war ein Treffen in der Hütte geplant. Auf dem Weg dorthin holte Oxana zwei Briefumschläge mit Spenden ihrer Kunden aus dem hohlen Baum. Jetzt, wo sich der größte Teil ihres Bargeldes in der Schweiz befand, musste sie schließlich wieder flüssig werden. Anscheinend hatten böse Staubgeister während der Abwesenheit in der Hütte eine Party gefeiert. Oxana hatte gerade Wasser aufgesetzt und leerte den Staubsauger im Wald, da hörte sie ein Knacken. Es kam aus Richtung des Sumpfes, weshalb es nur von Michail sein konnte. Sie schüttelte resignierend den Kopf. Er würde es nie lernen, sich lautlos im Wald zu bewegen. Sie setzte für ihn eine Tasse Tee auf und platzierte sich der Tür zugewandt am Schreibtisch. Dann öffnete sich die Tür. „Du stampfst durch den Wald wie ein Mammut! Ich konnte dich schon kommen hören, als du dein Haus verlassen hast.“
„Finde es auch schön, dich zu sehen“, konterte Michail trocken. „Ich bin eben ein Stadtmensch.“
„Dein Tee ist schon fertig, ich wusste ja früh genug, wann du kommst. Soll zur Abwechslung ich dir mal etwas beibringen, damit ich keine Angst mehr um den Wald haben muss?“
„Jetzt übertreibst du, nur weil ich nicht wie eine Katze durch den Wald schleichen kann wie du.“
„Trink den Tee, danach gehen wir in den Wald.“
„Machen wir, vorher gibst du Quälgeist sowieso keine Ruhe.“
Eine halbe Stunde später führte Oxana ihn durch den Wald und zeigte Michail Dinge, die ihm vorher nie aufgefallen waren. Plötzlich sah er Nester, Höhleneingänge von Mäusen und ob ein Baum gesund oder krank war. Nach drei Stunden fing er an, Zweige unter dem Laub zu sehen und wie fest der Boden vor ihm war. Er war erstaunt darüber, wie blind er vorher durch den Wald gegangen war und was er alles übersehen hatte.
Der Abend brach schon an, als sie wieder in der Hütte eintrafen.
„Zum Schluss warst du gar nicht so schlecht. Es wird zwar noch etwas Übung nötig sein, aber du scheinst kein hoffnungsloser Fall zu sein.“
„Ich sehe den Wald jetzt mit ganz anderen Augen.“
„Liegt vielleicht daran, dass du sie jetzt öffnest!“
„Damit hast du wohl gar nicht so unrecht.“
„Mama hat Borschtsch gemacht, möchtest du auch was?“
„Gerne, deine Mutter ist eine gute Köchin. Außerdem bin ich nach der Lauferei hungrig.“ Oxana holte die Schüssel aus dem Kühlschrank und schüttete die Kohlsuppe in einen Topf, den sie auf dem Herd erwärmte. Michail deckte in der Zeit den Tisch und kurz darauf löffelten sie die Suppe. „Du hast meine Freunde ganz schön beeindruckt.“
„Sie scheinen nett zu sein – ich glaube aber nicht zu jedem.“
Michail lachte auf: „Sie haben auch eine Seite, die dir gefallen würde – du hast von Maria gehört.“
„Nikolaj hat sie erwähnt – meinte, ich sollte sie kennenlernen.“
„Ich bin mir nicht sicher, ob es gut für die Männerwelt wäre.“ Dabei zog er die Augenbrauen hoch. „Sie fände deinen Blockbuster mit Juri bestimmt amüsant.“
„Wie meinst du das?“
„Was du mit ihm gemacht hast, tut sie für Geld – und ich würde wetten, auch, weil es ihr Spaß macht.“
„Unterhaltsam fand ich es auch, aber wer zahlt denn dafür?“
„Es gibt Männer, denen eine solche Behandlung durchaus gefällt. Denk an Juri!“
Oxana runzelte die Stirn und überdachte die Aussage. „Möglicherweise kann ich von der Frau noch etwas lernen. Aber nach Irkutsk ist nicht gerade um die Ecke.“
„Mit einem Sportflugzeug sind es nur 2,5 Stunden.“
„Und der Herr Meisterspion will mir jetzt noch erzählen, er könnte fliegen?“
Michail lachte über ihre Stichelei: „Leider nein, aber zum Chartern eines Flugzeugs wird es reichen.“
„Schade, hatte schon gehofft, du würdest es mir beibringen.“
Die nächsten Tage lernte Michail, sich im Wald zu bewegen. Obwohl er große Fortschritte machte, schaffte er es nicht, sich Oxana zu nähern, bevor sie ihn bemerkte. Beim Tee in der Hütte wurde der Unterricht theoretisch fortgeführt.
„Du darfst nicht mit der Ferse auftreten, sondern musst mehr wie eine Frau auf High Heels gehen.“
„Glaube nicht, dass die mir stehen würden!“
„Stimmt, würde mit den haarigen Beinen nicht schick aussehen.“
„Wie alt bist du?“
Oxana sah ihn verwundert an: „14.“
„Willst du noch 15 werden?“
„Du würdest doch einem kleinen, hilflosen Mädchen nichts antun?“ Dabei sah sie ihn mit ihrem unschuldigen Engelsgesicht an.
„Hilflos? Das kannst du jemandem weismachen, der dich nicht kennt.“
Beide nahmen kichernd einen Schluck Tee.
„Die Ferse ist ein Knochen und kann dein Gewicht nicht abfedern. Du musst das Gewicht auf die Zehen verlagern.“
„Und das lässt mich leiser gehen?“
Sie nickte und im selben Augenblick klingelte Michails Telefon.

»Freut mich, zu hören.«

»Natürlich bringe ich sie mit. Sorge dafür, dass Maria da ist, dann können die Frauen über ihr Hobby schnacken.« Auch ohne Freisprechen konnte Oxana ein dreckiges Lachen hören. »Dann bis morgen Abend, Kolja.« Er legte auf und rief den Flugplatz an, um ein Flugzeug für den nächsten Tag zu chartern.
Oxana sah ihn mit schrägem Kopf an. „Hast du Neuigkeiten für mich?“, flötete sie.
„Jetzt, wo du mich fragst: Kolja lädt uns ein, den erfolgreichen Abschluss des Geschäftes zu feiern.“
„Ich hoffe, es war so gut, dass es für mehr reicht als Salzstangen und Billigcola wie beim letzten Mal.“
„Wenn nicht, lassen wir uns was vom Burger King kommen“, erwiderte er lachend.
„Wie wäre es mit Käsefondue? Wenn man den Weißwein durch Wodka ersetzt, finden auch deine Freunde Gefallen daran.“ Beide lachten los, bis die Tränen rollten.
„Speichere den Ordner »Test_5« auf eine CD. Maria findet das bestimmt interessant.“
„Kennst du sie?“
„Kennen wäre zu viel gesagt, aber sie hat eine auffallende Erscheinung, die man nicht mehr vergisst.“
„Du machst mich neugierig.“ Dabei stand sie auf und zog die Dateien auf eine CD.
„Kannst du deiner Mutter eine Ausrede erzählen, damit wir zwei Tage wegbleiben können?“
„Sicher, ich übernachte bei meiner Schulfreundin Sonja in der Hauptstadt.“
„Wer ist Sonja?“
„Meine Standardausrede, wenn ich keine Lust habe, zu Hause zu essen.“
„Und deine Mutter nimmt dir das ab?“
„Wieso nicht, sie ist so echt wie mein Reisepass.“
Michail senkte das Haupt, bis das Kinn die Brust berührte, dann schloss er die Augen und schüttelte den Kopf. Sie verabredeten, dass Oxana am nächsten Tag zu seinem Haus kommen sollte, sobald sie sich zu Hause loseisen konnte. Dann machten sich beide auf den Heimweg.
9.
Oxana schaffte, dass es früher Mittagessen gab als normal. Auch die Ausrede mit Sonja erzielte den gewünschten Erfolg. So stand sie um zwei Uhr vor Michails Haus. Wenige Minuten später fuhren sie zum Flugplatz und flogen von dort nach Irkutsk. Was in jedem westlichen Land Beobachter dazu veranlasst hätte, die Polizei zu rufen, war in Russland nicht einmal einen zweiten Blick wert. Deshalb verwunderte es niemanden – wenn es überhaupt jemand bemerkte – dass ein kleines Mädchen am frühen Abend den Sexclub betrat. Roman empfing die beiden und führte sie in den Keller. Auf einem Tisch lagen hundert mit Klebeband umwickelte Beutel von der Größe einer Kilopackung Mehl. Oxana erkannte sie sofort als die, die sie auf dem Schiff in Marseille gesehen hatte.
Nikolaj begrüßte die Neuankömmlinge. Ihm fiel auf, dass Oxana die Drogen betrachtete. „Was geht in deinem Köpfchen vor?“
„Was ist das Zeug wert, das da liegt?“
„Eine Milliarde Rubel.“
„Und was hat es euch gekostet?“
„Etwa 50 Millionen.“
„Ein gutes Geschäft!“
„Ja und weißt du, warum es wirklich ein gutes Geschäft ist?“ Sie schüttelte den Kopf. „Weil die Albaner genauso denken. Sie werden für unsere Waffen auch das fünfzehn bis zwanzigfache dessen bekommen, was sie das Pulver gekostet hat.“
„Verstehe. Wenn beide Seiten zufrieden sind, gibt es weniger Probleme.“
„Genau. Warum eine Gans schlachten, die goldene Eier legt!“
„Nur kann die Gans nicht unbegrenzt Waffen legen. Schätze, ihr braucht mehr Pulver, als ihr Waffen liefern könnt.“
„Mischa hat recht: Dein Verstand ist nicht der eines kleinen Mädchens.“
„Kennst du Michail schon lange?“
Nikolaj lachte auf: „Oh mein Gott. Ich kannte ihn schon, da warst du nicht einmal ein feuchter Gedanke deiner Eltern.“
„Und seither seid ihr Freunde?“
„Das ist schwer zu verstehen, wenn man die Zeiten nicht miterlebt hat. Beim KGB hatte man keine Freunde, alle waren nur Genossen. Aber wir verstanden uns gut und respektierten einander. Ich erteilte ihm Aufträge und er hat mich nie enttäuscht – auch danach nicht. Freunde wurden wir erst, nachdem Väterchen Russland keine Arbeit mehr für uns hatte.“
„Immerhin seid ihr ein paar Gehaltsstufen nach oben gefallen“, grinste sie ihn an. „Oder hat der Staat so gut bezahlt?“
Nikolaj schmunzelte: „Nicht ansatzweise. Aber er bezahlte in Transferrubeln und damit konnte man Sachen kaufen, die ansonsten nicht erhältlich waren. Damals war man damit etwas Besonderes.“
„Aber es gibt keine Transferrubel mehr und ihr könnt euch trotzdem kaufen, was ihr wollt.“
„Schon, aber Rubel in größeren Mengen sind außerhalb Russlands immer noch nicht besonders beliebt. Da will man Dollar, Franken, D‑Mark oder demnächst Euros.“
Oxana hatte einen Geistesblitz. „Euch fehlt also noch die Möglichkeit, eure nicht ganz sauberen Rubel in strahlend reine westliche Währungen zu tauschen?“
„Eine Gesellschaft, in die man Rubel einzahlt und die westliche Währung auszahlt, wäre sehr hilfreich.“
„Warum gründet ihr dann keine?“
Nikolaj sah sie an, als hätte sie ihn gefragt, warum er keinen Urlaub auf Alpha Centauri macht. „Wie meinst du das?“
„Ich habe viel über die Einführung des Euros gelesen. Zypern und Malta sollen da irgendwann Mitglieder werden. Geringe Steuern und käufliche Beamte. Ich werde das mal in meinem Köpfchen durchdenken, wenn ich etwas Muße habe. Dauert ja noch etwas, bis der Euro eingeführt wird.“
Nikolaj sah ein kleines Mädchen vor sich, doch was sie sagte, konnte unmöglich von einem Kind kommen. „Ich kann kaum erwarten, zu hören, was dein Gehirn ausbrüten wird.“
„Was springt dabei für mich raus?“
„Es wird sich bestimmt für dich lohnen, aber brüte erst einmal das Ei aus und lass uns sehen, wie das Küken aussieht.“
Oxana winkelte die Arme an und schlug damit gackernd um sich. Dann sah sie unter sich und danach Nikolaj enttäuscht an: „Dauert noch etwas.“
Er lachte los, legte den Arm um ihre Schulter und ging zu Michail. „Mischa, da hast du vielleicht ein Früchtchen gefunden.“
„Stimmt, man muss sie einfach liebhaben.“
In dem Moment sah und hörte man hohe schwarze Schnürstiefel die Treppe herunterkommen. In dem Keller wurde es totenstill. Die Absätze, die länger als Oxanas Füße waren, sahen aus wie Pfeilspitzen und klackten gefährlich bei jedem Schritt. Am Vorderfuß war die Sohle übertrieben dick, sonst hätte die Frau auf Zehenspitzen laufen müssen. An dem rechten Stiefel war eine Peitsche befestigt. Ein schwarzer Lederbody kam zum Vorschein, der die Wespentaille hervorhob – und wie man zwei Stufen später sehen konnte, auch die Oberweite. Die Arme steckten in weißen Seidenhandschuhen, die bis zur Mitte der Oberarme reichten. In der rechten Hand hielt sie eine Reitgerte, deren Paddel sie mit der linken umschloss. Der Body endete so an den Brüsten, dass er die Nippel gerade noch bedeckte. Dann erschien der Kopf mit glatten schwarzen Haaren, die genau an der Oberkante des Bodys abschlossen. Die Lippen waren übertrieben Rot und das hübsche Gesicht auf blass geschminkt. Oxana verstand Michails Andeutung, dass man ihre Erscheinung nicht vergessen würde. Es musste sich um Maria handeln.
„Wer von euch Würmern war böse und verdient eine Bestrafung?“
Die Stimme erinnerte Oxana an eine Lehrerin der Dorfschule – kalt und gefühllos. Sie schritt durch den Raum auf einen der Männer zu. Ihre Hand zuckte und ein Knall ertönte.
„Aua“, schrie der Mann vor ihr – die Finger schüttelnd – auf.
„Wo ist mein Sekt?“
„Kommt sofort, Lady Maria.“
Er entfernte sich zügig und kam wenige Sekunden später mit einem gefüllten Sektglas auf einem Tablett zurück. „Bitte, Lady Maria, ihr Sekt.“
Sie nahm das Glas entgegen, sah ihn verächtlich an, nippte daran und schritt zu Nikolaj.
„Maria, du siehst umwerfend wie immer aus.“
„Danke, Kolja.“
Er griff mit beiden Händen unter den Haaren durch und legte sie auf ihre Schultern. Dann küsste er Maria auf die Wangen. Sie erlaubte ihm diese Handlung ohne jede Gegenwehr – offensichtlich wusste sie sehr genau über die herrschende Hierarchie Bescheid.
„Darf ich dir unseren Neuzugang vorstellen?“, dabei zog er Oxana am Ellenbogen heran. „Das ist Oxana. Ihr werdet euch bestimmt gut verstehen, wo ihr doch das gleiche Hobby habt.“
„Welches Hobby soll das sein?“ Der Unglaube, mit diesem Kind ein Hobby zu teilen, war ihrer Stimme deutlich anzuhören. Michail trat heran und reichte ihr eine CD: „Schau dir das an, dann verstehst du.“
„Hallo Mischa, ist das deine Schülerin, von der man schon erzählt?“
„Ja und wenn du dir das angesehen hast, wirst du sie richtig lieben.“
Sie griff nach der CD und sagte im Gehen: „Ich hoffe für euch, dass ihr meine Zeit nicht verschwendet.“
Maria setzte sich an einen Tisch, auf dem ein Laptop stand und schob die CD ins Laufwerk. Nach etwa einer Minute lehnte sie sich zurück und nippte am Sekt. Langsam hoben sich ihre Mundwinkel an. Mit einem letzten Schluck leerte sie das Glas und hielt es mit ausgestrecktem Arm in den Raum. Sekunden später eilte ein Mann mit einer Flasche Krimsekt herbei und füllte es auf. Sie würdigte ihn nicht eines Blickes, nippte aber an dem Sektglas. Inzwischen waren die Mundwinkel weit nach oben gewandert. Sie lächelte Oxana an und winkte sie mit dem rechten Zeigefinger heran, wandte sich aber sofort wieder dem Bildschirm zu. Oxana zögerte kurz und überlegte, dass sie Maria gegenüber keine Schwäche zeigen durfte, wenn sie deren Respekt erlangen wollte. Selbstbewusst ging sie auf die Frau zu. „Hallo Maria, gefällt dir mein Forschungsprojekt?“
„Forschungsprojekt? Was wolltest du denn erforschen?“
„Ob man sich einen Sklaven heranziehen kann.“
„Oh ja, das kann man“, antwortete Maria.
„Ich weiß. Ich brauche jetzt nur noch zu pfeifen, dann springt er.“
„War auch nicht schwer, so verknallt, wie er in dich ist.“
„Für meinen ersten Versuch bin ich ganz zufrieden.“
„Dein erstes Mal? Woher hast du gewusst, wie es geht?“
Oxana flüsterte ihr einige Buchtitel zu, woraufhin Maria auflachte.
„Wie bist du denn daran gekommen? Die sind erst ab 18 und selbst dann schwer zu bekommen?“
„Ich habe so meine Quellen“, erwiderte sie geheimnisvoll.
„Dafür, dass es dein erstes Mal war, hast du das gut gemacht. Aber ist dir auch aufgefallen, dass du mehr für ihn empfindest?“ Sie zeigte ihr die Szenen, an denen sie das erkannt hatte.
Oxana begriff: Von dieser Frau konnte sie noch viel lernen. Michail hörte die zwei Frauen immer wieder kichern und fragte sich, ob es nicht ein Fehler war, die beiden einander bekanntzumachen. Offensichtlich verstanden sie sich hervorragend und waren auf dem Weg, so etwas wie Freundinnen zu werden. Er wusste inzwischen, dass für Oxana das, was einer Freundschaft am nächsten kam, zunächst einmal ihr selbst nützen musste. Außerdem wollte sie immer möglichst wenig Angriffsfläche bieten und nicht manipulierbar sein. Die Vorstellung, dass Maria mit ihrer Erfahrung für Oxana nützlich sein konnte, war nicht schwierig. Wie nützlich, würde er zu sehen bekommen, sobald es eine Datei »Test_6« gab.
Der Keller war größer, als man von außen vermutet hätte. Das lag daran, dass er nicht nur zu einem, sondern gleich zu zwei Häusern gehörte. Gäbe es eine Razzia, was ohne Vorwarnung fast ausgeschlossen war, würde sich auf Knopfdruck eine Wand vor den hinteren Teil des Kellers schieben. Der große eingemauerte Safe, der Drogentisch sowie der Schrank mit den Waffen würden augenblicklich unsichtbar. Selbst der Tisch mit den zwei einzigen Frauen wäre verschwunden, was die Antwort darauf ersparen würde, wieso sich eine 14‑Jährige im Keller eines Sexclubs befand. Alles, was man sehen würde, wären etwa zwanzig Männer, die eine Party feierten. Nikolajs Erfolg beruhte auch darauf, dass er die Sicherheit niemals vernachlässigte. In diesem Keller befanden sich nur Kartellmitglieder, die ihre Loyalität mehrfach bewiesen hatten und noch alle Finger besaßen: Ein Opfer, das viele in der russischen Unterwelt bringen mussten – als Preis für ihr Versagen. Zwei Männer waren neu in diesem Kreis und die einzigen, die nicht mitfeierten, sondern an einem der Tische arbeiteten. Darauf standen eine Briefwaage und zwei große Rührschüsseln. Die Arbeit, die sie verrichteten, war monoton. Einer nahm eines der Drogenpakete, öffnete es und schüttete den Inhalt in eine Rührschüssel. Dann holte er einen vorbereiteten Beutel mit Milchpulver, entleerte ihn in dieselbe Schüssel und verrührte die beiden Substanzen. Der andere füllte aus dem zweiten Gefäß, in dem zuvor das Gleiche geschehen war, je hundert Gramm der Pulvermischung in Beutel und verschweißte sie. War er damit fertig, tauschten die Männer die Schüsseln. Der Erste trug die frisch verpackten Plastikbeutel in den Safe und holte sich ein neues Drogenpaket vom Tisch. Für jedes Päckchen brauchten sie zwölf bis fünfzehn Minuten, was bei hundert einen ganzen Tag bedeutete – ohne Pausen. Am Ende lägen zweitausendfünfhundert dieser Beutel im Safe und jeder würde Nikolaj vierhunderttausend Rubel einbringen. Bis das Pulver im Körper eines Konsumenten verschwinden würde, verdienten noch zwei oder drei Zwischenhändler daran und aus den hundert Gramm würden zweihundertfünfzig bis dreihundert Gramm werden. Keiner der Männer im Keller konsumierte selbst, sonst wären sie nie in den Genuss dieses Privilegs gekommen. Ihre Droge waren die Mädchen eine Etage über ihnen, die sie jederzeit kostenlos benutzen durften – wovon sie auch regen Gebrauch machten.
Michail bekam langsam Hunger, doch es gab hier fast nur Getränke. Krimsekt, Russian‑Standard‑Wodka und deutsches Bier gab es en masse. Das einzig Essbare waren Cracker und reichlich Kaviar. Lecker, aber nicht zur Sättigung geeignet. Den beiden Frauen schmeckte es zwar, doch wusste er, dass es Oxana nicht dauerhaft ruhig stellen würde. Als könnte er hellsehen, schalteten die Frauen den Computer aus und kamen schmunzelnd zu ihm. „Mischa, deine Schülerin ist sehr talentiert.“
„Ich wusste doch, dass dir das Video gefallen würde“, sagte er zu Maria. Dann an beide gewandt: „Habt ihr auch Hunger?“
„Kolja muss endlich mal lernen, dass zu einer Party mehr als Wodka gehört“, antwortete Maria.
Michail grinste: „Ich weiß, habe aber wenig Hoffnung, dass er das noch lernt. Würdet ihr losziehen und was besorgen?“
„Was hast du dir denn vorgestellt?“
Er nahm einen Geldschein aus seiner Brieftasche: „Überfallt Burger King und holt Karte rauf, Karte runter, was ihr dafür bekommt.“
Maria steckte den Schein ein: „Wird aber etwas dauern.“ Daraufhin gingen die Frauen die Treppe hinauf und verschwanden.
Michail dachte schon, er müsste verhungern, als nach über zwei Stunden die Kellertür geöffnet wurde und vier Tüten die Treppe herabschwebten. Ein Blick auf Oxana und er wusste, seine schlimmsten Albträume wurden wahr. Anscheinend gab es Marias Stiefel auch in Oxanas Größe. Dazu trug das Mädchen Minirock und Top aus saphirfarbenem Leder und lange gleichfarbige Seidenhandschuhe. Dass Maria auf solchen Absätzen laufen konnte, hatte er öfter gesehen. Doch dass sich auch Oxana darauf bewegte, als wären es Sneakers, verwunderte ihn schon. Immerhin schien sie ein Höschen unter dem Kostüm zu tragen, es glänzte in einem etwas dunkleren Farbton. Auch die Farbwahl hielt er für gelungen, denn Oxana sah keineswegs nuttig aus, was für ein Mädchen ihres Alters unpassend gewesen wäre. Beide Frauen hatten an den Stiefeln Flogger, Gerte, Rohrstock und Peitsche befestigt.
Sie packten den Inhalt der Tüten auf einen Tisch. „Wer von euch wertlosen Würmern möchte etwas essen?“ Michail erschauderte, denn nicht Maria, sondern Oxana rief es in den Raum. Die Männer, die die Rückkehr der Frauen noch nicht bemerkt hatten, drehten sich um und schmunzelten. Oxanas Erscheinung ließ vermuten, dass sie schon seit Jahren als Domina arbeitete; ein Anblick, der aufgrund des Alters eine gewisse Komik beinhaltete. Wie zwei kampfbereite Amazonen warteten die Frauen hinter der Tafel mit den Burgern. Der erste Mann traute sich trotzdem an den Tisch und wollte sich einen der Hamburger nehmen. Fast gleichzeitig klatschten zwei Gerten auf seine Finger. „Wo ist deine Erziehung geblieben? Nimmt man sich ohne zu fragen etwas vom Tisch?“, kanzelte ihn Maria ab. „Du musst entweder Lady Maria oder Gräfin Oxana um Erlaubnis bitten, du Flegel!“
Bei der Bezeichnung Gräfin Oxana zuckte der Schmerz einer befürchteten Gewissheit durch Michails Körper. Sie würde ihm jetzt häufiger diesen Adelstitel unter die Nase reiben.
„Gräfin Oxana, dürfte ich Sie untertänigst um einen Whopper bitten?“ Mit skeptischem Blick reichte sie ihm den Burger, „Ich will mal nicht so sein.“
Nacheinander kamen die Männer zu den Frauen und baten um Hamburger oder Pommes. Dann trat Roman an den Tisch: „Wyattine Earp, dürfte ich auch etwas von ihren köstlichen Speisen haben?“, dabei grinste er sie an.
Oxana musste kichern: „Was möchtest du Spinner denn haben?“
Sie gab ihm den erbetenen Cheeseburger und die Pommes.
Maria schaute sie fragend an: „Wyattine Earp?“
Oxana erzählte ihr von dem Duell mit Roman.
„Du hast beim Schießen gegen ihn gewonnen? Er hat noch nie verloren!“, flüsterte sie erstaunt.
Es dauerte nicht lange, und die Tafel war bis auf drei Hamburger und eine Portion Pommes geplündert. Oxana nahm zwei der Burger und eine der Einkaufstüten und ging zu dem Tisch mit dem Laptop. Maria ergriff eine Flasche Sekt sowie zwei Gläser und folgte ihr.
Michail beobachtete die Szene, überzeugt davon, dass dieses Gespann nichts Gutes für die Männerwelt bedeutete.
„Da haben sich zwei gesucht und gefunden“, sprach ihn Nikolaj lachend an.
„Wir Männer werden uns warm anziehen müssen.“
„Stimmt, wenn deine Kleine groß ist, werden wir Männer nichts zu lachen haben.“
„Erst, wenn sie groß ist?“
„Glücklicherweise ist sie für uns etwas zu jung.“ Nikolaj lachte los und Michail fiel in sein Lachen ein. Die Frauen legten die CD wieder ein und analysierten das Video. Oxana hatte aus der Tüte je eine Flasche Cola und Orangensaft auf den Tisch neben den Sekt gestellt. Während Maria den Krimsekt herunterkippte wie die Männer den Wodka, nippte Oxana an dem Sekt‑O‑Saft‑Gemisch und verputzte die beiden Hamburger. Nach mehrmaligem Betrachten des Videos hatte Maria noch einen Kundentermin. Sie fragte, ob Oxana sie begleiten wollte und diese sagte neugierig zu.
Die 27‑jährige Maria besaß etwas außerhalb des Stadtkerns ein Grundstück, bei dem der Garten durch eine Hecke von außen nicht einsehbar war. Sie zeigte Oxana die beiden mit Gittern abgedeckten Gruben, an deren Boden sich ein Abfluss befand. Als Maria den Grund erklärte, wusste Oxana, was sie auf jeden Fall machen wollte. Unter dem Haus, mit für russische Verhältnisse großzügigem Wohnraum, befand sich ein schalldichter SM‑Keller, wo sie die Kunden quälen konnte. Oxana war von den Spielgeräten, die Maria dort hatte, beeindruckt. Dann ertönte eine Klingel.
„Mach die Tür auf und behandle ihn so wie deinen Sklaven im Video.“
„Meinst du wirklich?“
„Natürlich, je schlechter du ihn behandelst, desto besser gefällt es ihm.“ Oxana nahm die kurze dreischwänzige Peitsche und ging zur Tür. Maria folgte mit etwas Abstand, um notfalls eingreifen zu können. Oxana griff nach der Klinke und riss die Tür auf. Vor ihr stand ein kleiner, rundlicher Mann in einem für russische Verhältnisse guten Anzug. Aufgrund der Stiefel war Oxana etwas größer als der Mann, der ganz offensichtlich eine andere Person erwartet hatte.
„Was hast du denn an, kleidet sich so ein Sklave?“
„Ähm ‑ nein. Ähm, wer …?“
„Los, runter mit den Klamotten und auf den Boden knien, du Wurm.“
Er zögerte einen Moment zu lang. Oxanas Peitsche schlug gegen seine Hüfte.
„Hast du die Zunge verschluckt? Das heißt 'Ja, Gospozha', Sklave.“
Immer noch irritiert, fing er an, sich auszuziehen. „Ja, Gospozha. Wer bist du?“
Rechts, links, rechts, links schlug die Peitsche auf Hüfte und Becken des Mannes ein.
„Spricht man seine Herrin in der zweiten Person an und habe ich dir erlaubt, hier Fragen zu stellen?“ Maria musste sich angesichts der Vorstellung zusammenreißen, um nicht loszulachen. Inzwischen stand der Mann nur noch in Strümpfen und Unterwäsche vor dem Mädchen und machte keine Anstalten, sich weiter auszuziehen. Die Peitsche traf seine Unterhose genau zwischen den Beinen. Er schrie auf.
„Ausziehen, habe ich gesagt! Ein Sklave hat alles zu zeigen, was man benutzen kann.“
Jetzt hatte er verstanden, dass mit diesem Mädchen ebenso wenig zu spaßen war wie mit Maria. „Ja, Gospozha.“
Noch immer in der offenen Tür zwischen SM‑Keller und Garten stehend, zog er auch die letzten Kleidungsstücke aus und kniete sich auf den Boden. Maria warf ihr ein Halsband zu, das Oxana dem Mann anlegte. Dann trat sie hinzu und befestigte eine Leine an der Halsmanschette. Dann fischte sie die Brieftasche aus seiner Hose und steckte sie in ihren Stiefelschaft. „Bewegung, Sklave. Das ist Gräfin Oxana. Sie wird heute die Bestrafungen durchführen. Sei also besser gehorsam, sie ist nicht so mitfühlend wie ich.“
„Ja, Lady Maria.“
„Gräfin, sammeln Sie bitte die Klamotten von dem Wurm ein und schließen Sie diese in die Kiste ein.“ Sie zeigte dabei mit der Gerte auf die angesprochene Holzkiste. „Die Sachen braucht er die nächsten achtundvierzig Stunden nicht oder sehen Sie das anders, Gräfin?“
„Bestimmt nicht, er hat aber auch nicht viel zu verstecken.“
„Stimmt. Ein Wurm mit einem Wurm.“
„Ich hoffe, er ist wenigstens belastbar und langweilt uns nicht.“
„Das können wir gleich mal ausprobieren. Für den Ungehorsam Ihnen gegenüber hat er sowieso noch eine Strafe verdient.“ Beide grinsten sich an – amüsiert davon, wie sie sich schon gegenseitig die Bälle zuspielten, obwohl sie sich erst ein paar Stunden kannten. Oxana verschloss den Deckel der Truhe mit einem Vorhängeschloss, steckte den Schlüssel in den Ausschnitt und ging zu Maria.
Die Frauen tuschelten kurz. „Gute Idee, Gräfin, ich hole mal eben, was wir dafür brauchen.“ Daraufhin reichte sie Oxana die Leine und ging zu dem Schrank mit den Toys. Oxana, die noch hinter dem Sklaven stand, schlug mit der Peitsche zweimal auf dessen Po.
Maria zeigte ihr, wie man mit dem Rohrstock zuschlägt, ohne ernsthafte Schäden anzurichten. Auch den Umgang mit einem Strap‑on und wie man einen Sklaven gefahrlos aufhängen konnte, brachte sie Oxana praktisch bei. Über Nacht sperrten sie den Kunden in eine der Gruben ein und erleichterten sich auf dem Gitter stehend auf ihn; dann gingen sie schlafen und ließen ihn angepinkelt zurück. Es waren achtundvierzig sehr erhellende Stunden für Oxana. Sie lernte viel von Maria und konnte auch einige ihrer eigenen Ideen verwirklichen. Nachdem Maria den Kunden entlassen hatte, kehrte Oxana in den Sexclub zurück und flog mit Michail nach Hause.
10.
Oxana hatte die Behandlung des Sklaven so viel Spaß gemacht, dass sie ihre sadistische Ader bestätigt sah und diese akzeptierte. Auch für ihre finanziellen Planungen hatte der Ausflug einen Plan‑B aufgezeigt; einen, der nicht nur eine andere Einnahmequelle auftun konnte, sondern ihr zusätzlich viele mächtige Freunde im Rücken verschaffte. In Kürze würde sie fünfzehn werden und es verblieben nicht einmal zwei Jahre Zeit, bevor sie nach Westen ziehen wollte. Die nächsten Wochen verbrachte sie mit den Planungen der zwei neuen Projekte. Dank des Internets fand sie für alles eine Anleitung. Eines Tages kam Michail mit einer ihrer Bestellungen zur Hütte und traf Oxana an, wie sie davor ein Loch neben der Badewanne schaufelte. Eine Woche später war daraus eine betonierte, kubische Grube mit zwei Meter Seitenlänge geworden, in die man über acht Stufen hinabsteigen konnte. Wenige Tage später konnte man diese mit einem Gitter verschließen. Eine weitere Woche danach waren die Badewanne und die Grube mit einem bedachten Anbau umkleidet. Michail ahnte schon, wozu sie dienen sollte, und war froh, dass Oxana diesen Unfug nur machte, wenn er auf Reisen war.
Ein paar Tage später war es wieder so weit. Mit einer Wunschliste von Oxana, die nicht weniger als zwölf Bücher umfasste, flog er nach Paris. Diese zu besorgen gestaltete als sich schwieriger als die eigentlichen Geschäfte, handelte es sich doch fast ausschließlich um seltene Fachliteratur. Nach der Rückkehr las er schon in der Zeitung von dem Jungen, der sechs Tage durch den Wald geirrt war und dort die Sprache verloren hatte. Von schlimmen Träumen begleitet, verbrachte Michail eine unruhige Nacht und brachte die Bücher am Vormittag zur Hütte. Er schaltete den Computer ein und fand, wie befürchtet, einen neuen Ordner vor: Test_6. Um sich darauf vorzubereiten, was ihn in dem Video erwarten würde, las er erst das Protokoll. Erschrocken stellte er fest, um welche Behandlungsmethoden Oxana ihr Repertoire erweitert hatte. Umso erleichterter war er, als er zwei Wochen später von der Genesung des Jungen hörte.
Die nächsten Wochen studierte Oxana jede freie Minute die mitgebrachten Bücher. Ihre Rubelwaschmaschine nahm immer mehr Konturen an. Am verwirrendsten war: Alle neuen EU‑Länder hatten unterschiedliche Gesetze. Kaum einer wusste, wie und ob die sich ändern würden. Eines war ihr sofort klar: Der erste Schritt musste erfolgen, bevor der Euro eingeführt würde. Doch mit Nikolaj plante sie frühestens darüber zu sprechen, wenn der Plan mehr Substanz hatte. Sie fand immer wieder Bereiche, über die sie nicht genug wusste. Diesen Zustand musste sie dringend ändern. Von jeder Reise brachte Michail weitere von ihr bestellte Bücher mit. Der Plan lief langfristig auf die Inseln Malta und Zypern hinaus; doch keines der beiden Länder wäre beim Eurostart dabei. Es blieben daher nur dreizehn Staaten zur Auswahl, denn den Vatikan verwarf sie sofort, weil der Plan dort undurchführbar war. Oxana lief die Zeit davon, schließlich sollte der Euro schon Ende des folgenden Jahres als Buchgeld eingeführt werden.
Es war schon September und Oxana fünfzehn, als sie endlich die Gesetzeslücke fand, nach der sie gesucht hatte. Sie benötigte weitere zehn Tage, um 'das Ei' zu legen. Um es auszubrüten, brauchte sie einen Anwalt am Zielort, damit er Fehler im Plan finden konnte. Der Zeitpunkt war gekommen– sie musste nach Irkutsk. Michail war gerade auf Reisen, aber sie benötigte dessen Hilfe längst nicht mehr für ein Treffen mit Nikolaj. Regelmäßig telefonierten sie oder trafen sich zum Informationsaustausch in der Hauptstadt. Sie ergriff das Telefon und wählte seine Nummer. »Hallo Oxana. Was hast du auf dem Herzen?«
»Ich habe das Ei gelegt, aber ich brauche beim Ausbrüten deine Hilfe.«
»Wie kann ich helfen?«
»Können wir uns treffen? Es ist ziemlich umfangreich.«
»Klar, ich charter dir eine Maschine. Sag nur, für wann.«
»Freitagmittag, ich komme dann direkt nach der Schule.«
»Ist notiert.«
»Und wehe, du hast wieder nur Billigcola und Knabberzeug.«
»Ich werde für die Dame angemessenen Speis und Trank besorgen«, erwiderte er lachend. »Bis Freitag.«
»Ich freu mich und bin schon gespannt auf deinen Plan.«
Am Freitag musste Sonja wieder als Ausrede herhalten. Oxanas Mutter war viel zu froh, dass sie eine Freundin hatte, als dass sie es ihr verweigert hätte. Nach der Schule fuhr Oxana direkt mit dem Taxi zum Flugplatz und war noch vor Geschäftsbeginn im Sexclub von Nikolaj. Kaum hatte sie den ersten Schritt in das leere Lokal gemacht, sprang er auf und lief ihr entgegen. „Hi Schätzchen. Ich bin schon ganz gespannt, von deinen Plänen zu hören.“
„Hi Nikolaj. Ich hoffe, du hast Zeit.“ Dabei griff sie in die Schultasche und zog einen dicken Aktenordner heraus.
„Für dich doch immer. Lass es uns im Büro gemütlich machen.“ Er legte den Arm um ihre Schulter und führte sie in das große Hinterzimmer. Auf dem Weg dorthin tuschelte er noch kurz mit der Bardame.
Oxana hatte gerade die Unterlagen auf dem Schreibtisch ausgebreitet, da klopfte es. Eine Kellnerin servierte zwei große Gläser Cola mit Eiswürfel und Zitronenscheibe.
Oxana nahm einen Schluck und grinste Nikolaj an. „Du bist ja doch noch lernfähig.“
„Für meine Lieblingsfrau tue ich doch alles“, antwortete er und lächelte zurück.
Nach drei Stunden Vortrag sendete sein Kopf Rauchzeichen und Oxanas Ordner war erst unwesentlich abgearbeitet. Nikolaj begriff langsam, wieso er nur mit Mühe das Abitur bestanden hatte und sie auf eine Eliteschule ging. „Ich brauche eine Pause, sonst platzt mein Kopf. Wollen wir etwas essen gehen?“
„Gerne. Ich dachte schon, du lässt mich verhungern.“
„Käme mir nie in den Sinn. Mein schlauestes Kartellmitglied ist viel zu wertvoll.“ Oxana fühlte sich geschmeichelt und genoss die Anerkennung. Zwanzig Minuten später saßen beide in einem noblen Restaurant. Sie war überrascht, dass der Mafiaboss überhaupt von dessen Existenz wusste. Sie sah ihm die Unsicherheit an, die diese Umgebung bei dem Mann auslöste, der bürgerliche Mahlzeiten gewohnt war.  Das konnte nur bedeuten, er hatte dieses Lokal nur für sie ausgesucht. Er musste sie als wertvoller ansehen, als sie selbst gedacht hatte. Diese Erkenntnis motivierte sie, sich noch mehr Mühe bei der Erklärung des Plans zu geben.
Es war schon Sonntag Nachmittag, als Oxana das letzte Blatt der Akten auf den Tisch legte. Nikolajs Gehirn suchte zu dem Zeitpunkt bereits nach einer weißen Flagge. Nachdem sie den Vortrag beendet hatte, goss er den Inhalt einer Wodkaflasche in ein Colaglas und kippte ihn mit zwei Schlucken herunter. Dann ließ er sich in den Stuhl zurücksinken und schloss die Augen. Oxana glaubte schon, er wäre eingeschlafen, da öffnete er sie wieder.
„Würde ich behaupten, ich hätte alles verstanden, wäre das eine faustdicke Lüge.“ Er öffnete eine neue Flasche Wodka, füllte das Colaglas etwa drei Finger breit nach und kippte den Treibstoff für sein Gehirn herunter. „Aber in groben Zügen habe ich den Plan verstanden. Du bist überzeugt davon, dass es klappt?“
„Sicher kann ich erst sein, wenn ein Anwalt vor Ort alles abgesegnet hat. Aber ja, ich glaube, es wird klappen.“
„Das bedeutet, du musst ein wenig durch Westeuropa reisen?“
„Solche Geschäfte wickelt man nicht am Telefon ab.“
„Dachte ich mir schon. Ich werde Boris darauf ansetzen, die besten Anwälte zu finden und mit Mischa bei seiner Rückkehr darüber sprechen. Er wird dir dann sagen, wie und wann es weitergeht.“ Oxana sah auf die Cartier Uhr. „Wird auch Zeit, dass ich nach Hause komme.“
„Du kannst in der Hauptstadt im Club schlafen, das erspart dir zwei Fahrten mit dem Zug.“
„Gute Idee. Sonst werde ich heute nicht viel Schlaf bekommen.“
„Roman soll dich zum Flughafen fahren. Wir telefonieren, sobald ich mehr weiß.“
Während der Fahrt sah Roman immer wieder das Mädchen an, das ihn so vorgeführt hatte. Derzeit war sie noch ein Kind. Doch jedes Mal, wenn er sie sah, hatte sie mehr Ähnlichkeit mit einer Frau. Er war sich nicht sicher, ob er sich in sie verliebt hatte oder sie nur begehrte. Was damals allenfalls ein witziger Wetteinsatz war, wurde langsam zu einem festen Vorhaben. Ihm war nicht entgangen, dass sie ihn mochte, was nur seine Fantasien weiter anfachte. Oxana war fünfzehn; noch ein Jahr und sie wäre keine verbotene Frucht mehr. Würde er dann seine Chance bei ihr bekommen?
Eine Woche später kehrte Michail von der Reise zurück. Nach einem Gespräch mit Nikolaj besuchte er am folgenden Nachmittag umgehend die Waldhütte.
„Hi Oxana. Kolja hat mir einiges erzählt. Aber ich glaube, deine Ausführungen sind genauer.“
„Hello again, Michail. Ich ahnte schon, dass er den Plan nicht komplett verstanden hat.“
„Dann vervollständige mal mein Wissen.“
„Ich möchte ein Wettbüro und Onlinecasino in Irland eröffnen. Dazu müssen wir nach Irland und dort eine Firma gründen.“
„Warum Irland?“
„Die dortigen Gesetze für Glücksspiel: Wenn auf den britischen Inseln ein Hund auf die Straße scheißt, wetten sie darauf, wie heiß der Haufen ist und stecken dann ein Thermometer da rein.“
„Vielen Dank für diese Bilder“, erwiderte Michail kopfschüttelnd, der gerade in ein mitgebrachtes Sandwich beißen wollte.
„Deshalb ist dort Glücksspiel geduldet – und damit legal. Außerdem können ausländische Firmen dort Steuersätze aushandeln.“
„Und was soll uns das bringen?“
„Ihr werdet wetten – und zwar in Rubel. Das Kundenkonto wird aber in Euro geführt und somit auch ausbezahlt.“
„Aber ist das kein Problem, wenn wir in Rubel einzahlen?“
„Nicht bei Buchgeld, das sind nur Einsen und Nullen. Anders wäre das bei Bargeld.“
„Warum eröffnen wir dann nicht bei Banken Konten und zahlen dort die Rubel ein?“
„Weil die sich was einfallen lassen haben, das sich Geldwäschegesetz nennt. Man darf dort nur sehr geringe Summen einzahlen. Wenn ihr nicht auffallen wollt, bräuchtet ihr einen Monat, um einen Tagesverdienst zu waschen.“
„Oh, und woher wissen wir, dass wir mit der Wette gewinnen?“
„Indem man nach dem Spiel setzt.“
„Kontrolliert das denn keiner?“
„Nur das Wettbüro – und das wird euch kaum verraten.“
„Besteht nicht die Gefahr, mit dem Casino Verluste zu machen?“
„Das sind alles Algorithmen, also reine Mathematik. Der Vorteil ist, wir müssen keinen Gewinn machen. Uns reicht es, wenn wir keinen Verlust machen.“
„Würden unsere Wetten nicht genau das bewirken?“
„Nein, das wären alles Favoritenwetten mit geringer Quote. Dadurch werden auch hohe Einsätze glaubhaft.“
Michail grübelte über die Ausführungen nach. „Und warum zusätzlich noch Zypern und Malta?“
„Beide Länder werden sich bald nach Einführung des Euro dieser Währung anschließen. Dort sehen die Gesetze noch günstiger aus und wir müssen uns nicht darauf verlassen, dass unser einziges Pferd nicht stürzt.“
„Wie sehen deine Pläne aus?“
„Wenn Boris in den drei Ländern die richtigen Juristen gefunden hat, fliegen wir nach Zürich, um deine Kreditkarte holen. Von dort aus nach Dublin, um die Firma zu gründen. Dann zurück über Malta und Zypern nach Hause.“
„Für Irland und Zypern hat er schon welche gefunden. Wann willst du fliegen?“
„In drei Wochen sind Herbstferien. Da ist es kein Problem, wenn ich nicht im Land bin.“
„Gut, dann werde ich alles vorbereiten.“ Nach diesem Gespräch setzte Oxana eine Suppe auf den Herd und die beiden spielten eine Partie Schach, bis das Essen fertig war. Oxana gewann und glich zum 32:32 zwischen ihnen aus.
11.
Oxanas imaginäre Freundin musste erneut herhalten, um der Mutter die Abwesenheit zu erklären. Für Michail war diese Reise etwas Neues. Noch nie hatte er zuvor ein Land besucht, ohne dort illegale Aktivitäten auszuführen. Am späten Nachmittag landeten sie in Zürich. Der Page, der den Bademantel getauscht hatte, schob die Koffer in die bekannte Suite. Er war Anfang zwanzig. Oxana fiel auf, dass er sie mit ganz anderen Augen ansah, als ein Jahr zuvor. Sie begriff, dass Männer sie nicht mehr als Mädchen, sondern als Frau betrachteten. Ihre Brüste waren inzwischen auch nicht zu übersehen, vor allem, an dem zierlichen Körper. Sie wuchsen schneller als der Rest. Mit ihren 1,52 m war Michail für sie immer noch ein Riese, dafür würde sie bald auf C‑Körbchen umsteigen müssen. Nur, wenn sie ärmellose Oberbekleidung trug, fiel der ausgeprägte Bizeps auf, der so gar nicht zu dem sonstigen Körperbau passte. Auf die Schießkünste wirkte er sich positiv aus. Beim Doppelschusstraining hatte sie schon lange keinen Fehlschuss mehr und auf der Scheibe hatte sie einmal sogar 179 Ringe geschafft. Auch im Nahkampf musste Michail inzwischen sein Bestes geben, um die Oberhand zu behalten. Nachdem sie ihm bewiesen hatte, dass sie das Motorrad aufheben konnte, fehlten ihm die Argumente, ihr das Fahren auszureden. Es war schon zu spät, um noch die Bank aufzusuchen. Deshalb ließen sie den Tag in einem Biergarten am Zürichsee ausklingen. Punkt für Punkt gingen sie jeden Schritt des Plans durch. Das Wetter meinte es gut mit ihnen und so wurde es spät, bis sie sich schlafen legten.
Sie ließen sich Zeit mit dem Frühstück, denn es war in Irland eine Stunde früher. Zürich war ideal als Basis der Unternehmung, denn von hier gab es Direktflüge zu allen drei Zielen. Es benötigte fünf Stunden telefonieren, um bei den Kanzleien Termine zu bekommen, die sie zeitlich auch wahrnehmen konnten. Wie gerädert verließen sie, nachdem sie noch einmal geduscht hatten, das Hotel und setzten sich mit kühlen Getränken und Gebäck in einen Park.
„Sind Juristen eigentlich alle so borniert?“, fragte Oxana.
„Sie halten sich für etwas Besonderes und wissen, man ist auf sie angewiesen.“
„Man ist doch nur auf sie angewiesen, weil es sie gibt.“
Michail lachte los. „Da hast du nicht ganz unrecht. Dabei wären sie überflüssig, wenn die Gesetze nicht so interpretierbar wären.“
„Hast du eine Vorstellung, wie viel Zeit es gekostet hat, sich durch den Unsinn durchzulesen?“
„Lass mal überlegen. Die ersten Fachbücher habe ich dir im Februar besorgt, wir haben jetzt Oktober. Ich schätze so sieben bis acht Monate.“
Oxana boxte ihn auf den Oberarm: „Blödmann. Aber ja, es kommt etwa hin.“
„Es ist erstaunlich, wie schnell du dich da durchgearbeitet hast.“
„Das Verrückte ist: Es gibt Gesetze, die sich gegenseitig widersprechen. Eine Handlung kann nach dem einen Paragrafen legal und nach einem anderen illegal sein. Das ist doch verrückt?“
„Und du hast das alles in einem halben Jahr verstanden?“
„Inhaltlich schon, aber nicht den Sinn. Es ist fast so, als würde man die Gesetze so verwirrend gestalten, damit die Parks nicht mit obdachlosen Juristen und Steuerberatern überfüllt sind.“
Michail hielt sich den Bauch vor Lachen. „Das würde uns den Blick auf die Enten versperren.“ Dabei brach er eine Ecke von der Laugenbrezel ab und warf sie in den Teich. Ein Dutzend Enten prügelten sich um den Leckerbissen und die elf Verlierer warteten neugierig auf die nächste Spende, während der Gewinner triumphierend davon schwamm.
Oxana tat es Michail gleich und die Enten kämpften um den Bissen. „Genauso verhalten sie sich, wenn du einen Geldschein zwischen sie wirfst.“
„Der muss aber groß genug sein, die meisten bewegen sich nicht für Klimpergeld.“
Oxana runzelte die Stirn: „Geier.“
„Haie passt besser. Hast du Appetit auf Sushi?“
„Solange der Fisch nicht in Anwaltsroben eingewickelt ist.“
„Versprochen“, antwortete er lachend und erhob sich.
Nachdem Oxana den Weltfischbestand reduziert hatte, fuhren sie zu einem Computerladen und holten den bestellten Laptop ab. Noch im Geschäft überprüfte sie, ob das auf einer CD gebrannte Programm funktionierte. Mit einer Laptoptasche und einem Adapter für fast alle Stromnetze der Welt kehrten sie zurück ins Hotel. An der Rezeption erhielten sie die Flugtickets, die Michail bestellt hatte. Oxana stöhnte auf, als sie darauf die Abflugzeit sah. „6:15 Uhr? Dann sollten wir heute zeitig ins Bett.“
„Ich habe für 4:45 Uhr das Frühstück geordert. Daher stimme ich dir zu.“
Um am folgenden Tag nichts zu vergessen, packten sie alles, was sie für die Reise benötigten, im Laufe des Abends zusammen. Oxana nutzte natürlich die Chance, in dem vornehmen Badezimmer ein Schaumbad zu nehmen. Bei dem, was sie am nächsten Tag erwarten würde, hielt sie Entspannung für die beste Vorbereitung.
Die Stadt lag noch im tiefsten Schlaf, als das Telefon klingelte. Michail bedankte sich für den Weckanruf und begab sich leise ins Bad. Fünfzehn Minuten später weckte er Oxana und zog sich an. Sie hatte sich gerade ebenfalls angekleidet, da servierte der Zimmerservice das Frühstück. Noch keine Ahnung habend wann sie die nächste Mahlzeit bekommen würden, schlugen sie sich den Magen voll und nahmen sich jeder eine belegte Semmel für unterwegs mit. Um 5:30 Uhr stiegen sie ins Taxi und fuhren zum Flughafen. Nur mit Handgepäck bestückt, absolvierten sie schnell den Check‑in und nahmen im Flieger Platz. Obwohl Oxana versuchte, es nicht zu zeigen, sah Michail am krampfhaften Griff um die Laptoptasche ihre Nervosität. Er hatte Verständnis dafür, schließlich war es ihr großer Tag. Wäre die Reise erfolgreich, würde ihr Ansehen im Kartell erheblich steigen. Auch er war beim ersten Einsatz nervös gewesen und zu dem Zeitpunkt fast zehn Jahre älter als sie. Da weder die Schweiz noch Irland Teil des Schengener Abkommens waren, dauerte es über eine Stunde, bis beide endlich in einem Dubliner Taxi saßen. Wie verabredet, betraten sie um kurz vor zehn die Kanzlei und wurden in das Büro des Juristen gebeten. Michail setzte sich etwas abseits, um dem Anwalt deutlich zu machen, wer der Klient war. Oxana baute den Laptop auf und erläuterte dem Mann, der offensichtlich über das taffe Mädchen erstaunt war, die Geschäftsidee. Natürlich vergaß sie, dabei zu erwähnen, dass das Casino hauptsächlich zur Geldwäsche dienen sollte. – Es ging ihn schließlich auch nichts an. Der Anwalt bekam immer größere Augen, je länger Oxanas Vortrag dauerte. Gelegentlich stellte er Fragen und versuchte ansonsten, ihren Redefluss auf dem Notizblock festzuhalten. Man sah ihm die Erleichterung an, als Oxana die Erklärungen endlich abschloss. Die Vorzimmerdame brachte drei Tee und alle gönnten sich ein paar Minuten der Muße.
Nachdem der Jurist ein paar Mal am Tee genippt hatte, fasste er ihren Vortrag zusammen, um sicherzustellen, dass er richtig verstanden hatte, was man von ihm erwartete. In einem Punkt korrigierte Oxana ihn, nickte ansonsten aber zu den Ausführungen. Als er alles zusammengefasst hatte, nahm er ein Diktiergerät und besprach dies mit den notwendigen Vorgängen.
Dann wandte er sich an die beiden Gäste. „Es wird etwas dauern, alle Vollmachten und Verträge aufzusetzen. Darf ich Sie zum Essen einladen?“
„Sehr gerne, dann brauchen wir nicht auf gut Glück nach einem Restaurant zu suchen und hoffen, die richtige Wahl getroffen zu haben“, erwiderte Oxana. Michail hatte sich die ganze Präsentation angeschaut und darüber geschmunzelt, wie das kleine Mädchen den erfahrenen Juristen dominiert hatte. Besonders bemerkenswert fand er, dass der Anwalt nicht einmal merkte, dass Oxana mit ihm Schlitten fuhr. Nach dem Essen kehrten sie zurück in die Kanzlei, wo die beiden mehrere Vollmachten unterschreiben mussten. In allen Papieren stand sie als Firmenchefin und Michail war bis zu ihrem 18. Geburtstag als Vormund eingetragen. Man einigte sich auf ein weiteres Treffen eine Woche später, um die Verträge zu unterzeichnen.
Dass die Autos hier auf der ihrer Meinung nach falschen Seite fuhren, war beiden nicht geheuer. Deshalb rief Michail am Flughafen an und erfuhr, dass eine Umbuchung möglich war. Pünktlich für ein Abendessen verließen sie in Zürich wieder den Flughafen. Die Tickets für die folgende Woche erwarben sie direkt nach der Landung und so hatten sie einen unerwarteten freien Tag vor sich. Jeder mit einem Salat und sich eine Käseplatte teilend, feierten sie den ersten Erfolg der Reise.
„Willst du die Casinos eigentlich selbst leiten?“
„Als Aufsicht ja, aber für die Wettquoten holen wir uns lieber einen Mathematiker. An guten Leuten mangelt es in dem Bereich nicht in Russland.“
„Stimmt, früher waren die meisten damit beschäftigt, für uns Nachrichten zu dechiffrieren.“
„Wichtig ist, dass die Casinos existieren, bevor der Euro eingeführt wird. Wir sind ja nicht auf die Einnahmen angewiesen.“
„Warum ist der Euro eigentlich so wichtig für deinen Plan?“
„Der Dollar ist eine Währung, die einzig von der FED kontrolliert wird. Theoretisch könnten sie ihn von heute auf morgen stark auf‑ oder abwerten. Beim Euro hängen aber viele Länder an der Währung und in der EU hat jedes Land ein Vetorecht, womit es jede Entscheidung verhindern kann. Es wird nie passieren, dass sich in dem Punkt alle Länder einig sind.“
„Du meinst also, er ist stabiler als der Dollar?“
„Ja, aber sagen wir mal so, wenn eine der beiden Währungen zusammenbricht, haben wir größere Probleme als Geld.“
„Und welche?“
„Kommt auf den amtierenden amerikanischen Präsidenten an. Wäre die USA pleite, würden sie wohl einen Krieg anfangen. Europa ist ein militärischer Verbündeter und Russland zurzeit kein Gegner. Ich tippe auf China.“
„Du weißt schon, dass die Atombomben haben?“
„Das meinte ich mit anderen Problemen. Bricht der Euro ein, wird sich die demokratische Struktur Europas nicht aufrechterhalten lassen. Schätze, dann sind wir in unserem Dorf an einem der friedlichsten Orte auf der Welt.“
„Da kann man nur hoffen, dass das nicht zu unseren Lebzeiten passiert.“
„Darauf lege ich auch keinen Wert. Auch, wenn wir privilegiert sind.“
„Warum denn das?“
„Wir haben Waffen und können damit umgehen.“
„Du sprichst von einer weltweiten Anarchie?“
„Wenn sie ihre Soldaten nicht bezahlen können, werden mehr Waffen auf sie gerichtet sein, als sie selbst haben. Halte ich für die logische Folge.“
„Bei den Prognosen braucht man starke Schlaftabletten.“
„Wäre dir lieber gewesen, ich hätte dich angelogen?“ Oxana stützte ihr Kinn mit beiden Fäusten ab und schaute Michail ernst an.
„Fast. Für wie wahrscheinlich hältst du die Prognose?“
„Eigentlich ist es nicht die Frage, ob, sondern wann es geschehen wird. Aber natürlich werden die aktuell Herrschenden alles daran setzen, dieses zu verhindern. Daher besteht eine gute Chance, dass wir schon Wurmfutter sind, wenn es eintrifft.“
„Du glaubst also, eher in 100 als in 10 Jahren?“
„Denke eher in 100 bis 150 Jahren.“
„Was glaubst du, wird dann passieren?“
„Die Menschen werden sich solange gegenseitig umbringen, bis die Bevölkerung so weit reduziert ist, dass die Verbliebenen keine Konkurrenz mehr um die vorhandenen Ressourcen darstellen.“ Michail steckte sich ein Stück besonders würzigen Bergkäse in den Mund, um den fahlen Geschmack loszuwerden, den Oxanas Prognosen erzeugt hatten. Während das Aroma die Geschmacksnerven aufjubeln ließ, dachte er daran, dass ihm dann ein solcher Genuss verwehrt werden würde. „Du meinst also, weil der Euro durch das Vetorecht vor schnellen Veränderungen geschützt ist, eignet er sich am besten für unser Vorhaben?“
„Bist doch nicht so doof, wie du aussiehst.“ Sie steckte sich eine Gabel voll Salat in den Mund und grinste ihn schelmisch an.
„Möchte dein Po Bekanntschaft mit meiner Hand machen?“
„Das schaffst du nicht, dazu hast du mir zu viel beigebracht.“
„Aber nicht alles!“ Beide grinsten sich an, während sie sich gegenseitig aufzogen.
Am Tag darauf fuhren sie nach Altdorf. Die Bewohner des Kantons Uri lebten durch die Berge wie in einem Kokon. Das Tal war durch diese und den Vierwaldstättersee fast komplett eingeschlossen. Zunächst besuchten sie den Marktplatz mit dem Tell‑Denkmal, wo gerade ein einheimischer Fremdenführer auf seine Gruppe wartete. Begeistert erzählte er den beiden unerwarteten Touristen die Geschichte von dem Apfelschuss, als hätte sie tatsächlich stattgefunden und wäre keine Erfindung von Schiller. In vorbildlicher Wanderkleidung gingen sie danach zum ältesten Kapuzinerkloster der Schweiz, das allerdings nur noch für Besichtigungstouren genutzt wurde. Von dort wanderten sie durch die Gebirgspässe bis Sisikon, wobei sie auch an der Tellskapelle vorbeikamen. Erschöpft und ausgehungert setzten sie nach Luzern über. Während der knapp zweistündigen Fahrt genossen sie die vorzügliche Küche und hatten die Strapazen des Tages wieder vergessen, als sie von Bord gingen. Im Anschluss an einen Pflichtbesuch des Löwendenkmals und der Kapellbrücke mit Wasserturm kehrten sie ins Verkehrshaus der Schweiz ein. In dem Museum bestaunten sie Lokomotiven, Autos, Schiffe und Flugzeuge sowie Exponate aus dem Bereich Kommunikation. Am späten Abend konnten sie im hauseigenen Planetarium den Sternenhimmel über der Schweiz bewundern. Die wissbegierige Oxana war so fasziniert, dass sie den eigentlichen Grund der Reise für ein paar Stunden komplett vergaß. Erschöpft fielen beide kurz vor Mitternacht ins Hotelbett.
Gegen Mittag verließen Michail und Oxana am folgenden Tag auf Malta das Flugzeug. Nach zwanzigminütiger Taxifahrt spielte sich dann in der Kanzlei des Juristen eine ähnliche Szenerie ab, wie zwei Tage zuvor in Dublin. Hier war aber die Bürokratie weniger umständlich und so konnten sie noch am selben Tag die Verträge unterschreiben. Ein Konto mit zehntausend und eine Barzahlung von fünftausend Franken besiegelten die Gründung des Casinos. Erstaunt darüber, wie leicht es gewesen war, alle Formalitäten zu erledigen, flogen sie am Abend zurück.
Michail hatte am nächsten Tag eine besondere Überraschung für Oxana. Verwundert löcherte sie ihn mit Fragen, als sie bemerkte, dass es erneut zum Flughafen ging. Doch er setzte sein Pokerface auf und ließ sie im Ungewissen, was ihm böse Blicke ihrerseits einbrachte. Weniger als eine Stunde später landete das Flugzeug schon wieder und sie sah auf einem Schild, wohin er sie entführt hatte: 'Geneve'. War Schweizerdeutsch lustig anzuhören, war der hier übliche Mischmasch aus französischen Mundarten gewöhnungsbedürftig. Nur mit Mühe konnte sie aus den Wörtern einen sinnvollen Satz zusammenbasteln. Doch Michail schien nicht in Genf bleiben zu wollen, denn er suchte sofort ein Taxi, das sie aus der Stadt herausfuhr. Vor der Statue der Göttin Shiva endete die Fahrt. Staunend betrachtete sie das Schild am Eingang des Gebäudes. 'European Organization for Nuclear Research'
Michail nannte am Empfang seinen Namen und eine Minute später erschien ein Mittdreißiger mit dem blauen Logo des Cern‑Institutes auf der weißen Jacke. Er begrüßte die Gäste und stellte sich als Dr. Ivanow vor. Oxana wusste zwar, wo sie war, doch hätte sie nie gedacht, dass man als Besucher so einfach Zutritt bekäme. Noch erstaunter war sie, als der Gastgeber sie in perfektem Russisch empfing.
„Ich freue mich, mal wieder Landsleute zu empfangen.“
„Ich bin überrascht, dass ein Landsmann hier arbeitet“, antwortete Oxana. „Wir sind hier alle Wissenschaftler. Eine Trennung nach Nationen gibt es nicht. Wäre bei aktuell 151 vertretenen Ländern auch schwierig.“
„Das sind ja fast alle Länder der Welt?“, konnte Oxana das Erstaunen nicht verhehlen.
„Wir sind sehr stolz darauf, so multikulturell zu sein. Natürlich hilft es uns, dass in der Wissenschaft alle Englisch sprechen und es so keine Sprachbarrieren gibt.“
„Wäre sonst auch ein biblisches Babylon.“
Der Mann lachte auf: „Käme dem in der Bibel Beschriebenen zumindest sehr nah.“
„Gibt es denn keinen Streit zwischen Mitarbeitern unterschiedlicher Nationen?“
„Sehr selten, schlimmer ist es zwischen Gläubigen und Atheisten.“
„Wieso denn das?“
„Weil die Gläubigen alle Theorien ablehnen, die Gott überflüssig machen würden.“
Oxana und Michail sahen sich an und zogen gleichzeitig die Augenbrauen hoch.
„Folgen Sie mir bitte“, sagte Ivanow und schritt los.
Die Führung ging durch Labors, die an Klassenräume mit riesigen Wandtafeln erinnerten. Bereitwillig erklärten die Wissenschaftler den Besuchern, welche Theorie sie versuchten zu beweisen oder zu widerlegen. Sie wirkten etwas überrascht, als das Mädchen Fragen stellte, die nur den Schluss zuließen, dass sie die Ausführungen verstanden hatte. Es folgte eine Besichtigung des Teilchenbeschleunigers, was für jeden Besucher ein Highlight ist. Erst wenn man die fast geraden Röhren sieht, begreift man, wie riesig die kreisrunde Anlage sein muss. Zum Abschluss kamen sie zu einer Fotogalerie von Leuten, die besondere Verdienste für das Institut erlangt hatten. Das letzte Bild schmückte das Gesicht von Timothy John Berners‑Lee, dem Erfinder des Internets. Nach mehr als vier Stunden endete die Besichtigung in der Kantine dieser Kleinstadt. Ein Blick auf die Speisekarte ließ vermuten, dass Schnitzel, Pommes, Currywurst, Pizza und Hamburger die bevorzugten Gerichte dieser intelligenten Menschen waren, was sie gleich als doch nicht so schlau erschienen ließ. Bei Kaffee und Kuchen am Genfer See genossen Michail und Oxana die Nachmittagssonne, bevor sie wieder zurückflogen.
Abgesehen davon, dass der Flug eine Stunde länger dauerte, spielte sich auf Zypern das Gleiche ab wie auf Malta. Die folgenden zwei Tage wanderten sie durch die Schweizer Alpen, bevor es noch einmal Richtung Irland ging. Nach dem Lesen von über 160 Seiten Verträgen und zweiundzwanzig Unterschriften, gehörten Oxana ein Konto auf den Cayman Islands, eine Briefkastenfirma in Panama, ein Büro in Kilkenny und eine Lizenz für Glücksspiel. Am späten Nachmittag hüpften sie mit dem Flugzeug nach Heathrow und stiegen im Mandarin Oriental am Hyde Park ab. Während Michail nur duschte und dann die Sauna aufsuchte, entspannte Oxana bei einem Schaumbad. Als Big Ben 21 Uhr schlug, brachte der Zimmerservice Hummer und Champagner aufs Zimmer. Den Erfolg zu feiern, ließ die ganze Anspannung von ihnen abfallen. Leicht beschwipst, fielen sie gegen Mitternacht ins Bett.
Der Direktflug nach Irkutsk ging erst einen Tag später. So hatte Michail einen ganzen Tag, um Oxana London zu zeigen. Natürlich ein unzureichender Zeitraum, doch für den wichtigsten Ort reichte es – Harrods! Obwohl sie das wohl anders sah: Er hätte sie dort auch eine ganze Woche absetzen können, ohne dass bei Oxana Langeweile aufgekommen wäre. Um ihre komplette Beute unterzubringen, musste sie zwei neue Koffer kaufen. Auch Michail fand ein paar interessante Stücke, die allerdings zum größten Teil für Svetlana gedacht waren. Am letzten Abend hatte er den Entschluss gefasst, es zu wagen, mit ihr eine Familie zu gründen. Obwohl ihm die Feier vom Vorabend gefallen hatte – mit ihr wäre es schöner gewesen. Da er Oxana die englische Kochkunst nicht zumuten – oder sich ihre Kommentare dazu ersparen – wollte, besuchten sie im Anschluss ein indisches Restaurant. Oxana, für die diese pikante Küche neu war, hatte nachher mehr Milch getrunken, als von dem Gericht gegessen. Außer dass es etwas zu feurig war, fand sie das Curry‑Hühnchen sehr gut. Michail erzählte, dass das Essen nur eine gemilderte Würze hatte und die Inder selbst so stark würzten, dass bei Europäern ernste Herzprobleme auftreten konnten. Angesichts des brennenden Mundes konnte sie sich nicht vorstellen, dass sich die Schärfe noch steigern ließ. Sie brachten die neuen Koffer ins Hotelzimmer und machten danach eine Stadtrundfahrt mit einem der Sightseeing‑Busse. Bei der Rückkehr zahlte Michail im Hotel für den Aufenthalt und gab noch eine Bestellung auf. Sie waren erst wenige Minuten zurück in der Suite, da klopfte es. Oxana beobachtete erstaunt, wie Michail aufstand und öffnete. Ein Mann trat einen Schritt ins Zimmer. Die beiden küssten sich, wie es bei Russen üblich ist, auf die Wangen.
„Hallo Boris, auf die Minute pünktlich, wie immer.“
„Hallo Mischa, gehört zum Job.“
„Komm rein, Essen wird auch gleich gebracht.“ Die Männer traten in die Suite und Michail wendete sich an Oxana. „Das ist Boris. Wenn du in Westeuropa irgendetwas über eine Grenze bringen musst, was Zöllner nicht mögen, ist er der richtige Mann.“
„Und das ist dann wohl Oxana, der aufgehende Stern unseres Vereins? Freut mich, dich endlich kennenzulernen, nachdem ich so viel von dir gehört habe.“ Boris streckt Oxana die Hand entgegen.
„Ich hoffe nur Gutes.“ Sie sah Michail vorwurfsvoll an: „Besteht euer ganzer Verein aus Petzen?“
Die Männer lachten los. „Was sagst du, Boris, ist sie nicht ein Herzchen?“
„Wenn meine Informationen zu eurer Reise stimmen, auf jeden Fall ein verdammt cleveres.“
„Du hättest sehen sollen, wie Oxana mit den Anwälten Schlitten gefahren ist.“
„Ich hätte lieber gesehen, wie sie mit Roman den Boden aufgewischt hat.“ Er wendete sich an Oxana. „Du hast wirklich 178 Ringe geschossen?“
Michail antwortete für sie. „Inzwischen hat sie sogar eine 179 geschossen.“
„Hätte nie gedacht, dass es mit diesen Waffen aus dem Zweiten Weltkrieg möglich ist.“
„Gäbe es den KGB noch, hätte sie die Chance, die erste Frau zu werden, die den Laden leitet.“
„Du willst mir also sagen, die ganzen unglaublichen Geschichten, die zu mir vorgedrungen sind, entsprechen der Wahrheit?“ Der Zimmerservice klopfte und brachte das bestellte Abendessen. Während der Page alles vom Servierwagen auf den Tisch stellte, betrachtete Oxana Boris genau. Sie schätzte ihn auf Mitte dreißig. Er war etwa zehn Zentimeter kleiner und drahtiger als Michail. Ihr Mentor sah mit den breiten Schultern auf den ersten Blick stärker aus, doch bei näherem Hinsehen erinnerten Figur und Bewegungen von Boris sie an Eastern‑Filme. Er würde sich im Wald nicht wie ein Trampel verhalten, dessen war sie sich sicher. Bestimmt wurde er oft unterschätzt. Je voller der Tisch wurde, desto mehr Aufmerksamkeit erhielt dieser von ihr. Michail hatte bei der Bestellung kaum etwas vergessen, was sie gerne mochte. Die vier Flaschen Absolut Oak Wodka ließen sie die Stirn runzeln. Sie hatte mal an dem Zeug genippt und verstand nicht, dass die Männer dieses Gesöff wie Wasser herunterkippen konnten. Zu ihrer Freude stellte sie fest, dass der Page den Kühlschrank mit Colaflaschen füllte. Sie setzte sich an den Tisch und inspizierte die aufgetragenen Speisen. Ein Teller mit zwei Dutzend Riesengarnelen, drei verschiedene Dips, eine Schüssel gegrillte Champignons, eine Platte mit dreißig halben gekochten Eiern inklusive Kaviarhaube, zwanzig Baguettescheiben mit Lachs und ein Thunfischsalat, dessen drei weitere Hauptbestandteile Käse, Eier und Zwiebeln waren. Sollten zusätzliche Zutaten in dem Salat sein, stände auf einer Verpackung 'enthält Spuren von'. Auf den Tellern der Männer lagen jeweils ein großes Steak und ein paar Fritten. Ihren zierte ein Meeresfrüchtesalat auf einem Spinatbett. Ein mit Eiswürfeln gefüllter Sektkühler für die Cola vervollständigte die Mahlzeit. Boris bereitete zwei Wodkagläser zu. Michail nahm ein drittes, füllte es mit Cola und reichte es Oxana. „Auch wenn es gemogelt ist, stoßen wir auf das erfolgreiche Geschäft vernünftig an.“
Boris grinste: „Gemogelt ist sehr charmant umschrieben.“
Die drei ergriffen die Gläser, stießen an und tranken in einem Zug aus. Dann warfen sie sie mit voller Kraft hinter sich an die Wand, wo sie zerschellten. Es durfte nach russischem Brauch nie wieder für einen geringeren Anlass benutzt werden. Die beiden Männer nahmen sich ein neues Glas und füllten auf, während Oxana den Rest der Cola in ein Colaglas schenkte und einen Eiswürfel dazu gab.
Erst als alle die Teller geleert hatten und sich an den anderen Köstlichkeiten vergingen, führten sie das Gespräch fort. Boris interessierte, welche Rolle ihm zugedacht war. Oxana erklärte es und er wiederholte alle Anweisungen in ein Diktiergerät. Dabei sprach er in einem mongolischen Dialekt, den sie gelegentlich in der Hauptstadt gehört hatte und den nur ein sehr kleiner Kreis verstand. Er sah ihr verwundertes Gesicht und erklärte: „Um das Gerät abzuspielen, muss man vorher einen Code eingeben. Macht man das nicht, läuft das Band in einer falschen Geschwindigkeit. Bei dem Dialekt ist die Betonung entscheidend, daher versteht man ihn nur in der richtigen Geschwindigkeit.“
„Ich kenne das vom Mandarin. Da kann das gleiche Wort je nach Betonung bis zu fünf verschiedene Bedeutungen haben.“
Boris hielt die Kreditkarte aus dem Züricher Bankschließfach hoch. „Die Karte brauchst du wahrscheinlich nicht für die Geschäfte.“
„Nein, der Anwalt in Dublin hat ein Konto eingerichtet, das von einem Konto auf den Caymans gefüttert wird.“
„Ich soll also nur dem Computerfuzzi die Hardware besorgen und das Büro zeigen?“
„Genau, alles, was dort ankommt, wird sofort nach Irkutsk geschickt. Das Büro fungiert nur als Relaisstation. Deshalb ist die Geschwindigkeit dort das Wichtigste.“
„Warum Kilkenny?“
„Wegen der vielen Firmen haben sie dort das schnellste Netz in ganz Großbritannien. Behauptet zumindest der Anwalt.“
„Vertraust du ihm dabei?“
„Natürlich nicht, es hätte noch zwei andere Städte gegeben, wo der Anschluss genauso schnell ist.“
„Er hat also nicht direkt gelogen?“
„Allenfalls etwas übertrieben. Aber die beiden anderen Städte hätten ungünstiger gelegen. Daher war die Wahl schon in Ordnung.“
„Kilkenny ist nicht die schlechteste Wahl – brauen ein gutes Bier.“ Die Männer lachten über den Witz, während Oxana zum ersten Mal im Leben dachte: 'Männer.'
„Hast du eine Wohnung in London oder wohnst du im Hotel?“, fragte ihn Michail.
„Wohnung wäre eine Übertreibung. Bett, Bad und Teeküche auf 18 m². Aber zum Übernachten reicht es und es liegt in einer sicheren Gegend.“
„Also keine Villa wie in Frankfurt?“ An Oxana gerichtet, sprach er weiter. „Den Palast musst du dir irgendwann mal ansehen.“
„Ich werde auch in so einem Palast wohnen, wenn ich den richtigen Milliardär zum Heiraten gefunden habe.“
„Ihm sollte aber ein Halsband stehen.“ Oxana und Michail lachten los.
Boris fragte verwundert: „Was ist daran so lustig?“
Michail erwiderte: „Insiderwitz. Ich erkläre es dir bei Gelegenheit.“
„Petze, kannst du nichts für dich behalten?“
„Jetzt bin ich erst recht neugierig.“
Michail erzählte ihm, was Oxana mit den Jungen im Dorf angestellt hatte.
Boris krümmte sich vor Lachen. „Hört sich an, als wäre sie Marias Schwester.“
„Dich wird kaum verwundern, dass die beiden dicke Buddys sind.“
„Wir armen Männer.“
„Zum Glück sind nicht alle Frauen so drauf.“
„Was ist eigentlich mit deiner Maus?“
„Glaube, ich werde mit ihr Ernst machen, sobald der Bruder auf eigenen Beinen steht.“
„Glückwunsch, ist ein sehr hübsches Mädel.“
„Habt ihr Männer auch noch andere Themen, außer Saufen und Frauen?“
„Ich glaube, die Dame braucht mal wieder einen Sklaven, um sich abzureagieren.“
„Bring sie nicht auf dumme Gedanken, Boris. Ich habe schon Albträume, wenn ich allein unterwegs bin. Das Schlimme ist, ich bin schuld daran, dass die Jungen ihr körperlich nicht gewachsen sind.“
„Was hast du getan?“
„Sie in Systema ausgebildet. Fühl mal ihren Bizeps.“
Boris ergriff den Oberarm und pfiff: „Nicht schlecht, für so ein zierliches Persönchen.“
Sie wechselten das Thema und Boris erzählte Anekdoten von seinen Schmuggelabenteuern. Überraschend wenig war von den aufgetragenen Speisen übrig, als Boris ein Taxi orderte und sie kurz nach dem Abschied ins Bett gingen.
12.
Am Abend des folgenden Tages landeten die Geschäftsreisenden in Irkutsk. Oxanas Mutter erwartete die Tochter noch nicht zurück und so beschlossen beide, die Zeit in dieser Stadt zu verbringen. Es war schon spät und der Sexclub bereits geöffnet, als sie das Lokal betraten. Ein leicht angetrunkener Gast erblickte Oxana. „Habt ihr ein neues Mädchen? Was kostet die?“
„Dein Leben“, hörte man Nikolajs Stimme, bevor dieser auf die beiden Ankömmlinge zuging. Der Gast entfernte sich schnell.
Nikolaj nahm Oxanas Hand und hauchte mit einer Verbeugung einen Kuss darauf. „Bin erfreut, meine Lieblingsfrau zu sehen. Hat alles geklappt?“
„Besser als erwartet“, antwortete sie. Nikolaj begrüßte Michail und führte beide ins Büro. Die Bardame folgte mit einem Tablett und servierte eine Flasche Wodka, außerdem ein Glas Cola mit Zitronenscheibe für Oxana. Nachdem die Kellnerin den Raum verlassen hatte, holte Nikolaj Wodkagläser aus dem Schreibtisch, schenkte sie voll und schob eines zu seinem Freund.
„Dann bringt mich auf den neuesten Stand“, wandte er sich an Oxana.
„Wenn Boris bestätigt, dass die Computer geliefert und angeschlossen sind, können wir jederzeit anfangen, Nikolaj.“
„Kolja, mein Schatz. Du gehörst doch jetzt zur Familie. Aber dazu müssen wir erst darauf anstoßen.“
Er holte ein Schnapspinnchen hervor und füllte es aus der Wodkaflasche. Alle drei stießen an und leerten die Gläser auf ex. Oxana schüttelte sich, nachdem die Flüssigkeit auf der Speiseröhre eine Brandspur hinterlassen hatte, woraufhin die beiden Männer loslachten. Schließlich befand sich in ihren Gläsern die fünffache Menge.
„Wie könnt ihr das Zeug nur so runterschütten?“
Michail nahm die Flasche und füllte neue Gläser erneut voll.
„Dann bin ich ab heute auch Mischa für dich“ und erhob das Glas. Nikolaj ergriff sofort seines und wartete, bis Oxana ihres in die Hand genommen hatte. Sie blickte es an und spürte die Gänsehaut, wusste sie doch jetzt, was sie erwartete. Aber sie wollte nicht kneifen und so stieß sie mit den Männern an und leerte das Glas. Dabei bemerkte sie, dass die Wirkung schon nicht mehr so schlimm war und ahnte, wenn man genug davon trank, gewöhnte man sich daran. Trotzdem spülte sie mit einem Schluck Cola nach. Erneut wurden die Gläser Opfer der Wand.
Nikolaj wechselte wieder zum Geschäftlichen. „Ich habe ein Büro hier in der Stadt so eingerichtet, wie du es beschrieben hast. Morgen Abend stelle ich dir den Mathematiker vor, den du verlangt hast. Muss sonst noch etwas erledigt werden?“
„Sag ich dir morgen Abend, nachdem ich mich mit ihm unterhalten habe.“
Nikolajs Telefon klingelte einmal, verstummte aber sofort wieder.
„Dann lasst uns zurück zu den anderen gehen, ich habe eine Überraschung für euch.“
Oxana und Michail sahen sich verwundert an und folgten dem Freund in den Club. Dort wartete an Nikolajs Tisch eine riesige Pizza auf die drei. Mit großen Augen verfolgten die Männer Oxanas Vernichtungskrieg. „Sag mal, Mischa, wo steckt die das hin?“
„Das frage ich mich auch oft.“
Oxana sah die beiden unschuldig an: „Ich muss doch noch wachsen“, was die Männer loslachen ließ. In Wirklichkeit merkte sie, dass jeder Bissen die Wirkung des Alkohols, ein für sie noch neues und unangenehmes Gefühl, minderte.
Zwei Männer des Kartells betraten das Lokal, begrüßten die drei und machten sich auf die Suche nach einer Prostituierten, mit der sie auf ein Zimmer verschwinden konnten. Die Gäste waren von der Szene am Tisch verwirrt. Ein auffallend hübsches Mädchen saß dort mit dem Boss und man ging mit ihr wie eine von ihnen um. Sie kannten es nicht anders, als dass Frauen nur spärlich bekleidet bei Nikolaj sitzen durften. Doch diese junge Dame war normal gekleidet und wurde mit höchstem Respekt behandelt; ja fast sogar, als würde sie im Kartell über Nikolaj stehen. Oxana leerte das Colaglas, hob es in Richtung der Bardame, die daraufhin eine halbe Minute später mit einem vollen an den Tisch stürmte. Die Verwirrung steigerte sich noch, als Maria den Club betrat. Sie begrüßte zunächst Oxana wie ihre beste Freundin und dann erst Nikolaj. Trotzdem schien dieser nicht brüskiert zu sein. Maria setzte sich an den Tisch und unterhielt sich mit Oxana, als wären sie allein. Dort saßen sonst nur Nikolajs engste Freunde, Mädchen zur Unterhaltung oder Männer, die ein Anliegen hatten. Nikolaj war normalerweise der Mittelpunkt der Tischgemeinschaft. Nicht so an diesem Tag. Trotzdem verfolgte er mit Michail das Gespräch der Frauen und lachte mit dem Freund über dessen Inhalt. „Wann kommt morgen der Mathematiker, Kolja?“, fragte Oxana.
„Willst du mit Maria weg?“
„Ja, sie möchte Unterstützung bei einem Kunden.“
Im Chor antworteten die Männer lachend: „Der Ärmste.“
Dann sagte Nikolaj: „Reicht, wenn du um 21 Uhr hier bist. Viel Spaß.“
„Den haben wir immer, wenn wir einen Wurm zerquetschen“, erwiderte Maria. Die Frauen verabschiedeten sich von den Männern und verließen den Club.
Dreißig Minuten später erreichten die beiden ungewöhnlichen Freundinnen Marias Grundstück. Nachdem sie sich umgezogen hatten, warteten sie an dem Gartentisch sitzend auf den Kunden und tranken Cocktails – Oxana, einen ohne Alkohol. Der Freier betrat den Garten und war erstaunt, Maria schon dort zu treffen. Noch überraschter war er darüber, dass sie nicht allein wartete. Verunsichert trat er zum Tisch, wurde aber von den Frauen ignoriert. Gerade als er den Mut gefasst hatte, sie anzusprechen, sah Oxana ihn an wie einen Hund, der auf dem Rasen einen Haufen hinterlassen hatte. „Hat so ein Sklave auszusehen?“
„Nein, Madam.“
„Das heißt Gräfin Oxana. Pack deine Kleidung dort in den Korb und leg das Halsband an, das sich darin befindet.“
„Ja, Gräfin Oxana“, antwortete er irritiert.
Tonlos kichernd beobachteten die Freundinnen, wie der Mann zu der fünf Meter entfernten Kiste dackelte, sich auszog und das lederne Band am Hals verschloss. Dummerweise ging er zu den Frauen zurück, die über die für einen Sklaven ungebührliche Haltung wenig erfreut waren.
„Darf ein Sklave vor seinen Herrinnen stehen? Auf den Boden, du Wurm.“
„Verzeiht, Gräfin Oxana.“
Während er sich auf den Boden kniete, begab sich Maria hinter ihn. Kaum hatten seine Knie den Rasen berührt, legte sie ihm einen Knebel an und sicherte diesen und das Halsband mit kleinen Vorhängeschlössern. Oxana musste sich derweil beherrschen, nicht loszulachen. Der Mann war nicht nur beschnitten, was für sie schon ein neuer Anblick war, sondern trug auch einen Ring durch die Eichel. Das Schmuckstück animierte ihre Fantasie augenblicklich zu einer Unzahl gemeiner Handlungen. Maria setzte sich wieder an den Tisch, nahm einen dicken Analplug aus Kristallglas in die Hand und salbte ihn mit Gleitöl. Der Sklave weitete die Augen, angesichts des Durchmessers.
„Umdrehen und Hintern hoch.“
Die Frauen erhoben sich. Maria hielt den Plug gegen seine Rosette und Oxana drückte ihn mit dem Absatz der hohen Stiefel in den Anus. Trotz des Knebels war zu vernehmen, dass dies für den Mann nicht schmerzfrei war. Sie setzte sich wieder an den Tisch und sah Maria dabei zu, wie sie den Sklaven disziplinierte.
„Wenn du Wurm dich bewegen solltest – ich habe den Stöpsel auch noch in größeren Ausführungen.“
Vor seinen Augen nahm sie den langen dünnen Rohrstock in die Hand. „Für dein Fehlverhalten bei der Ankunft hast du dir eine Strafe verdient.“ Maria ging um den Mann herum und fragte Oxana: „Sechzehn oder vierundzwanzig Schläge?“
„Vierundzwanzig und sechs zusätzliche, weil er bei meinem Anblick gesabbert hat.“
„Wie sie meinen, Gräfin. Wollen Sie die sechs selbst ausführen?“
„Selbstverständlich, Lady Maria.“
Interessiert beobachtete Oxana, wie Marias Schläge Striemen auf dem Gesäß hinterließen. Dann stand sie auf und verabreichte weitere sechs, besonders harte Hiebe. Danach tuschelte sie mit Maria, die daraufhin die Kiste mit der Kleidung und die leeren Gläser nahm und im SM‑Keller verschwand. Oxana setzte sich wieder an den Tisch und wartete auf ihre Rückkehr. Mit dem Stock spielte sie an dem Plug, indem sie diesen tiefer in das Rektum des Mannes drückte. Sein Po zuckte dabei, was sie nur noch mehr motivierte. Maria kehrte zurück, stellte zwei neue Getränke auf den Tisch sowie die von Oxana gewünschten Spielzeuge. Zusammen legten sie dem knienden Sklaven Manschetten aus Leder um die Gelenke. Dann befestigten sie zwischen den Füßen und den Händen jeweils eine Spreizstange. Maria zog den Karabiner einer Leine durch den Penisring und hakte ihn am Halsband ein. Zuletzt stellte Oxana einen leeren Trinknapf für Hunde vor den Sklaven. Den Kunden wehrlos gemacht, setzten die Frauen sich wieder an den Tisch und genossen die Getränke. Gelegentlich haute eine von ihnen mit einer Gerte auf den blank liegenden Po und machte Witze über die entwürdigende Stellung.
Es war Maria, deren Blase sich als Erstes meldete. Sie stand auf, stellte sich vor den Mann, öffnete den Body und hockte sich über den Napf. Nachdem sie ihn bis zum Rand gefüllt hatte, löste sie den Knebel und befahl ihm, den Natursekt aufzulecken. Als er ausgetrunken hatte, legte sie ihm den Knebel wieder an. Oxana nahm die Leine und spazierte mit dem Sklaven durch den Garten. Aufgrund der Spreizstangen konnte er sich nicht schnell vorwärts bewegen und so verursachte jeder Zug an der Leine, dass das Glied schmerzhaft in die Länge gezogen wurde. Nach diesem Rundgang durch den Garten füllte auch Oxana den Napf und nahm ihm den Knebel wieder ab. Unter Gertenschlägen der Frauen hatte er diesen ebenfalls zu leeren. Danach wurde er von den Stangen befreit und in den Keller geführt, wo die Freundinnen ihn die nächsten Stunden in erniedrigenden Stellungen misshandelten.
Am Nachmittag des folgenden Tages sperrten sie ihn in eine der Gruben ein und erleichterten sich über dem Gitter auf ihn. Dann duschten sie, zogen sich um und gingen essen. Bei Pasta‑Kreationen des neu eröffneten italienischen Restaurants tauschten sie ihre sexuellen Fantasien aus. Um 19 Uhr bezahlten sie und während Maria nach Hause fuhr, um den Kunden weiter zu bespaßen, schlenderte Oxana zu Nikolajs Club.
Nachdem sie den Club betreten hatte, erkannte sie bei Nikolaj und Michail am Tisch einen fremden Mann. Er repräsentierte alle schlechten Klischees über Nerds: Hager, blass und Nickelbrille. Nur dem Alter für Aknepickel war er schon entwachsen.
„Hallo Mischa und Kolja.“
„Hallo Oxana, setzt dich zu uns“, erwidert Nikolaj.
Einige Gäste drehten sich um, erstaunt darüber, dass ein Mädchen den Boss mit Kosenamen ansprach.
Nikolaj ergriff ihre Hand und gab ihr einen Handkuss. „Das ist Sascha. Er hat im Sommer an Harvard den Abschluss in Mathematik gemacht.“
Die Bardame eilte herbei und servierte Oxana Cola. Nach einem Schluck des gut gekühlten Getränkes begrüßte sie Sascha und führte mit ihm ein Gespräch, bei dessen Inhalt die beiden älteren Männer bald das Handtuch warfen. Sascha und Oxana verstanden sich aber prächtig und nach nur fünfzehn Minuten reichten sie sich die Hände.
Dann wandte sie sich an Nikolaj. „Sascha sagt, was ich möchte, wäre kein Problem. Er braucht nur einen Computer mit stärkerer Rechenleistung, den wir nur in Japan oder den USA bekommen.“
„Und das wäre das einzige Problem?“
„Alles andere, was wir brauchen, haben wir schon.“
Der Kartellchef ließ sich von dem Akademiker die genaue Bezeichnung aufschreiben und verschwand kurz im Büro. Zehn Minuten später kehrte er zurück und wandte sich an Sascha. „Vier bis fünf Tage Lieferzeit. Aber wir haben ja keine Eile. Reicht, wenn du nach dem nächsten Wochenende anfängst.“
„Ich werde wohl hier in der Stadt arbeiten? Dann bräuchte ich eine Wohnung.“
Nikolaj lachte: „Die meisten in der Stadt gehören uns, notfalls werfen wir jemanden auf die Straße.“
„Er könnte doch in Marias Keller wohnen“, warf Oxana schmunzelnd ein.
Sascha betrachtete verwirrt die drei Personen, die sich über den anscheinend guten Witz halbtot lachten.
„Mischa, die Kleine schafft mich noch.“ Nikolaj war noch immer bemüht, die Fassung zurückzuerlangen. Michail konterte mit Anekdoten, die er mit ihr auf den Reisen und in der Hütte erlebt hatte, und sorgte damit für eine ausgelassene Stimmung. Mit jeder Geschichte von Michail verstand Sascha den Witz besser, verheimlichte aber, dass ihn diese witzig gemeinte Anspielung, durchaus erregte.
Am nächsten Tag flogen Michail und Oxana zurück. Wieder in ihrer Hütte nahm sie Sascha in ihrer ICQ‑Liste auf.
In den folgenden Wochen ließ sie sich über diesen Weg von ihm auf dem Laufenden halten. 1997 endete und das letzte Jahr im Heimatdorf begann. Kaum hatte der Frühling den Schnee vertrieben, musste Mischa auf eine längere Reise. Oxana ahnte, dass sie bald nur noch selten für ihre Forschungen Zeit finden würde. Daher beschloss sie, Michails Abwesenheit für ein weiteres Experiment zu nutzen. Das Versuchskaninchen war der 17‑jährige Ivan. Obwohl er als Anführer einer kleinen Gang kaum zum Sklaven taugte, glaubte sie, aufgrund ihrer angesammelten Erfahrungen, der Herausforderung gewachsen zu sein. Siebzehn Tage war er Gast in der Hütte und zeigte trotzdem keinerlei Unterwürfigkeit. Sie gab sich geschlagen, doch ihn freizulassen, war ein zu großes Risiko. Am Nachmittag des 18. Tages führte sie ihn mit einem Beutel über dem Kopf und auf dem Rücken gefesselten Händen tiefer in den Wald. Dort fesselte sie ihn an einen Baum, nahm ihm die elektronischen Fußmanschetten ab und überließ ihn den Wölfen. Zum ersten Mal im Leben hatte sie versagt. Sie hatte sich überschätzt und war gescheitert.
Zurück in der Hütte beseitigte sie jede Spur, die der Aufenthalt des Jungen hinterlassen hatte. Doch sie hatte auch Glück. Einen Tag bevor sie ihn im Wald aussetzte, hatten die Bewohner des Dorfes die Suche nach ihm aufgegeben. Ihr sechzehnter Geburtstag näherte sich, ohne dass man wieder etwas von dem Jungen hörte.
Oxanas Leistungen in der Schule waren so außergewöhnlich, dass sie schon im Winter den Abschluss machen sollte – achtzehn Monate vor dem normalen Zeitpunkt. Damit war vorhersehbar, dass sie zu Beginn des Folgejahres das Dorf verlassen würde. Sie stellte eine Liste aller Milliardäre zusammen, die als Ehemänner in Frage kamen, und suchte im Internet nach den am besten geeigneten Kandidaten. Bald hatte sie den Kreis auf sechs Personen beschränkt und sammelte fortan alle Informationen über diese Männer.
Einen Monat vor ihrem 16. Geburtstag nahm das Onlinecasino den Betrieb auf. Oxana flog nun jeden Freitag im Anschluss an die Schule nach Irkutsk, um die Fortschritte zu verfolgen: Ihre Mutter war in dem Glauben, dass sie die Wochenenden mit Sonja verbrachte. Saschas Büro lag nur einen Block von dem Sexclub entfernt und so konnte sie die neue Schaltzentrale des Kartells problemlos zu Fuß erreichen. Selbst nach Einbruch der Dunkelheit, was für andere Frauen zu einem ungewollten sexuellen Erlebnis werden konnte, stellte dieser Spaziergang für sie keine Gefahr dar. In der Stadt hatte es sich herumgesprochen, dass sie unter dem persönlichen Schutz von Nikolaj stand. Zwar drehten sich viele Männer nach dem attraktiven Mädchen um, doch keiner rührte sie aus Angst um seine Gesundheit an. Dank dieser Verbindung fand sie auch einen Apotheker, der ihr ein Medikament ohne Rezept verkaufte.
13.
Natürlich ließ es sich Nikolaj nicht nehmen, zu Oxanas Geburtstag eine große Party zu organisieren. Er hatte keine Kosten gescheut und sogar ein Catering bestellt, das locker für die doppelte Anzahl an Gästen gereicht hätte. Fast jeder Mafioso der Gegend befand sich im Keller des Sexclubs, als Michail mit ihr dort eintraf. Stolz trug sie die neue 9 mm Glock mit Sandelholzgriff in dem weichen Holster aus Nubukleder, die er ihr zum Geburtstag geschenkt hatte. Respektvoll ließen die anderen Anwesenden Nikolaj den Vortritt, als Erster zu gratulieren. Enthusiastisch schlang er die Arme um das Mädchen und küsste sie mehrmals auf die Wangen. Nachdem er eine flammende Rede zum Ehrentag gehalten hatte, überreichte er ihr eine Schmuckschatulle mit einem Armband, das perfekt zu der Cartier‑Uhr passte. Sie legte es sofort am rechten Handgelenk an und staunte, wie ähnlich sich beide Schmuckstücke waren. Sie bedankte sich überschwänglich bei ihm, dann kam Maria an die Reihe. Dank ihr war Oxana nicht die einzige Frau auf dieser Männerparty, worüber sie erleichtert war. Neugierig packte sie deren Geschenk aus: Es waren sehr hohe schwarze Stiefel sowie ein Ledertop und eine Raulederhose in Leopardenmuster. Den Abschluss bildeten bis zu den Oberarmen reichende, schwarze Seidenhandschuhe. Neben der typischen Reitergerte mit Lederpaddel gehörte auch ein dünner Schlagstock aus Walbein zu diesem liebevollen Geschenk. Oxana stürmte gleich in den Umkleideraum der Prostituierten und zog das neue Outfit an. Dank der komplett in Rot gekleideten Maria fielen die Frauen nun in der Menge auf wie Papageien unter Raben. Alle gratulierten Oxana und nach dem Bad an Wangenküssen fühlte sie sich wie nach einem Regenschauer. Russische Volkslieder tönten durch den Keller und die Partygäste tanzten ausgelassen dazu. Das Buffet fand großen Anklang – schließlich war man solch eine Verköstigung auf Koljas Partys nicht gewohnt. Nicht alle Gäste waren über Oxanas Rolle im Kartell genau informiert, doch jeder wusste, wie der Boss zu ihr stand und dass sie ein wichtiger Teil der Organisation war.
Roman hatte gewartet, bis alle dem Geburtstagskind gratuliert hatten, denn wer auffallen wollte, musste entweder der Erste oder der Letzte sein. Er schlich sich von hinten heran und schlang die Arme um ihren Hals.
„Alles Liebe zum Geburtstag.“ Dann streichelte er mit den Händen den Hals entlang und als Oxana auf ihr Dekolleté schaute, sah sie den Anhänger der Kette, die Roman ihr angelegt hatte. Es war das goldene Ebenbild der Speznak‑Tätowierung auf einem silbernen Amulette mit einem Geheimfach: Hier versteckten die Soldaten bei Einsätzen in Feindgebieten eine Zyankalikapsel, um sich einem möglichen Verhör unter Folter zu entziehen. In die Knöchel der Finger, die das AK 47 umschlossen, waren Smaragde eingesetzt.
„Danke, darf ich das überhaupt tragen? Ich war schließlich nie dort Mitglied.“
„Du hast dich mit der Schießleistung mehr als würdig erwiesen. – Eine hübsche Waffe hast du da.“
„Ja, da hat Mischa sich selbst übertroffen. Die hat sogar eine Kugel mehr im Magazin als die russische Vorkriegswaffe, mit der ich dich geschlagen habe.“
„Darf ich sie mal ausprobieren?“
„Kannst du denn damit umgehen?“, grinste sie ihn schelmisch an.
Roman lachte: „Ich hatte schon mal eine Waffe in der Hand.“
„Und hast dabei die Kugeln auf der ganzen Scheibe verteilt.“
Lachend gingen sie zum Schießstand. Die Partygäste feierten ausgelassen, als sie plötzlich glaubten, sich an der Frontlinie eines Krieges zu befinden. Donnernd hallten die Schüsse durch die Kellerräume und alle Gäste hoben schützend die Hände auf die Ohren. Kaum endete die erste Salve, da folgte eine zweite. Nach fast zwei Minuten Donnergrollen im Keller wurde es totenstill. Einer nach dem anderen nahm die Hände von den Ohren, um festzustellen, dass der Lärm vorüber war, und gingen dann zum Schießstand.
Dort holten gerade die beiden Schützen die Scheiben heran. Bei Roman war nur ein Loch nicht in der 10 und bei Oxana kratzte der einzige Treffer, der sich nicht deutlich in der 10 befand, soeben die Begrenzung zur 9.
„Wir sollten euch für Olympia anmelden“, fand Kolja als Erster die Stimme wieder.
„Habt ihr Spinner schon mal was von Schalldämpfern gehört“, meldete sich ein verärgerter Anwesender aus dem Hintergrund. „Tretet doch im Weitpissen gegeneinander an, das ist leiser.“ Der Zwischenrufer erntete dafür Gelächter von den anderen Gästen.
„Gute Idee, das will ich mir nicht entgehen lassen. Wo sind Cola und Popcorn?“, meldete sich Dmitri.
Das Gelächter wurde amüsierter. Oxana drehte sich zu ihm um und stützte die Hände auf die Hüfte. „Wir können ja Zielpissen machen – in deinen Mund – dann brauchst du mir auch die Cola nicht wegzutrinken, Dmitri.“
„Nee, lass mal stecken. Ich bleib bei Wodka.“
Die Gäste lachten jetzt ausgelassen. „Ich glaube, wenn Oxana gegen Maria anträte, müsste er länger über die Antwort nachdenken“, warf einer ein, was in dem Keller für ein grollendes Gelächter sorgte und jegliche Gedanken an die überraschende Lärmbelästigung vertrieb.
Oxana nahm an einem leeren Tisch Platz und zerlegte die Pistole. Roman holte ein Reinigungsset, setzte sich zu ihr und half beim Reinigen der Waffe. „Das ist eine klasse Knarre.“
„Ja, viel besser ausbalanciert als die Makarow.“
Roman hielt zwei bereits gesäuberte Teile aneinander. „Wie perfekt die verarbeitet sind!“
„Ich habe gelesen, die benutzen eine besondere Legierung und haben ein anderes Bearbeitungsverfahren.“
„Sollten sich die Jungs in Sagorsk – Stadt ca. 70 km von Moskau entfernt, Produktionsstätte der Makarow Waffen – mal ein Beispiel dran nehmen.“ Oxana setzte die Waffe wieder zusammen und füllte die beiden Magazine nach. „Du schuldest mir noch einen Gefallen.“
„Was schwebt dir vor?“, fragte Roman interessiert.
„Ich habe im Januar meine Abschlussprüfung. Danach will ich in den Westen und mir einen reichen Mann angeln. Dazu brauche ich noch Startgeld und sexuelle Erfahrung. Ich suche jemanden, der bereit ist, fünf bis zehn Millionen Rubel für das erste Mal mit mir zu zahlen.“
„Verstehe ich das richtig, du willst deine Jungfräulichkeit verkaufen oder versteigern?“
„Ich wusste doch, dass du nicht so dumm bist, wie du aussiehst“, sie grinste ihn dabei an.
„Den Preis, den du dir vorstellst, wirst du nur in Moskau oder vielleicht St. Petersburg bekommen. Dort könnte ich dich aber nicht beschützen.“
„Hast du eine andere Lösung?“
„Wenn du zu mehr als nur einer Nacht bereit bist?“
„Wie viel mehr?“
„Drei Wochen.“
„Ich soll drei Wochen das Betthäschen eines Fremden sein?“
„Nein, keines Fremden. Mir ist klar, dass eine dauerhafte Beziehung zwischen uns nicht funktionieren würde, aber für drei Wochen wäre ich bereit, dir die fünf Millionen zu bezahlen.“
„Du?“ Oxana wirkte überrascht, dass Roman eine Affäre mit ihr so viel wert war. „Bei unserem ersten Duell warst du noch ein Kind. Doch war da schon absehbar, dass du mal ein heißer Feger wirst – darum auch die Formulierung meines Wetteinsatzes. Inzwischen hast du meine Erwartungen erfüllt und aus dem Wunsch ist inzwischen ein Verlangen geworden.“
„Du willst mir aber nicht gleich gestehen, dass du dich in mich verliebt hast?“
„Wenn ich eine Chance sähe, das aus uns was Langfristiges werden könnte – ja. Aber mir gefällt es hier und du willst weg. Außerdem bin ich selbst zu dominant, als dass mir deine Neigung“, dabei zeigte er auf das Dominakostüm, „dauerhaft zusagen würde. Es würde auf Dauer nicht gut gehen.“
„Du möchtest also, dass wir drei Wochen ein Paar sind?“
„Genau das habe ich mir vorgestellt. Könntest du dir das auch vorstellen?“ Oxana war zwar ein wenig enttäuscht, nicht den gewünschten Betrag erreichen zu können, aber Romans Angebot hatte einiges für sich. Sie müsste sich nicht einem wildfremden Mann anbieten, bei dem sie nicht vorhersehen konnte, welche Handlungen er verlangen würde. Roman würde trotz des Geldes sensibler sein. Sowohl, dass er etwas für sie empfand, als auch, dass sie ihn mochte, würde sich positiv auswirken. Er war bestimmt erfahren genug, damit sie davon profitieren konnte. Sie würde sicherlich alles von ihm lernen, was sie für ihre weiteren Pläne benötigte. – Besser als bei nur einer Nacht mit einem Fremden, der nur die eigenen Wünsche in den Vordergrund stellen würde.
Ihr Geburtstag fiel wie jedes Jahr auf den Beginn der Sommerferien. Deshalb konnte sie zu Hause erzählen, sie verbrächte die Zeit mit Sonja. Dabei hoffte sie, dass ihre Mutter diese nie persönlich kennenlernen wollte.
„Wieso ist dir das so viel Geld wert? Jedes Mädchen da oben würde es für den Bruchteil davon machen und hässlich sind sie auch nicht.“
„Stimmt – wenn es mir nur um Sex ginge, wäre es die deutlich günstigere Alternative.“
„Und worum geht es dir dann?“
„Den Ersten vergisst man nie. Du wirst daher immer an mich denken; vielleicht ändert sich deine Einstellung ja irgendwann, wenn du deine Ziele erreicht hast, sodass eine Beziehung zwischen uns möglich wäre. Dann denkst du hoffentlich an die drei Wochen zurück.“
„Ich habe eine Menge Ziele. Das wird dauern, bis ich die alle erreicht habe.“
„Vielleicht habe ich ja Glück und du erreichst sie, bevor ich wieder Windeln tragen muss. Solange kann ich mich an die drei Wochen hoffentlich noch erinnern.“
„Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich dann zu dir komme, um dir die Windeln zu wechseln?“
„Ich bin mir sicher, du erreichst deine Ziele früher“, lachte Roman.
„Wie hast du dir die drei Wochen vorgestellt? Ich müsste auf jeden Fall noch einmal nach Hause und meiner Mutter erklären, warum ich so lange fort bin.“
„Dann schließe dort die Domina in einen Schrank ein. Die drei Wochen habe ich die Hosen an.“
„Ich soll also dein devotes Mäuschen spielen?“
„Du willst doch nicht nur einmal gefickt werden, sondern auch etwas lernen? Nicht jeder Mann steht darauf, wenn die Frau den Ton angibt. Es wird dir helfen, auch einmal die andere Seite kennenzulernen.“
Oxana musste ihm recht geben. Bei den Kandidaten, die sie als Ehegatten im Auge hatte, war es nicht unwahrscheinlich, dass sie ein devotes Häschen suchten. Sie sollte sich daher schon im Vorfeld mit dieser Rolle vertraut machen.
„Könnte interessant werden, mal die andere Seite zu erleben. Hast du sonst noch Wünsche.“
„Du ziehst an, was ich sage und tust, was ich verlange – ohne Widerspruch.“
„Soll ich meinen Kleiderschrank einpacken?“
„Wird nicht nötig sein. Ich besorge alles, was du brauchst. Zieh nur das Heißeste an, was du hast und worin man dich nicht für eine Domina hält. – Weiße Dessous wären toll.“
Sie durchforschte ihr Gedächtnis, konnte sich aber nicht erinnern, Kleidung in dieser Farbe zu besitzen. Doch angesichts der Umstände hielt sie es für angemessen, sich die gewünschten Stücke zu besorgen. Sie einigten sich darauf, dass Oxana am folgenden Mittwoch zurück nach Irkutsk kam und er sie dann am Flughafen abholte.
Die russische Kultur besitzt einen großen Vorrat an Volksliedern und zu jedem gibt es einen besonderen Tanz. Auf der Party kamen reichlich Lieder zum Einsatz, es floss viel Alkohol und entsprechend ausgelassen war die Stimmung. Um beim Tanzvergnügen den Frauenmangel auszugleichen, hatte man einige der im Club angestellten Damen in die Kellerräume beordert. Nur spärlich bekleidet heizten sie die Atmosphäre zusätzlich auf. Als Sascha in den Keller kam, sah er zuerst eine der Prostituierten, die es, auf einem Tisch liegend, von drei Männern besorgt bekam.
„Hast du Wurm dich verlaufen?“
Sascha blickte verwirrt zu der Frau auf, die ihn so herzlich willkommen hieß. Kaum hatte er sie angesehen, war es um ihn geschehen. Das Schlagen der Schmetterlinge im Bauch verhinderte eine Antwort von ihm.
„Hast du deine Zunge verschluckt?“, setzte Maria nach.
„I … Ich bin Sascha, ich wollte zu Nikolaj und Oxana, ehrenwerte Dame.“
Sie musste ein Lachen unterdrücken. Man hatte sie schon als vieles bezeichnet, doch noch nie als ehrenwert. „Die sind gerade auf der Tanzfläche. Kann ich etwas für dich tun, Schätzchen?“
„Nein, ich warte so lange. Sie wollen bestimmt zurück zu ihrem Mann.“
„Mein Mann? Wie kommst du darauf, dass ich einen Mann habe?“
„Weil so schöne Frauen wie Sie immer einen Mann haben.“
Maria amüsierte, dass er mit ihr flirtete, ohne es selbst zu bemerken.
„Besorgen wir dir erst einmal etwas zu essen und zu trinken.“
Sie ergriff seinen Arm und zog ihn hinter sich her. Am Buffet holte sie einen Teller, füllte ihn mit verschiedenen Speisen und drückte ihm das Geschirr in die Hand. Dann nahm sie zwei Sektgläser und eine Flasche Krimsekt und führte ihn zu einem freien Tisch. Zufrieden lächelnd stellte sie fest, dass er sich nicht nur ohne Protest von ihr führen ließ, sondern auch nicht dagegen protestierte, dass sie die Speisen ausgewählt hatte.
„Wie heißen Sie?“
„Lady Maria. Was hast du denn mit Kolja und Oxana zu tun?“
„Ich bin Mathematiker und erstelle die Programme für das Onlinecasino.“
„Deshalb erweckst du den Anschein nicht hierherzugehören.“
„Ja. Obwohl mich alle nett behandeln, ist es doch eine ungewohnte Umgebung für mich.“
„Die tun alle nur so hart. Wenn man sie zu nehmen weiß, fressen sie einem aus der Hand.“
„Nur wenn man das nicht weiß, beißen sie dir die ab!“
Maria lachte los. „Die beißen keine Hand, die sie füttert und du bringst ihnen Geld.“
„Dann bin ich ja beruhigt.“
Eine Stunde später war die Fliege Sascha nicht nur im Netz der Spinne Maria gefangen, sondern dort fest eingewoben. Nachdem er Oxana die aktuellen Bilanzen ausgehändigt hatte, entführte ihn Maria in ihr Haus, um ihn zu vernaschen.
Zufrieden blätterte Oxana durch die Bilanzen. Entgegen ihrer Erwartung erzielte das Geschäft schon eine schwarze Null. Die leicht besseren Quoten gegenüber der Konkurrenz hatten einen erfreulich guten Kundenzustrom erzeugt. Im nächsten Monat konnte man fünfhunderttausend Rubel waschen. Eine Summe, die dann kontinuierlich gesteigert werden sollte. Zwar erhielt sie nur 2 % davon, aber langfristig würde es bedeuten, dass sie diesen Prozentsatz am kompletten Gewinn des Syndikats bekam. Dieses würde ihr ein Jahreseinkommen von vier bis fünf Millionen Franken einbringen. Eine Summe, die eine gewisse finanzielle Unabhängigkeit garantierte und eine gute Basis bilden würde, um das Kapital weiter zu erhöhen. Auch Nikolaj war erfreut von dieser Entwicklung, musste er so die Ausgaben für das Projekt nicht rechtfertigen. Zwar war er hier in Südsibirien der Chef, doch gab es noch Personen über ihm, die für das ganze Land zuständig waren – und nicht nur für einen Teil davon. Diese Leute hofften, dass das Casino langfristig genug Kapazitäten entwickeln würde, damit die gesamten Syndikatsgewinne dort gewaschen werden konnten. Er war Michail dankbar, dass dieser ihn mit diesem Juwel bekannt gemacht hatte. Erst hatte er die Geschichten nicht glauben wollen, die sein Freund ihm über das Mädchen erzählte, inzwischen hatte er das Gefühl, sie waren noch untertrieben. Oxana war ein Glücksfall für das Kartell. Die wenigsten Mitglieder waren dumm, waren sie doch durch eine harte Auswahl beim KGB gegangen. Aber keiner hatte ihre Fähigkeit, sich in vorher fremde Bereiche hineinzufinden. In nur einem halben Jahr hatte sie sich zur Expertin für Steuer‑ und Finanzwesen entwickelt und etwas aus dem Boden gestampft, woran keiner seiner Leute gedacht hatte. Sie gab dem Syndikat die Möglichkeit, von einer nationalen zu einer globalen Organisation aufzusteigen. Dass sein Regionalverband damit in Verbindung gebracht wurde, war für Nikolajs geschäftliche Zukunft nur förderlich.
14.
War Oxana auf der Party noch abgelenkt gewesen, zu Hause setzte wieder die Nervosität ein. Sie wusste, dass sie vor einem einschneidenden Ereignis ihres Lebens stand. Theoretisch hatte sie sich jegliches Wissen über das Vorhaben angeeignet. Doch ahnte sie: Theorie und Praxis würden sich gravierend unterscheiden. Dass sie Roman mochte und ihm vertraute, beruhigte sie ein wenig. Am Dienstag fuhr sie in die Hauptstadt, um die gewünschten Dessous zu kaufen. Passend dazu fand sie ein gleichfarbiges, ärmelloses Rüschenkleid und sogar High Heels. Im Spiegel sah sie eine Fremde an, denn diese Kleidung passte nicht zu ihr. Doch sie verstand Romans Hintergedanken. Es ging um ihre Unschuld und Weiß war die äquivalente Farbe dafür.
Ohne ihm zu verraten, warum, hatte sie Michail darüber informiert, dass sie die nächsten Wochen nicht in der Hütte sein würde. Auch die Mutter kaufte ihr die Ausrede mit Sonja ab. Mittwoch morgen wartete sie, bis die Mama zur Arbeit gegangen war und kleidete sich dann mit den Neuerwerbungen ein. Bis sie im Flugzeug saß, hatte sie nur die Befürchtung gesehen zu werden, dachte sie doch, das Outfit würde ihr Vorhaben verraten. Aber kaum hatten sie abgehoben, steigerte sich ihre Angst und Nervosität ins Unermessliche. Sie hoffte darauf, dass Roman genug Einfühlungsvermögen hatte, ihr diese Unsicherheit zu nehmen. Es war ihr unangenehm – war sie doch bisher so selbstbewusst durchs Leben gegangen. Mit weichen Knien stieg sie die Gangway hinab, wo Roman auf dem Rollfeld stehend schon auf sie wartete. Lächelnd betrachtete er sie, während sie auf ihn zukam. Dann umarmte und küsste er sie, wobei er auf den Einsatz der Zunge verzichtete.
„Du siehst süß aus. Genau so habe ich mir das vorgestellt.“
„Nett von dir, aber in Wirklichkeit stellst du dir doch seit der Party nur vor, wie ich die Sachen wieder ausziehe.“
„Natürlich nicht! Ich stelle mir vor, wie ich dir die Sachen ausziehe.“
„Kommt auf dasselbe Ergebnis heraus – ich bin nackt.“
„Nicht ganz, ziehst du dich aus, gibst du dich mir hin. Ziehe ich dich aus, erobere ich dich und ich bin überzeugt, damit werde ich zu einer sehr exklusiven Gruppe von Männern bei dir gehören.“
„Der große Dschingis Khan möchte also ein kleines, unschuldiges Mädchen erobern.“
Roman lachte los: „Wäre auch mal eine interessante Vorstellung, aber bis ich ein unschuldiges Mädchen finde, begnüge ich mich mit dir.“
Ein rechter Haken von Oxana traf ihn schmerzhaft unter den Rippen. „Unverschämtheit. Sagt man so etwas zu einer Dame?“
„Du solltest doch die Gräfin zu Hause lassen!“ Dabei hielt er sich lachend die schmerzende Körperstelle.
„Wie soll es jetzt weitergehen?“
„Lass dich überraschen. Erst muss ich dich davon ablenken, worauf das alles hinauslaufen soll.“
Als Universitätsstadt ergab sich in Irkutsk eine überwiegend junge Bevölkerung mit einer umfangreichen Partyszene. Diese befand sich im Stadtteil Universitetskij, wohin er fuhr. Zwischen den ausgelassen feiernden Studenten in den Semesterferien entspannte Oxana sich bald. Auf der Tanzfläche überraschte er sie mit einem ersten Zungenkuss, wobei er gleichzeitig mit einer Hand sanft über die Brüste streichelte. Nicht selbst das Handeln zu kontrollieren, war ihr immer noch unangenehm, doch Roman war sehr sensibel. Am frühen Abend hatte er es geschafft, dass Oxana den Grund für dieses Date komplett vergessen hatte. Gegen Mitternacht entführte er sie in sein Haus am Ufer des Baikalsees. Auf der Terrasse mit Seeblick öffnete er ihr Kleid, sodass es zu Boden glitt. Der jetzt fast nackter Körper enttäuschte keine seiner Erwartungen. Der dünne Spitzen‑BH enthüllte mehr, als er verdeckte. Romans Hände spielten durch den Stoff mit den Nippeln. Oxana spürte warme Wellen von dort in den Unterleib fließen. So abgelenkt bemerkte sie nicht, dass er den BH öffnete und zu Boden fallen ließ. Den Mund am Hals und die Hände gefühlt überall, verschwand ihre Umgebung immer mehr in der Erregung, die den Körper ausfüllte. Sanft wurde sie auf die Hollywood‑Schaukel gedrückt, die viel zu hoch für sie war, um darauf normal zu sitzen. Trotz der High Heels hingen die Füße in der Luft und die weiche nachgebende Rücklehne sorgte für eine fast hilflose Stellung. Langsam fing Roman an, seinen durchtrainierten Körper zu entkleiden. Ein Anblick, den Oxana durchaus erregend fand. Nackt ging er auf sie zu und streichelte ihre Beine, woraufhin sie die Augen schloss. Die Füße wurden ergriffen und nach oben gezogen, wodurch sie noch tiefer in die Polster rutschte. Romans Finger glitten zu den Fersen und ihre Schuhe fielen von den Füßen. Oxana warf den Kopf in den Nacken und streckte die Arme seitlich von sich. Roman streichelte die Schenkel hinauf und spreizte dabei ihre Beine. Das Kribbeln des Lustzentrums erzeugte Feuchtigkeit in der Spalte. Seine Finger näherten sich dem Ziel der Reise. Dort angekommen kratzte er erst sanft und dann immer fordernder an dem dünnen Spitzenhöschen. Er drückte den Stoff in ihre Spalte, um sie auch dort zu stimulieren. Die rosigen Schamlippen wurden peu à peu sichtbar und erregten ihn ebenso sehr wie der Duft ihrer Lust. Er legte Oxanas Füße über seine Schultern und beugte sich vor.
*
Zähne knabberten an den Nippeln und ließen die Welt um sie kreisen. Oxana fühlte, wie der Stoff des Höschens aus der Spalte gezogen wurde. Das erzeugte ein Prickeln am ganzen Körper. Wie zuvor Romans Finger die Schenkel hinaufgeglitten waren, spürte sie jetzt den Slip hinabgleiten und die unerforschte Grotte freilegen. Lippen küssten sie langsam von den Brüsten an hinab in südlichere Regionen. Je näher sein Mund dem Lustzentrum kam, desto schwindeliger wurde ihr. Die Hitze in ihr schien sie zu verbrennen und steigerte sich noch, als die Zunge den Lustsaft aus der Spalte leckte. Romans Finger neckten ihre Kniekehlen und glitten dann an Oxanas Flanke den Körper hinauf, um sanft über die Nippel zu streicheln. Eine gefühlte Ewigkeit später nahmen seine Hände den gleichen Weg zurück und streichelten die Innenseiten der Schenkel hinauf. Seine Zunge spielte abwechselnd am Kitzler und dem Portal des Honigtopfes. Schließlich war Oxana komplett in ihrer Lust gefangen und merkte deshalb nicht, dass die Füße Romans Brust hinabglitten. Langsam wurde der Eingang ihrer Unschuld geöffnet. Als hätte sie etwas gestochen, lenkte ein Schmerz sie kurz ab, dann füllte sich der Unterleib aus. Jede Bewegung von Roman konzentrierte die brennende Hitze weiter auf diese Stelle, bis sie plötzlich ausstrahlte und den ganzen Körper durchfloss.
*
Roman spürte schon den Höhepunkt nahen, als sich Oxanas Unterleib in Wallungen anspannte und sie die Lust befreit herausstöhnte. Diese plötzliche Massage des Lustspenders raubte Roman fast die Sinne. Ein letztes Mal stieß er tief in sie, beugte sich vor und legte die Arme um ihren Hals. Er spürte sich in ihr entladen. Oxanas Arme schlangen sich um Romans Körper und ihre Hände hielten sich an seiner Taille fest, als wenn sie an einer Klippe hinge und drohte abzustürzen. Dieses sonst so dominante und selbstbewusste Mädchen, jetzt Hilfe suchend an sich geklammert zu spüren, war fast so erfüllend wie der Orgasmus. Ja – er hatte sein Ziel erreicht! Sie würde diesen Augenblick nie mehr vergessen. Er war überzeugt, es würde an einem leichten Lächeln zu erkennen sein, wenn sie daran zurückdachte. Romans Arme griffen unter ihre Schultern und hoben Oxana hoch. Ihre Beine schlangen sich Halt suchend um seine Hüfte. Vorsichtig trug er sie ins Haus und legte sie aufs Bett. Bevor sie einschliefen, beglückte Roman sie noch einmal – dieses Mal seitlich hinter ihr liegend und die jugendlichen Brüste dabei knetend.
*
Oxana wachte verwirrt auf. Nicht nur, dass sie in starken Armen gebettet lag und Männerhände ihre Brüste hielten, war eine neue Erfahrung für sie. Die Umgebung war fremd, aber sie fühlte sich, als könnte sie Bäume ausreißen. Einzig ein leichter Schmerz im Unterleib, der an einen Muskelkater erinnerte, störte das ansonsten perfekte Befinden. Romans Erfahrung hatte sich ausgezahlt. Sie hatte erst etwas bemerkt, als er schon in ihr war. Würde sie sagen, sie hätte keinen Gefallen daran gefunden, wäre es eine fette Lüge. Anscheinend machte es beim Sex nur einen geringen Unterschied, ob man ihn sich nahm oder genommen wurde; vorausgesetzt, man hatte den richtigen Partner. Für ihr Vorhaben schien Roman perfekt geeignet. Er würde ihr alles näher bringen, was ihr bisher an Erfahrung fehlte und dabei darauf achten, dass ihre Grenzen nicht überschritten wurden. Sie wandte sich aus den Armen und suchte das Badezimmer.
*
Auch wenn er Oxana gerne weiter in den Armen gehalten hätte, lockerte Roman den Griff, damit sie aus dem Bett steigen konnte. Er stellte sich schlafend und sah dabei linsend zu, wie sie nackt durch das Haus ging und das Badezimmer suchte. Der Anblick ihres Körpers erregte ihn: schlank, aber nicht dünn. Kurven an den richtigen Stellen und für ein Mädchen sehr muskulöse Gliedmaßen. Dazu lange blonde Haare, die den Körper wie ein Negligée bedeckten. Sie fand schließlich die Badezimmertür und entschwand aus seinem Sichtfeld. Er hörte den Klodeckel hochklappen, kurz darauf die Spülung und dann das Wasser der Dusche laufen. Leise stand er auf, um dabei heimlich zuzuschauen. Er hatte sich bei der Duschabtrennung für normales Glas entschieden, um den weiblichen Gästen besser zusehen zu können. Oxana war schon fast fertig, da nestelte sie an dem Medaillon und entnahm ihm etwas. Sie steckte es in den Mund und trank einen Schluck Wasser vom Duschstrahl. Roman benötigte einen Moment, bis er verstand, was er gerade gesehen hatte. Dann lächelte er: Wie dumm war er zu glauben, eine perfekte Organisatorin wie Oxana, würde sich unvorbereitet auf ein solches Abenteuer einlassen. Ein Kind mit ihr zu haben, hätte sicher seinen Reiz gehabt, aber dieser Möglichkeit hatte sie gezielt einen Riegel vorgeschoben. Roman ertappte sich dabei, dass ihn diese Erkenntnis etwas enttäuschte. Dann ging er zur Dusche und stellte sich zu Oxana unter den Wasserstrahl …
Weil er nicht glaubte, ihr in dominanter Ausrichtung noch etwas beibringen zu können, lehrte er Oxana in den folgenden Tagen die devoten Rollen, die Männern an einer Frau gefallen: Geliebte, Prostituierte und Sexsklavin. Mal ging er mit ihr aus, als wären sie ein Liebespaar und sie liebten sich danach. Dann hatte sie wie ein Callgirl, nur in heiße Dessous gekleidet, seine sexuellen Wünsche zu erfüllen oder wie eine Dienerin von ihm gestellte Aufgaben auszuführen. Nach zwei Wochen traute er ihr zu, den letzten Schritt zu gehen.
*
Oxana freute sich schon darauf, mit Roman auszugehen, nachdem er sie aufgefordert hatte, sich besonders hübsch zu machen. Darunter verstand er, dass sie die Haare in lange Wellen frisierte, damit sie den Körper einhüllten und die Wimpern aufrichtete sowie Lidschatten und Lippenstift auflegte. Doch als sie aus dem Bad kam, wartete er dort nicht mit hübscher Kleidung auf sie, sondern legte ihr Ledermanschetten an Hals und Gliedmaßen an. Das einzige Kleidungsstück, das er für sie bereithielt, war ein Paar, silberne Sandaletten mit zwölf Zentimeter Absatz. Oxana verspürte eine erregende Mischung aus Angst, Nervosität und Schamgefühl, als er sie aufforderte, in den Wagen einzusteigen. Erschrocken bemerkte sie, dass Roman in Richtung Irkutsk fuhr und somit aus der Einsamkeit des Sees in die belebte Großstadt – für die sie auf keinen Fall angemessen gekleidet war. Kurz vor dem Zentrum bog er in ein altes Industriegebiet ab. Seit der Auflösung der UdSSR gab es hier allerdings keine aktiven Firmen mehr. Weit vor einer Fabrikhalle hielt er an. „Du wirst mich heute als meine Sklavin begleiten. Du behandelst jeden Mann so, als wäre ich es und tust, was er verlangt.“ Erst überlegte Oxana zu protestieren. Doch dann fiel ihr ein, dass sie sich ohne sein Angebot selbst in eine ähnliche Situation gebracht hätte. Allerdings vertrieb diese Erkenntnis nicht die Nervosität. Roman befestigte mit einem dünnen Band einen Ring am Halsband. „Möchtest du es beenden, reiße den Ring ab. Dann werden wir sofort gehen.“ Sie nickte und Roman fuhr auf den Parkplatz der Fabrikhalle, wo etwa zwei Dutzend Autos parkten. Dort stieg er aus, ging um den Wagen herum und öffnete die Beifahrertür. Nachdem sie ausgestiegen war, befestigte er eine Leine am Halsband und führte sie daran zum Eingang der Industriehalle. Vor der Eingangstür standen zwei stämmige Männer, die das Paar wortlos einließen – was Oxana angesichts ihres Outfits überraschend fand. In der Halle angekommen, ahnte sie den Grund. Alle anwesenden Frauen waren genauso nackt wie sie und schienen einen männlichen Begleiter zu haben. Sie hatte von diesen Partys schon gehört und darüber gelesen, sich allerdings mehr für CFNM als für CMNF interessiert. Nun würde sie an einer solchen Veranstaltung teilnehmen. Oxana beobachtete, wie einige Männer ihre Sklavinnen tauschten, um sich mit ihnen zu vergnügen. Andere stellten ihre Frauen für Gangbangs zur Verfügung, bei denen sie dann zusahen. Auch Oxana durfte eine solche Behandlung erleben und gewann die Erkenntnis, dass ihr wohler dabei war, wenn sie die Kontrolle hatte. Als die Party vorüber war, hatte sie mit jedem Mann dort Sex gehabt. Bei den Ersten fragte sie sich noch, warum Roman sie hierher gebracht hatte. Dann merkte sie aber, dass alle andere Vorlieben hatten. Wollte sie wie geplant in Zukunft Männer manipulieren, musste sie dieses Faible bei dem Opfer erst herausfinden. Auch wenn es ihr eigentlich etwas zu viel Sex für einen Tag war, hatte sie eine Menge Verwendbares über Männer gelernt.
*
Am letzten Abend der gemeinsamen Zeit verwandelte Roman sein Haus in ein romantisches Paradies. Der Boden der Terrasse war mit Rosenblättern bedeckt und überall waren Kerzen aufgestellt. Er hatte bei einem Caterer ein mehrgängiges Menü bestellt, das er an einem blumendekorierten Tisch mit Oxana genoss. Anschließend gingen sie ins Haus. Dort verbrachten sie eine Nacht, die dem, was sich Oxana unter einer Hochzeitsnacht vorgestellt hatte, sehr ähnlich war. Nach einem vergleichbar romantischen Frühstück brachte er sie zum Flugplatz. Auf dem Flugfeld küsste er sie besitzergreifend, wohl wissend, dass es in dieser Form der letzte Kuss war. Sollten sie noch einmal zusammenkommen, würde sie nicht seine Sklavin sein. Roman könnte von Glück sagen, wenn er dann nicht ihr Sklave würde. Er sah Oxana sehnsüchtig nach, wie sie die Gangway hinauf schritt: Er bedauerte nicht eine Kopeke, die ihn diese drei Wochen gekostet hatte.
*
Während des Rückflugs speicherte Oxana wie ein Computer alle Informationen über die letzten drei Wochen ab. Bevor sie diese für ihre Pläne einsetzen konnte, musste sie erst ausprobieren, ob die neuen Erfahrungen anwendbar waren. Außerdem klaffte in der Planung noch eine Lücke von fünf Millionen Rubel. Es war niemandem bekannt, was die letzten Wochen geschehen war. Sie wusste mehr über die Dorfbewohner als irgendjemand anderes. Dieses Loch würde sie zu stopfen wissen!
15.
Ivan Michajlowitsch Dostojewski war 56 und der Besitzer des örtlichen Sägewerks. Seine vor drei Jahren gestorbene Frau hatte ihm einen Sohn geschenkt, der bald die Firma übernehmen sollte. Vielleicht würde Ivan dann die Zeit finden, sich eine neue Ehefrau zu suchen. Doch bis dahin mussten die Frauen reichen, die er sich für ein paar Stunden im Bordell des Nachbardorfes kaufte. Nachdem er, wie jeden Mittwochvormittag, nach dem Besuch bei einem Geschäftskunden auf den Dorfplatz trat, fiel sein Augenmerk auf den dortigen Brunnen. Erst konnte er nicht glauben, was er dort sah. Doch nach einem zweiten und dritten Blick hatte er Gewissheit: Ein wunderschönes Mädchen saß mit geöffneten Beinen auf dem Brunnenrand. Das luftige Kleid bedeckte die Brüste nur so weit, dass die Nippel verdeckt waren. Der Stoff war unten etwas verrutscht. Gerade genug, um ihm einen Blick auf die rosa Schamlippen zu gewähren. Genüsslich leckte das Mädchen an einem Eis, das seine Fantasie in eines seiner Körperteile verwandelte. Obwohl Ivan an diesem Abend ins Bordell ging, verfolgte ihn der Anblick bis in die Träume.
Zwei Tage später fand er morgens einen Briefumschlag im Postkasten, der nach einem teuren, sehr weiblichen Parfüm roch. Neugierig öffnete er ihn und entnahm ihm eine Fotografie und eine Botschaft. Auf dem Foto war die rasierte, rosige Vulva einer jungen Frau zu sehen. Mit zittrigen Händen faltete er den Zettel auf.
Hallo Ivan
Hat Ihnen gefallen, was Sie am Brunnen gesehen haben?  Damit Sie es auch aus der Nähe betrachten können, habe ich ein Foto davon beigelegt. Zwei Millionen Rubel und Sie werden der Erste sein, der dieses Türchen aufstoßen darf. Wenn es Ihnen die Summe wert ist: Ich werde morgen wieder auf dem Dorfplatz ein Eis essen.
Zwei Millionen Rubel waren selbst für ihn fast ein Wocheneinkommen. Doch nach einer unruhigen Nacht, mit feuchten Fantasien, begab er sich zum Dorfbrunnen und überreichte der jungen Frau einen Umschlag mit dem Geld.
Abends schlich sich Oxana im Schutze der Dunkelheit zu seinem Haus. Sie trug das weiße Outfit, das sie für Roman gekauft hatte, sowie ein frisches Hühnerherz in der Lustgrotte. Ivan ließ sich von diesem Trick täuschen und schaffte es immerhin, sich dreimal an ihr zu befriedigen.
Alexej Gregorejwitsch Sukow war 45 Jahre alt und der größte Grundbesitzer der Gegend. Seine Frau verweigerte nach dem zweiten Kind jegliche sexuelle Annäherung. Deshalb kaufte er sich diese regelmäßig. Er traf sich für eine Million Rubel mit Oxana in einer seiner Scheunen. Als er die auf einem Heuballen Liegende von hinten nahm, stellte er sich das erste Mal mit seiner Frau vor. Auch sie war damals noch Jungfrau.
Danilo Federow war 48 Jahre alt und besaß das örtliche Kaufhaus. Er war verheiratet, doch seine Frau sah Sex nur als eheliche Pflicht an. Sie verhielt sich passiv, wenn Danilo ihr beiwohnte. Erfreut stellte er fest, dass Oxana lieber den aktiven Part übernahm. Bereitwillig ließ er sich aufs Bett fesseln, wo sie ihn erst oral befriedigte und dann so lange ritt, bis seine Potenz erschöpft war. Er bedauerte keinen der eine Million Rubel, die ihn diese Nacht gekostet hatte.
Wladimir Andreijwitsch Ramow war der 58‑jährige Bürgermeister des Dorfes. Etwas außerhalb davon hatte er ein Haus, welches er als Liebesnest benutzte. Dort hatte er auch einen Kerker eingerichtet, der es mit jedem heutigen SM‑Studio aufnehmen konnte. Doch hatte er den Folterkeller nicht, um andere zu quälen, sondern um sich erniedrigen zu lassen. Dabei war ihm das Alter seiner Gäste wichtiger als das Geschlecht. Nachdem er von Oxana nackt fixiert wurde, sollte sie ihn quälen und demütigen und ihren jungen verführerischen Körper präsentieren, der für ihn unerreichbar war. Ihr gefiel es, Geld dafür zu bekommen, dass sie ihren Spaß hatte. Weil er jedes Mal fünfhunderttausend zahlte, besuchte sie ihn von nun an fast wöchentlich. Nach ihrer telefonischen Ankündigung ließ er einen Nebeneingang geöffnet, durch den sie sich ins Haus stahl. Dahinter war ein Ankleidezimmer, in dem sie sich umziehen konnte. Nur mit hohen Lederstiefeln oder Nylons, Strapsen und High Heels bekleidet, trat sie dann hinaus, wo er nackt und auf Knien auf sie wartete. Sie legte ihm ein Halsband an und führte ihn an einer Leine hinter sich herkrabbelnd in den Kerker. Dort fesselte sie Wladimir an eines der dortigen Foltergeräte, um ihn auszupeitschen und auf andere Weise zu erniedrigen. Dazu brachte sie gelegentlich auch Juri mit, den sie vor den Augen des wehrlosen Bürgermeisters zum Höhepunkt ritt oder ihm befahl, den Mann zu ficken. Stand ihr Sklave nicht zur Verfügung, besorgte sie es Wladimir mit dem Strap‑on. Dabei nutzte sie die Gelegenheit aus, um verschiedene Spielarten auszuprobieren, die bisher nur in ihrer Fantasie existiert hatten. Bevor sie ihn am Ende der Session befreite, urinierte sie in einen Krug, den er dann austrinken musste oder fesselte ihn auf ein Fakirbrett. Ihr so ausgeliefert, ließ sie sich vom Bürgermeister zum Orgasmus lecken und pinkelte ihm zur Belohnung ins Gesicht. Gelegentlich klemmte sie ihm dabei auch mit einer Klammer die Nase zu und spritze den Natursekt direkt in den Mund. Für lustige Mädelsabende mit Maria zeichnete sie alles mit der Kamera auf. Öfters durften Marias Kunden dann das Versuchskaninchen spielen, wenn sie eine neue Spielart in den Filmen entdeckten. Oxana hatte inzwischen so viel Gefallen daran gefunden, von einem vor ihr knienden Sklaven zum Orgasmus geleckt zu werden, dass sie Marias Kunden diese Bonusleistung regelmäßig gewährte. Sascha wohnte mittlerweile bei Maria, was Oxana den zusätzlichen Weg zum Casino ersparte. Wenn die Freundin Kunden hatte, spielte er den Diener, der den Damen nackt die Getränke servierte. Waren keine Freier anwesend, durfte er als Spielzeug für die Frauen herhalten.
16.
Das Casino entwickelte sich bis zum Jahresende so gut, dass Nikolaj die Hälfte der Gewinne dort waschen konnte, was Oxanas Konto zusätzlich anwachsen ließ. Die Liste an möglichen Ehemännern hatte sie inzwischen auf zwei reduziert. Sie beauftragte Boris mit dem Ermitteln präziserer Informationen, als sie die Medien liefern konnten. Inzwischen hatte Svetlanas Bruder die Schule abgeschlossen. Weil er gut mit Computern umgehen konnte, besorgte Michail ihm einen Posten im Casino, wodurch er ohne die Unterstützung der Schwester leben konnte. Obwohl sowohl Michail als auch Oxana immer seltener Gelegenheit fanden, sich in der Hütte zu treffen, nahmen sie sich mindestens einmal die Woche dazu Zeit. Er war für sie inzwischen genauso eine Mischung aus Vater und großer Bruder, wie sie für ihn, Tochter und kleine Schwester. Jeder genoss die Gesellschaft des anderen.
In der ersten Dezemberwoche rückte er mit einem Geheimnis heraus: „Ich habe um Svetlanas Hand angehalten.“
„Ach, sie war die Frau, von der man erzählt, sie sei schreiend aus dem Dorf gelaufen“, antwortete Oxana schelmisch grinsend.
„Das muss gewesen sein, nachdem sie ja gesagt hat“, lachte Michail zurück.
„Dann willst du deine Mätresse doch noch zu einer anständigen Frau machen?“
„Ich empfinde mehr für sie, als ich mir eingestehen wollte.“
„Glückwunsch, dann kannst du ja eigene Oxanas produzieren.“
Michail lachte auf. „Für weitere Oxanas ist die Welt noch nicht bereit. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob die Welt schon für eine bereit ist.“
Oxana machte einen Schmollmund. „Was soll das heißen?“
„Dass deine sensible, rücksichtsvolle Art die Menschheit überfordern könnte.“
„Noch mal Glück gehabt.“ Beide sahen sich ernst an, dann lachten sie lauthals los.
„Nimm mir nicht übel, wenn ich mir erst einmal einen Sohn wünsche.“
„Erwarte aber nicht, dass ich da Kindermädchen spiele.“
„Ich werde mich hüten. Ich will ihn nicht ans Kinderbettchen gefesselt vorfinden.“
„Käfighaltung ist lustig und ein Halsband würde ihm bestimmt stehen.“ Oxanas Worte erzeugten Bilder in seinem Kopf, woraufhin Michail die Augenlider zusammenkniff. „Weißt du schon, wie es bei dir nach der Schule weitergeht?“
„Ich warte noch auf Informationen von Boris, ich habe die Liste inzwischen auf zwei Kandidaten reduziert.“
„Die tun mir jetzt schon leid. Was sind das für welche?“
„Der eine ist Inhaber einer Investmentbank und der andere besitzt eine globale Logistikfirma.“
„Eine Investmentbank wäre ein nützliches Projekt.“
„So weit habe ich auch schon überlegt. Er ist auch attraktiver.“
„Hat der keine Frau?“
„Ist das ein Hinderungsgrund?“
Michail schluckte. Oxanas Ton bei der Aussage ließ vermuten, dass sie zu jedem Mittel greifen würde, um das Hindernis zu beseitigen. Sie wäre für die Leitung des KGB bestimmt skrupellos genug gewesen. Canapés knabbernd, hätte sie den Verhören ausländischer Spione beigewohnt, ohne dass es ihr den Appetit verdorben hätte.
Noch vor dem Jolkafest, bekam sie von Boris die benötigten Auskünfte. Jetzt stand ihr Opfer … ähm …zukünftiger Ehemann fest. Frederik von Hohenstein war einundfünfzig, Inhaber einer Investmentbank und nach Wirtschafts‑ und Boris' Informationen etwa zwei Milliarden Euro schwer. Alle vier bis fünf Jahre tauschte er seine aktuelle Ehefrau gegen ein jüngeres Modell aus. Oxana wäre also genau sein Beuteschema. Bis dahin kinderlos, gab es Gerüchte, die gegenwärtige Gattin sei schon sichtbar schwanger. Die Familie würde daher in Kürze ein Kindermädchen benötigen. Sie öffnete das angehängte Bild und lächelte: Es war ein Foto der Ehefrau. Sie hätte eine große Schwester von Oxana sein können. „Oxana von Hohenstein“, sprach sie leise vor sich hin. „Hört sich gar nicht so schlecht an!“ Sie wies Boris an, sie über die Familie auf dem Laufenden zu halten.
Ein neues Jahr begann und sie erledigte die Prüfungen mit Glanz und Gloria. Der Euro wurde als Buchgeld offiziell eingeführt. Nikolaj wurde dank ihr zum Vizechef des Kartells, was für ihn aber auch bedeutete, regelmäßig nach Moskau fliegen zu müssen. Deshalb vertrat ihn Michail öfter in Irkutsk. Die Geburt des neuen Hohenstein wurde Anfang März erwartet. In Oxanas Leben würden einige Veränderungen stattfinden.
17.
Dank Boris hatte die Familie von Hohenstein nur zwei Stunden, nachdem sie offiziell nach einem Kindermädchen gesucht hatte, Oxanas Bewerbungsunterlagen im Briefkasten. Nikolaj hatte dafür bei einigen Geschäftsfreunden Gefallen eingefordert, die Referenzen erstellten, denen zufolge Oxana kurz vor der Heiligsprechung stand. Die von Hohensteins waren so begeistert von der Bewerbung, dass sie Oxana direkt zu einem Bewerbungsgespräch einluden.
Nach einem Zwischenstopp in Moskau landete Oxana Mitte Januar in Frankfurt am Main. Zum ersten Mal allein auf so einem riesigen Flughafen, benötigte sie etwas Zeit, bis sie, die Koffer hinter sich herziehend, in die Empfangshalle marschierte. Dutzende Menschen standen dort zu beiden Seiten des Ganges und hielten Schilder mit Namen in die Höhe. Sie musste kichern, als sie auf einem 'Gräfin Oxana' las. Grinsend ging sie dorthin und wurde dort von Boris umarmt und auf die Wangen geküsst.
„James, bringen Sie bitte mein Gepäck in den Wagen.“
„Selbstverständlich, Miss Sophie“, antwortete er schmunzelnd.
„Pass aber auf das Tigerfell auf“, lachte sie zurück.
Boris tat so, als wäre er gestolpert, woraufhin beide loslachten.
Beeindruckt stand sie wenig später vor Boris' silbernem Bentley und betrachtete die Luxuskarosse von allen Seiten. „Dir scheint es ja nicht schlecht zu gehen!“
„Ich kann nicht klagen, man kommt über die Runden.“
„Ich schätze, im Dorf müsste man für den Wagen etwa dreihundert Jahre arbeiten.“
„Damit wirst du nicht hinkommen.“
„Ich bin schon auf dein Haus gespannt, von dem Mischa so geschwärmt hat.“
„Wirst du in dreißig Minuten sehen.“
„So weit außerhalb wohnst du?“
„Nein, aber der Flughafen ist vor der Stadt.“
Fünf Minuten später verstand Oxana, was er meinte. Sie fuhren an weiten Wiesen vorbei und folgten Hinweisschildern in die Innenstadt. Gerade als die Umgebung anfing, nach Stadt auszusehen, bog Boris auf ein Grundstück ab. Das Tor der Garage öffnete sich automatisch, als er darauf zufuhr. Diese allein war schon größer als das Haus ihrer Eltern. Boris parkte den Bentley neben einem roten Geländewagen und einem dunkelblauen Audi 200. Trotzdem wirkte die Garage leer. Oxana sah sich beeindruckt um, schon gespannt, den Wohnbereich zu sehen. Boris holte die Koffer aus dem Auto und betrat den nächsten Raum. Es war ein riesiges Wohnzimmer, mit einem Pool. Zu den angrenzenden Zimmern gab es keine Türen, sondern große Durchgänge. Boris ging auf einer freitragenden Treppe in das Obergeschoss.
Oben angekommen, führte er Oxana in ein Schlafzimmer. „Das ist eines der Gästezimmer, in dem du übernachten kannst. Wenn du ausgepackt und dich frisch gemacht hast, – ich warte unten auf dich.“
„Danke, ich bin in zehn Minuten da.“
Boris verließ das Zimmer und Oxana verstaute den Inhalt des Koffers im Kleiderschrank. Dann zog sie sich aus und legte die Kleidung an, die sie sich für das Vorstellungsgespräch besorgt hatte.
Boris saß auf der Couch und nippte gerade an einem Weinglas, da hörte er Oxanas Absätze klackern. Er drehte sich um und konnte ein Kichern nicht unterdrücken. Ein unschuldig aussehendes Schulmädchen stieg die Treppe hinab.
„Was gibt es da zu lachen?“
„Mein Gehirn versucht nur die Geschichten über dich und das Bild, was ich sehe, in einen Kontext zu bekommen.“
„Ob ich so die Stelle als Nanny bekomme?“
„Ich würde dich, so wie du aussiehst, auch ohne Kinder als Kindermädchen einstellen.“
„Denken Männer auch mal an was anderes?“
„Hat dein Outfit nicht genau den Zweck, dass Frederik daran denkt?“
„Stimmt. Und nach dem, was ich über ihn weiß, wird er viel Selbstbeherrschung benötigen, um nicht direkt über mich herzufallen.“
„Die brauche ich auch gerade“, erwidert er. Dabei zwinkerte er ihr zu und zog sie mit Blicken aus.
„Bewirbst du dich etwa gerade als Sklave?“
Boris schwieg, sah aber nachdenklich aus. Sie saß schon mehrere Minuten neben ihm auf der Couch und nippte an einer Cola, die er für sie bereitgestellt hatte, als er mit einer Frage antwortete: „Würde ich dann auch sexuell auf meine Kosten kommen?“
„Kommt darauf an, wie gehorsam du bist und ob du mich dazu triggern kannst.“
Er hatte erst nicht mit dem Gehirn gedacht, doch es meldete sich noch rechtzeitig zurück: „Wir sollten Berufliches und Privates nicht vermischen.“
Oxana grinste verschmitzt, denn sie sah ihm an, dass er die Entscheidung bereute. „Wann müssen wir los?“, wechselte sie das Thema.
„Möchtest du vorher oder nachher essen?“
Oxana blickte auf ihre Cartier, dann antwortete sie: „Danach.“
„Die solltest du ablegen und die anderen Schmuckstücke auch. Könnte deine Legende unglaubwürdig machen.“
Sie nickte. Geschmeide für fast hunderttausend Franken und eine Bewerbung als Au‑pair‑Nanny passten wirklich nicht zusammen. Bei einem vermögenden Mann wie Frederik von Hohenstein war anzunehmen, dass er die Echtheit und damit den Wert erkannte. Sie nahm den Schmuck ab und verstaute alles in der Handtasche.
„Wie erklärst du den Behörden eigentlich das Haus und die Autos? Glaube kaum, dass du deinen Anteil an den Geschäften dem Finanzamt meldest.“
„Das Gesicht von denen würde ich zu gerne sehen.“
„Guten Tag, Herr Finanzbeamter. Ich habe gerade drei Laster Waffen verkauft und dafür zwei Millionen Provision bekommen. Wie muss ich die versteuern?“ Boris hielt sich vor Lachen den Bauch. Es dauerte ein paar Minuten, bis er wieder in der Lage war zu antworten. „So, wie ich sie kennengelernt habe, antwortet der Beamte 'Da sind sie in der falschen Abteilung'.“
Jetzt lachte auch Oxana.
„Ich betreibe hier offiziell eine Transportfirma und zahle dafür tatsächlich Steuern. Aber wenn da mal einer nachrechnet, habe ich echt ein Problem.“
„Hast du die Firmenunterlagen hier im Haus?“
„Ja, wieso?“
„Zeige sie mir mal.“ Boris stand auf und kam zehn Minuten später mit mehreren Aktenordnern zurück. Oxana schnappte sich den Ersten und fing an, ihn zu überfliegen. Zwei Stunden danach legte sie den letzten Ordner wieder auf den Tisch. „Ich habe eine Idee, ich erkläre es dir heute Abend. Jetzt müssen wir bestimmt langsam los?“
„Eilt zwar noch nicht, aber können wir machen.“ Sie gingen zurück in die Garage und stiegen in den Audi ein. Wenn Schmuck unpassend war, ein Bentley erst recht. Eine halbe Stunde später fuhren sie auf das Anwesen der Familie von Hohenstein in Bad Isenburg. Sie warteten bis fünf Minuten vor dem Termin, dann stieg Oxana aus.
Oxana blieb in einiger Entfernung vor dem Gebäude stehen und betrachtete es. „Mein Haus gefällt mir“, sagte sie zu sich selbst. Dann stolzierte sie auf die Eingangstür zu und drückte auf die Klingel. Es dauerte einige Sekunden, bis sie Schritte hörte und schließlich die Tür geöffnet wurde. Ein Mann, Ende fünfzig, der Kleidung nach eindeutig der Butler, stand vor ihr. „Sie wünschen?“
„Oxana Michailowna Pablow, ich habe einen Termin bei Herrn von Hohenstein.“
„Natürlich, treten sie ein, der Herr erwartet sie schon.“ Der Butler legte eine solche Unterwürfigkeit an den Tag, dass sie sofort an Juri denken musste. Den Stolz auf die Tätigkeit zeigend, schritt er durch das Haus und führte Oxana zu einem großen Arbeitszimmer.
„Herr von Hohenstein, die Nanny ist eingetroffen.“
„Danke William, bringen Sie sie bitte herein.“
Oxana betrat das Zimmer. Hinter einem schweren Schreibtisch saß ein Mann mit schwarzen Haaren und einem schmalen Gesicht. Erste graue Ansätze zeigten sich an den Schläfen. Als sie vor ihm stand, griff der Hausherr nach einer Brille und setzte sie auf. Dann sah er zu dem Mädchen auf. Es war nur ein kurzes Blitzen in den Augen, das Oxana aber trotzdem nicht entging. Sie war überzeugt, könnte sie durch das Holz des Tisches sehen, hätte sie eine dicke Beule in der Hose erblickt. Sie wunderte sich über das Fehlen der Gattin. Wie dumm war diese, eine solche Personalentscheidung allein dem Mann zu überlassen.
„Setzen Sie sich bitte.“
„Danke, Herr von Hohenstein.“ Beim Hinsetzen hob sie das Kleid gerade so weit an, dass er einen Blick auf das Höschen erhaschen konnte. Nachdem sie sich hingesetzt hatte, fesselten die beiden Rundungen in der tief ausgeschnittenen Bluse seinen Blick.
„Ihre Referenzen sind ja wirklich ausgezeichnet. Wieso bewerben Sie sich auf eine Stelle hier in Deutschland?“
„Ich habe in die Schule Deutsch gelernt und möchte mein Kenntnisse weiter verbessern.“ Sie sprach absichtlich leicht gebrochen und mit Fehlern.
„Das ist sehr löblich. Es heißt der Schule und meine Kenntnisse.“
„Danke“, antwortete sie verlegen, und tat so, als würde sie versuchen, es sich zu merken.
„Wie lange läuft ihre Aufenthaltsgenehmigung?“
„Als Au‑pair sechs Monat, wenn ich dann ein Festanstellung nachweisen kann, verlängert sie sich um weiter zwei Jahre.“
„Dann betrachten wir die Au‑pair Zeit als Probezeit und Sie bekommen danach einen richtigen Arbeitsvertrag. Ist das okay für Sie?“
Oxana musste sich beherrschen, um die Freude nicht zu überschwänglich zu zeigen. „Wo werde ich wohnen und was verdiene ich?“
„Wir richten ein Zimmer neben dem Kinderzimmer für sie ein. Als Au‑pair dachte ich an fünfhundert Mark Taschengeld. Sobald die Probezeit vorbei ist, bekommen Sie dann ein richtiges Gehalt.“
„Wann fange ich an?“
„Mein Stammhalter wird im März erwartet, wie wäre der erste März?“
›Über sechs Wochen soll ich dich also jetzt in deinen feuchten Träumen verfolgen?‹, dachte sie und hoffte, seine Potenz würde in der Zeit nicht explodieren. Eine Frau kurz vor der Entbindung dürfte kaum die ideale Möglichkeit sein, um der Erregung Luft zu verschaffen.
Zehn Minuten später verließ Oxana das Haus der von Hohensteins und stieg in den wartenden Audi ein. Dabei setzte sie einen Gesichtsausdruck auf, dem jeder Pokerspieler Respekt gezollt hätte. Boris verlor schließlich die Geduld. „Und?“
„Der Fisch ist am Haken“, dabei verwandelte sich das Pokerface in ein breites Grinsen.
„Dann sollten wir das jetzt feiern. Da ich weiß, wie gerne du gehoben isst, habe ich etwas vorbereitet.“
„Dann trete mal aufs Gas.“
Noch bevor Boris den Wagen vom Anwesen auf die Straße steuerte, hatte Oxana ihre Schmuckstücke wieder angelegt. Tief in den Sitz zurückgelehnt, grinste sie.  Eine Stunde später musste sie zugeben, dass Boris nicht zu viel versprochen hatte. Sie saßen in einem Nobelrestaurant, das die Sterne zurecht erhalten hatte. Ihre Gabel trennte, wie bei einem Stück weicher Butter, einen Bissen vom Kobesteak ab, den sie dann durch den Dip aus Knoblauch und Olivenöl zog und in den Mund steckte. Wie Eis zerfloss das Fleisch auf der Zunge. Schließlich stand vor ihr ein Dessert, bei dem sie einen Moment zögerte, dieses Kunstwerk wirklich zu zerstören, nur um es zu essen. Nachdem sie sich doch dazu entschlossen hatte, schob sie zehn Minuten später den leeren Teller beiseite. Nur die aus reinem Zucker gefertigte Deko hatte den Angriff überlebt. Auch Boris hatte wenige Sekunden danach seine Crème brûlée verspeist.
„Was hast du bis zum Rückflug noch vor?“
„Ich brauche ein Bankkonto in Deutschland, eine Wohnung in der Nähe der von Hohensteins und ein Motorrad. Ich habe gehört, bis 80 ccm darf man hier bereits mit sechzehn fahren.“
„Mischa hat schon erzählt, dass du gerne Motorrad fährst und er sich jedes Mal in die Hose macht, wenn er mitfährt.“
„Dieser Schisser, der fährt wie ein Opa mit Hut.“
Boris musste bei der Vorstellung von Michail mit einem Altherrenhut lachen. „Einen Führerschein hast du in Russland?“
„Wo mein Pass herkommt, gibt es auch Führerscheine.“
Grinsend nickte er. „Dann nehme ich die Abkürzung über Kolja, damit ich ihn bekomme. Ich regel das dann, damit er in Deutschland anerkannt wird. Wie groß soll die Wohnung sein?“
„Zwei Zimmer, Küche und Bad sollten reichen. Ein guter Internetanschluss ist wichtig. Ich muss mit Sascha in Verbindung bleiben.“
„Also ein Zimmer als Arbeitsraum mit Computer?“
„Richtig. Ein Bett werde ich nicht brauchen, besser eine Schlafcouch.“
„Ich schau mich um. Ein Konto machen wir morgen, das sollte kein Problem sein.“
„Ich werde Ende Februar zurückkommen, dann haben wir noch drei oder vier Tage Zeit, alles nötige zu besorgen.“
„Dann erzähl mir mal, was für eine Idee du mit meiner Firma hast!“
„Du weißt ja, dass wir in Irland, Malta und Zypern jetzt Firmen haben. Diese könnten dir einerseits Aufträge zuschustern und andererseits absetzbare Ausgaben auferlegen. Mehrwertsteuern werden bei Auslandsgeschäften erstattet, und zwar in dem Land, wo sie anfallen. Du brauchst nur Tochterunternehmen in den drei Ländern und jeweils ein Bankkonto.“
„Aber das Geld muss ich doch dann dort versteuern?“
„Aber nur zu ein oder zwei Prozent und nicht zu zwanzig oder mehr wie hier.“
„Und das ist legal?“
„Wenn nicht, säßen die Firmenchefs aller größeren Unternehmen im Knast.“
„Verstehe ich das richtig? Ich erkläre meinen Reichtum damit, dass ich dem deutschen Finanzamt Geld vorenthalte?“
„Darauf läuft es hinaus.“
Boris lachte los: „Mischa hat recht, du hast es nicht nur faustdick hinter den Ohren, du bist auch zehnmal chemisch gereinigt.“
„Wenn eine Bank bei Geschäftsschluss nicht nur die Eingangstür, sondern auch noch den Safe offen stehen lässt, darf sie sich nicht wundern, wenn der Safe am nächsten Morgen leer ist.“ Er hielt sich vor Lachen den Bauch. Nachdem er sich ein paar Tränen aus den Augenwinkeln gewischt hatte, bezahlte er und sie fuhren zu ihm nach Hause.
Dort legte Oxana direkt die Kleidung ab, die so gar nicht zu ihr passte. Sie wollte sich gerade etwas Gewohntes anziehen, da fiel ihr der Pool ein. Im Badezimmer fand sie ein Handtuch, das sie um den Oberkörper wickelte. Selbst als sie es so weit heruntergezogen hatte, dass die Nippel nur noch gerade bedeckt waren, war es unten zu kurz, um alles zu bedecken. Jetzt galt es zu testen, ob Boris nicht doch Lust hatte, den Sklaven zu spielen. Sie holte aus dem Koffer ein paar Objekte und ging zur Treppe. Auf der obersten Stufe legte sie einen kleinen Gegenstand ab, bevor sie lautlos herabstieg. Sie sah Boris in eine Zeitung vertieft, mit einem roten Stift Mietanzeigen einkreisen. Um ihn auf sich aufmerksam zu machen, sprang sie die letzten zwei Stufen herab. Er wandte sich um und sah Oxana hinterher, wie sie auf den Pool zuging. Das Handtuch erlaubte einen freien Blick auf die untere Hälfte der Pobacken und es benötigte nicht viel Fantasie, um zu wissen, von der anderen Seite würde man noch weit tiefere Einblicke bekommen. Schlagartig hatte er das Gefühl, dass es sehr heiß in der Wohnung geworden war. Dann erreichte Oxana den Poolrand, ließ das Handtuch zu Boden gleiten und die Gegenstände in der Hand darauf fallen. Sie gewährte Boris einen kurzen Blick auf die nackte Rückenansicht, bevor sie ins Wasser sprang. Er legte die
Zeitung beiseite und begab sich zum Pool. Sie bemerkte es und hörte mit den Schwimmbewegungen auf. Als die Füße den Beckenboden berührten, befanden sich die Brüste genau unter der Wasseroberfläche. Den Blick auf diese perfekten Hügel gerichtet, spürte Boris eine Reaktion in der Hose, die auch Oxana nicht entging. Mit unschuldigem Engelsblick sah sie ihn an. „Sieht so aus, als hättest du jetzt zwei Optionen. Du gehst kalt duschen, oder du ziehst dich aus und legst an, was auf dem Handtuch liegt.“
Boris fiel noch eine dritte ein. Er war jedoch darüber informiert, dass sie sich zu wehren wusste, und es hätte ihm den Zorn Nikolajs eingebracht, der gerade die Karriereleiter in der Organisation nach oben kletterte. Deshalb verwarf er diese Option und sah sich an, was auf dem Handtuch lag: Es handelte sich um fünf schwarze Ledermanschetten und eine Augenbinde. Boris hatte sich noch nie in solcher Form einer Frau ausgeliefert, doch beim Anblick des jungen erotischen Körpers erregte ihn der Gedanke immer mehr. Oxana würde nicht zu weit gehen, um keine unnötigen Spannungen in die Arbeitsbeziehung zu bringen. Denn sie würden beide noch länger zusammenarbeiten müssen. Diese Überlegung gab schließlich den Ausschlag. Lächelnd beobachtete sie, wie er sich vor ihren Augen langsam auszog und auf den Boden setzte. Er war bei Weitem nicht so muskulös wie Roman, aber trotzdem durchtrainiert. Beim Anlegen der Fesseln stellte er sich etwas ungeschickt an, woraus sie schloss, dass er es noch nie gemacht hatte. Die Vorstellung, die erste Frau zu sein, der er als Sklave dienen würde, erregte sie. Nachdem er die Manschetten um Hals und Gelenke angelegt hatte und die Augenbinde aufsetzen wollte, befahl sie ihm, sich vorher hinzuknien und danach mit den Händen an die Fersen zu fassen. Als er die befohlene Position eingenommen hatte, stieg Oxana aus dem Wasser und holte das, was sie auf der Stufe versteckt hatte. Es waren zwei verbundene Metallringe, an denen sich je zwei Ketten mit Karabinerhaken befanden. Damit fesselte sie die Hände und Füße von Boris zusammen und begab sich zurück ins Schlafzimmer.
Für Boris war die Situation absolutes Neuland. Er fühlte sich unwohl, doch trotzdem erregte es ihn. Deutlich spürte er das Blut im Lustspender pulsieren. Nachdem er gehört hatte, wie Oxana aus dem Wasser stieg, hatte er das Gefühl, allein im Haus zu sein – so leise bewegte sie sich. Deshalb überraschte es ihn, sie an den Händen und Füßen zu spüren. Dann war er wieder allein. Er versuchte, die Hände zu bewegen und stellte fest, dass sie gefesselt und an den Füßen befestigt waren. Langsam wurde er sich bewusst, dass er wehrlos und ihr bedingungslos ausgeliefert war. Boris fragt sich, was sie jetzt anstellen würde, doch es dauerte fünfzehn Minuten – die ihm wie Stunden vorkamen – bevor er die Absätze auf der Treppe wahrnahm. Wie ein drohendes Unheil hörte er Oxanas Schritte näherkommen. Das Gefühl, die falsche Entscheidung getroffen zu haben, verstärkte sich. Doch genau das ließ auch seine Erregung ansteigen. Dann wurde die Augenbinde abgenommen und der Anblick verschlug ihm den Atem.
„Du warst böse und musst bestraft werden.“
Der Ton erinnerte Boris an eine Grundschullehrerin, die ihn damals eingeschüchtert hatte. „Ich bin nie böse“, versuchte er mitzuspielen.
„Du hast also nicht an eine dritte Option gedacht?“
Plötzlich fühlte er sich wieder als kleiner Junge, der von der Mutter beim Naschen am Obstkuchen erwischt wurde.
Innerlich lächelte Oxana darüber, richtig vermutet zu haben, ohne allerdings den strengen Gesichtsausdruck zu verändern.
„Nur ganz kurz“, stammelte Boris verlegen.
„Das heißt 'Ja, Gospozha!'“ Dabei streichelte sie mit der Gerte von den Hoden bis zum Ende des aufgerichteten Lustspenders und legte dann das Lederpaddel auf die Spitze der Eichel. „Siehst du ein, dass du eine Strafe verdient hast, Sklave?“ Das Paddel rieb über die Penisspitze. Boris betete, dass Oxana die Schmerzen, die seine Erregung inzwischen erzeugte, befreite.
„Ja, Gospozha.“ Schuldbewusst verschlang sein Blick den komplett in schwarzem Leder gekleideten heißen Körper. Die hohen Absätze machten Oxana über einen Kopf größer. Die Füße standen weit genug auseinander, dass er das Ende ihrer Beine hätte erblicken können, wenn Oxana nicht etwas mehr als eine Armlänge entfernt gestanden hätte. Der obere Rand der Stiefel wurde von einem kurzen Lederrock verdeckt und Boris fragte sich, ob sie ein Höschen darunter trug. Das Korsett formte den ohnehin schon makellosen Körper auf raffinierte Weise und endete nur Millimeter oberhalb der Nippel. Die Brüste wurden dadurch so angehoben, dass sie zwei Nummern größer erschienen. Die blasse nackte Haut darüber bot einen erotischen Kontrast zu dem schwarzen Leder des Korsetts und den langen Lederhandschuhen.
Den Abstand zu ihm einhaltend, umkreiste Oxana ihn und löste die zwei Ringe voneinander. Zwar waren sowohl die Hände als auch die Füße noch gefesselt, doch nicht mehr aneinander.
„Beuge dich vor, küsse den Boden und hebe deinen Hintern so weit hoch, wie es dir möglich ist.“ Sie haute einmal auf jede Pobacke. Dabei dosierte sie die Härte so, dass das Paddel zwar klatschend aufschlug, es aber nicht schmerzhaft war. Inzwischen hatte sie ausreichend Erfahrung, um mit dem Disziplinierungsgerät in jeder gewünschten Stärke zuzuschlagen. „Beine auseinander, bis die Kette gespannt ist.“
Der Beutel mit den Kronjuwelen schwang jetzt zwischen Boris Beinen hin und her. Das Paddel glitt durch die Pospalte dorthin, bis sie es direkt darunter hielt. Sie spielte mit ihnen wie mit Tischtennisbällen. Dabei begann sie sehr sacht und steigerte es, bis die Treffer akustisch zu vernehmen waren. Dann fing sie mit leichten Schlägen auf den Po an. Erst nach dreißig verstärkte sie diese auf eine Härte, die Boris als Schmerzen wahrnahm. Dabei ließ sie den Lustspender nicht aus den Augen. So konnte sie erkennen, ob ihn die Hiebe noch erregten. Erst als der Po die Farbe eines Sonnenbrandes hatte, hörte sie auf und stellte sich wieder vor ihn. „Lecke meine Stiefel, Sklave.“
Er setzte die Zunge auf der linken Stiefelspitze an und leckte den Fuß entlang. Ein brennender Schmerz zuckte von hinten durch seinen Körper. Boris ließ ein leises „Aua.“ entweichen.
„Über den ganzen Stiefel, du wertloser Sklave.“
Beim zweiten Versuch leckte die Zunge langsam den Schaft hinauf. Die Stirn hob den Rock an, dann klatsche es erneut auf seinen Hintern.
„Ich sagte Stiefel. Erkennt deine nutzlose Zunge nicht den Unterschied zwischen Stiefel und Haut?“
Obwohl der letzte Schlag noch immer brannte, lächelte er: Er hatte die Antwort auf seine Frage herausgefunden – sie trug keines. Der Anblick und Geruch von Oxanas Muschi waren die Schmerzen wert gewesen.
„Jetzt den anderen.“
Dieses Mal beherrschte er sich, denn einen weiteren Schlag war etwas nicht wert, wovon er überzeugt war, dass sie es ihm noch freiwillig zeigen würde. Nachdem die Zunge den Stiefel abgeleckt hatte, nahm Oxana die Augenbinde und setzte sie ihm wieder auf. Dann löste sie an einer Hand den Karabiner. Sie führte Boris Hände vor den Körper und befestigte ihn wieder. Jetzt hakte sie den Karabiner einer Lederleine, die zuvor in einer Tasche an den Stiefel versteckt war, am Halsband fest und führte Boris zum Wohnzimmertisch. Sie nahm alles vom Tisch und legte es auf einen Sessel, dann befahl sie, darauf zu krabbeln.
Kniend wartete er auf weitere Befehle, die bald auch kamen.
„Oberkörper aufrecht und Hände in den Nacken.“ Sie löste die Leine vom Halsband und benutzte den Karabinerhaken daran, um die Hände im Nacken ans Halsband zu fixieren. „Knie auseinander. Soweit es geht.“
Zufrieden betrachtete Oxana ihr Werk. Zwischen Boris gespreizten Schenkeln stand der Lustspender steif in die Höhe. Sie ergriff ihn und ließ ihn durch die Hand gleiten. Erst als sie am schweren Atem hörte, dass Boris kurz vor einem Orgasmus stand, hörte sie auf. Die Vorhaut war zurückgezogen und erlaubte einen freien Blick auf die Eichel. Sie holte aus dem Stiefel einen Gummiring und einen Ballknebel heraus. Nachdem sie den Ring um Penis und Hoden gezogen hatte, knebelte sie Boris und holte eine Cola. Den Blick genau zwischen seine Beine gerichtet, machte sie es sich auf der Couch bequem. Während sie sich an der Cola gütlich tat, streichelte sie mit der Gerte über den ihr ausgelieferten Körper. Etwa jede Viertelstunde ergriff sie mit der Hand den Luststab und brachte Boris bis kurz vor einen Höhepunkt. Sie genoss dabei seine Qualen der nicht befreiten Erregung. Inzwischen wäre Boris zu allem bereit gewesen, um seine schmerzende Lust befreien zu dürfen. Als er schon überzeugt war, in einer Gummizelle aufzuwachen, löste sie seine Hände vom Halsband und befahl ihm, sich mit dem Rücken auf den Tisch zu legen. Zwischen zwei verweigerten Höhepunkten hatte sie Seile aus ihrem Zimmer geholt. Sie entfernte die Karabiner an den Handmanschetten und fesselte die Hände an die Tischbeine. Danach wiederholte sie Gleiches mit den Füßen. Sie nahm die Augenbinde und den Knebel ab und hockte sich über sein Gesicht, bis die Muschi fast seine Lippen berührte. „Jetzt lecke mich. Wenn es mir gefällt, darfst du vielleicht kommen.“ Sie war überzeugt, ihn so weit zu haben, dass er dafür auch ihre Verdauungsreste geschluckt hätte. Erfreut stellte sie fest, dass Boris sehr viel mehr Erfahrung mit dem Einsatz der Zunge hatte als mit der Rolle des Sklaven. Nachdem er sie zweimal zum Höhepunkt geleckt hatte, erhob sie sich und spielte mit der Zunge an der Eichel. Es war gar nicht mehr nötig, den Lustspender in den Mund zu nehmen, denn nach wenigen Sekunden keuchte er schon und kurz darauf spritzte seine Lust an ihrer Nase vorbei in die Höhe und landete auf seiner Brust. Während Boris' Gehirn auf dem Rückweg vom Trip in ein anderes Universum war, befreite Oxana dessen Gliedmaßen von den Seilen. Sie ließ den völlig geschafften Mann auf dem Tisch zurück und begab sich ins Schlafzimmer. Zwei Stunden später wachte sie kurz von Duschgeräuschen auf. Grinsend drehte sie sich um und schlief weiter.
Deutlich vor Boris wachte Oxana am nächsten Morgen auf. Sie hatte Hunger und war einem Morgenspaziergang nicht abgeneigt. Schick, aber nicht zu auffällig gekleidet, verließ sie das Haus und machte sich auf die Suche nach dem, auf der Hinfahrt entdeckten, Bäcker. Fünfzehn Minuten später fand sie den Gesuchten. Für den Rückweg wählte sie, mit einem Beutel Gebäck an der Hand, den Weg über die Feldwege. Dabei fiel ihr auf, dass die Luft nicht so sauber war wie in ihrem Dorf: Anscheinend der Preis für ein Leben im Luxus der Großstadt. Sie blieb öfter stehen, um die fast minütlich startenden Flugzeuge zu beobachten. Trotz des Umwegs fand sie, dank der antrainierten Orientierung, zielsicher zu Boris Haus zurück. Dieser kam gerade frisch geduscht im Morgenmantel die Treppe herunter, als sie ins Wohnzimmer kam.
„Du Biest“, begrüßte er sie, mit einem Schmunzeln auf den Lippen.
„Wünsche dir auch einen schönen Morgen. Hat es dir nicht gefallen?“
„Es war eine interessante Erfahrung, doch ich glaube, auf Dauer wäre das nicht mein Ding.“
Weil er das frische Gebäck gerochen hatte, holte er Geschirr und deckte den Tisch. „Was trinkst du?“
„Was hast du denn anzubieten?“
„Mein Kaffeeautomat kann fast alles. Sogar Tee und Kakao.“
„Dann eine Latte.“
„Kommt sofort die Dame.“ Sekunden danach hörte sie, wie die Kaffeebohnen gemahlen wurden. Drei Minuten später erschien Boris mit zwei Tassen in der Hand wieder am Esstisch. Oxana hatte inzwischen den Einkauf in eine Bastschale geschüttet. Er sah auf den Berg an Gebäck und fragte sich, wer das alles essen sollte.
„Tut der Hintern noch weh?“, fragte sie schelmisch grinsend.
„Ein wenig“, lachte er zurück. „Ich dachte schon, ich ende in einer Gummizelle.“
„Zum Windeln wechseln musst du dir aber jemand anderes suchen.“
„Du wirst demnächst eine Menge Windeln wechseln müssen.“
Sie blickte mit einem grimmigen Gesichtsausdruck auf. „Erinnere mich nicht daran.“
Dann lachten beide herzlich.
Eine Stunde später beantwortete sich seine anfängliche Frage und er fragte sich jetzt, wie sie bei diesem Appetit so eine tolle Figur haben konnte. Weitere dreißig Minuten danach erkannte er den Grund. Nur mit einem Sport‑BH und einem Höschen bekleidet, lag sie im Fitnessraum auf der Hantelbank und stemmte achtzig Kilogramm in die Höhe. Jetzt, wo die Muskeln warm und im Einsatz waren, konnte er sehen, wie durchtrainiert Oxana war. Plötzlich stellte Boris fest, dass seine Hose anfing, sich auszubeulen. Selbst wenn er vor wenigen Stunden, dank ihr, den Orgasmus seines Lebens hatte, hielt er den jetzigen Zeitpunkt unpassend für eine Fortsetzung. Er wandte sich ab und machte Qi‑Gong‑Übungen. Minuten später sah ihm Oxana interessiert dabei zu. Er wirkte hochkonzentriert und wie in ein anderes Universum versetzt. Nach einer gefühlten Ewigkeit kehrte sein Geist zurück.
„Was war das?“, wollte sie wissen.
„Qi‑Gong, eine asiatische Meditationsübung.“
„Bist du ein kleiner Bruce Lee?“
„Aber nur ein ganz Kleiner“, lachte er zurück.
„Welche Kampfsportart machst du?“
„Ninjutsu und Kendo.“
„Bist du gut?“
„Es gibt immer einen Besseren, aber ich weiß mich zu verteidigen. Möchtest du es lernen?“
„Interesse hätte ich schon.“
„Wir werden uns ja bald häufiger sehen, das könnte man verbinden. Hast du schon Kenntnisse von Kampfsportarten?“
„Mischa hat mich in Systema ausgebildet. Ich denke, verteidigen kann ich mich auch.“
Boris lachte. „Dann hätte mir Option drei wohl einige Beulen eingebracht!“
Sie grinste zurück. „Es hätte dir auf jeden Fall den Spaß am Vorhaben genommen.“
„Glaube ich gerne. Zeig mal, wie gut du bist.“ Daraufhin ging er in Kampfstellung und wenig später hätte jeder uneingeweihte Zuschauer geglaubt, es fände ein Kampf auf Leben und Tod statt. Nach zwanzig Minuten lagen beide schweißgebadet und erschöpft auf dem Boden und streckten die Gliedmaßen von sich.
„Mischa muss ein guter Lehrer sein!“
„Und ein guter Freund. Du bist aber auch nicht ohne.“
„Ich mache das auch schon seit zwanzig Jahren, aber du erst seit zwei. Wenn du Interesse hast, besorge ich dir eine Kendoausrüstung. Es wäre nett, sich nicht immer einen Partner suchen zu müssen oder gegen einen imaginären Gegner zu kämpfen.“
„Gerne, hat Spaß gemacht und ist bestimmt nützlich, auch den Umgang mit anderen Waffen als einem Messer zu beherrschen.“
„Mit einer Pistole sollst du aber auch nicht schlecht sein.“
„Die ist aber ungeeignet für den Nahkampf.“
„Da hast du recht.“
Kurz darauf regte sich wieder etwas zwischen Boris Beinen, als Oxana sich auszog und ins Bad verschwand. Mit einem Handtuch um den Körper und einem wie einen Turban um die Haare gewickelt, verließ sie ein paar Minuten später das Bad. Jetzt betrat Boris es, um auch seinen verschwitzten Körper in einen vorzeigbaren Zustand zu bringen.
Zwei Stunden später verließen sie eine Bankfiliale. Die Bankkarte würde zwar noch an Boris Adresse zugeschickt werden, doch das Konto war bereits eröffnet. Ein Anruf in Zürich sorgte dafür, dass es mit zweitausend Mark gefüllt war. Den Rest des Tages zeigte Boris ihr Frankfurt, wobei sie auch ein Geschenk für Michail fand. Nach einem Restaurantbesuch am frühen Abend fuhren sie wieder zu Boris. Am folgenden Tag wurde Oxana von ihm zum Flughafen gebracht.
18.
Gegen Ende des Monats stand Michails Hochzeit an. Svetlana kannte seine wahren beruflichen Aktivitäten nicht und das sollte auch so bleiben. Deshalb feierte er im Dorf ohne das Kartell. Nur Nikolaj erschien dort mit der Legende, zusammen mit Michail gedient zu haben. Dafür war aber die ganze Gemeinde zu Gast, um dem Paar zu gratulieren. Alle hatte das Schicksal von Svetlana und ihrem Bruder – so früh die Eltern zu verlieren – betroffen gemacht. Jetzt waren sie umso erfreuter, dass beide noch ihren Weg gefunden hatten. Auch für den örtlichen Priester war diese Veranstaltung ein Highlight, denn in einem kleinen Dorf finden nicht oft Hochzeiten statt. Weil Oxana noch keine achtzehn war, fiel es Nikolaj zu, Michails Trauzeuge zu sein. An der Seite von Svetlana stand Bürgermeister Ramow, der es sich nicht nehmen lassen wollte, das Ehrenamt des Brautführers für das Waisenkind des Dorfes zu übernehmen. Zusammen begaben sie sich zum Westteil der Kirche und warteten auf das Erscheinen des Priesters. Gespannt starrten alle auf die königliche Tür. Es ging ein Raunen durch die Menge, als diese sich öffnete und der Priester mit einem Kreuz und dem Evangelium in den Händen heraustrat. Er schritt zum Brautpaar, übergab ihnen die Hochzeitskerzen und entzündete sie. Nachdem er das Paar beweihräuchert hatte, wurden die Verlobungsringe vom Altar geholt. Dreimal bekreuzigte er beide damit, dann überreichte er die Ringe, die sie sich gegenseitig auf den Finger steckten. Nach einem langen Gebet ging der Priester, gefolgt von den jetzt Verlobten, über ein weißes Leinentuch zum Altar. Dort angekommen stellte sich das Brautpaar davor und der Priester erhob die Stimme.
„Hast du Michail Jegorwitsch Pablow die gute und frei gefasste Absicht, diese Frau Svetlana Chochlowa, die du vor dir stehen siehst, zur Ehefrau zu nehmen?“
„Ja, ehrwürdiger Vater.“
„Hast du dich keiner anderen Braut versprochen?“
„Nein, ehrwürdiger Vater.“ Anschließend stellte er Svetlana identische Fragen, die sie wie Michail beantwortete. Der Priester sprach eine Lobpreisung und segnete die Hochzeitskronen, bevor er sie dem Brautpaar aufsetzte. Nach dem Lesen einer Bibelstelle holte er den gefüllten Weinkelch, weihte ihn und überreichte diesen Michail. Das Paar trank je dreimal davon und gab ihn zurück. Es folgten weitere Gebete und Segnungen des Priesters, besonders zur Fruchtbarkeit, wobei Oxana kichern musste. Dann schritt das gekrönte Paar durch den Mittelgang aus der Kirche, vor der eine große Festtafel aufgebaut war. Der winterlichen Kälte und den Schneemassen zum Trotz feierte das Dorf ausgelassen die Vermählung. Als eine der Ersten überreichte Oxana dem Paar ihr Geschenk. Mit einem unguten Gefühl nahm Michail es entgegen und öffnete es. Als er hinein sah, lachte er, es waren zwei hübsche Babystrampler in Rosa und Hellblau.
„Wir wollen doch nichts übereilen“, grinste er sie an.
„Der Priester hat gesagt, ihr sollt fruchtbar sein, also legt los“, konterte Oxana.
Kichernd lauschte Svetlana dem Gespräch und sah verträumt die Babykleidung an. Dann bedankten sich beide bei Oxana und nahmen weitere Geschenke entgegen. Während der Feier sprach Oxana Juri unauffällig an und befahl ihm, in zwei Tagen zur Mittagsstunde am Treffpunkt zu sein. Angesichts der Kälte löste sich die Festlichkeit überraschend spät auf.
Als sie zum verabredeten Zeitpunkt am Treffpunkt im Wald ankam, hätte sie beinahe losgelacht. Juri saß nackt und im Sklavensitz auf dem schneebedeckten Boden.
„Zieh dich an, sonst holst du dir noch den Tod.“
„Ja, Gospozha.“ Juri legte die Kleidung an und kniete sich dann wieder in den Schnee.
Oxana beobachtete ihn dabei, bemüht, ernst zu bleiben. „Du wirst doch in ein paar Wochen achtzehn?“
„Ja, Gospozha.“
„Ich werde bald das Dorf verlassen. Wenn du weiterhin mein Sklave sein möchtest, wirst du mir folgen müssen. Ist das dein Wille?“ Jede andere Antwort, als die, die folgte, hätte sie überrascht.
„Ja, Gospozha. Es wäre mir eine Ehre.“
„Dann bereite dich ab nächsten Monat darauf vor, dass der Mann, der vorgestern geheiratet hat, dich abholt und zum Flugplatz bringen wird.“
„Danke, Gospozha, dass Sie mich für würdig befinden, Sie zu begleiten.“
„Du brauchst einen Reisepass und ein Visum für Deutschland.“
„Einen Reisepass habe ich schon, Gospozha.“
Sie überreichte ihm einen Briefumschlag mit einer Bürgschaft von Boris. „Das sollte bei dem Visum helfen.“
„Danke, Gospozha. Ich werde direkt morgen in die Hauptstadt fahren und es beantragen.“ Juri strahlte über das ganze Gesicht und konnte sein Glück kaum fassen.
„Jetzt mach, dass du nach Hause kommst und sprich mit niemandem darüber.“
„Ja, Gospozha.“ Lächelnd sah sie Juri hinterher, der sich krabbelnd entfernte und erst dann aufstand und aufrecht weiterging, als er einen respektablen Abstand zu ihr hatte.
Es waren noch vier Tage bis zu Oxanas Abreise nach Frankfurt, da kam das Brautpaar aus den Flitterwochen zurück. Am folgenden Tag trafen sich Oxana und Michail zum vorerst letzten Mal in der Hütte. Sie hatte reichlich Essen von zu Hause mitgebracht und wärmte es gerade auf, als Michail eintraf.
„Hallo, Mischa. Deck schon mal den Tisch, Essen ist gleich fertig.“
„Hallo, Oxana. Riecht gut, Boeuf Stroganoff?“ Sie nickte. Michail verstaute die mitgebrachten Getränke im Kühlschrank und deckte den Tisch. Wenige Minuten später saßen sie vor den gefüllten Tellern und ließen sich das Essen schmecken.
„Hast du genug Samen bei ihr gestreut?“
„Klar, ich habe eine ganze Badewanne vollgespritzt und sie dann darin baden lassen.“
„Deshalb haben die Flitterwochen so lange gedauert.“ Die Blicke trafen sich, dann lachten Oxana und Michail los.
„Wirst du die Hütte vermissen?“
„Ja und auch das Herumalbern mit dir.“
„Wir können uns ja in Frankfurt treffen, wenn ich in der Nähe bin. Von Zürich aus ist das nur ein kleiner Hopser.“
„Zum Glück bin ich nicht ganz allein. Boris ist da und sobald ich eine Wohnung habe, lasse ich Juri nachkommen – da brauche ich deine Hilfe.“
„Wie kann ich dir denn helfen?“
„Sobald ich ihn unterbringen kann, schicke ich dir eine Nachricht. Dann hole ihn ab, bring ihn bitte nach Irkutsk und setz ihn in einen Flieger nach Frankfurt. Danach ruf Boris an und sag ihm die Flugnummer, damit er ihn abholen kann.“
„Das bekomme ich hin, muss eh öfter dahin, jetzt, wo Kolja bald nach Moskau muss.“
„Ist er befördert worden?“
„Ja, dank dir und der Rubelwaschmaschine.“
„Und du wirst sein Nachfolger?“
„So sieht es aus.“
„Wie erklärst du dann Svetlana dein ewiges Hin‑ und Herfliegen?“
„Ich werde wahrscheinlich Roman zum Stellvertreter im Syndikat aufbauen. Ihn kenne ich am längsten und vertraue ihm.“
„Stimmt, Roman hält sich an Absprachen und alle respektieren ihn. Aber hast du dann überhaupt noch Zeit für die Reisen?“
„Das war meine Bedingung, als Kolja mich gefragt hat.“
Oxana verteilte den Rest des Essens auf die Teller, die sie schweigend leerten. Während sie abspülte, holte Michail den Nachtisch aus dem Kühlschrank. Als Oxana zurück an den Tisch kam, karamellisierte er gerade mit einem Bunsenbrenner den Zucker auf der Crème brûlée. „Ist zwar nur aus dem Kaufhaus, aber gar nicht so schlecht“, erklärte er der überrascht schauenden Oxana.
„Dann bin ich mal gespannt.“ Ein paar Minuten später musste sie zugeben, dass es für ein Massenprodukt akzeptabel war.
Nachdem sie den Tisch abgeräumt hatten, baute Oxana das Schachbrett auf. Wenige Züge später fragte Michail: „Was soll eigentlich mit der Hütte passieren?“
„Habe ich auch schon überlegt. Wäre schade drum, sie verkommen zu lassen.“
„Ich werde sie instand halten. Vielleicht muss mal jemand aus dem Kartell untertauchen. Hier hat man alles, was man zum Leben braucht.“
„Gute Idee. Ein Ort, den niemand kennt, ist immer nützlich.“
„Was machst du mit dem Computer?“
„Die Dateien habe ich fast alle auf CDs kopiert. Morgen mache ich den Rest, dann lösche ich die Festplatte. Die acht CDs auf dem Schreibtisch sind für dich. Vielleicht brauchst du die Informationen irgendwann.“
„Sind das die über die Dorfbewohner?“
„Ja, eine davon. Die anderen sind lustige Filme mit dem Bürgermeister.“
„Was ist denn da drauf?“
„Es reicht, um ihn wieder zur Vernunft zu bringen, wenn er mal auf dumme Ideen kommen sollte.“
Michail konnte sich plötzlich nicht mehr auf das Spiel konzentrieren. Die Neugierde ließ ihn aufstehen und eine der CDs ins Laufwerk schieben. Sekunden später sah er den nackten Bürgermeister auf einen Strafbock gefesselt und ein in Leder gekleideter weiblicher Körper, der einen Strap‑on umgeschnallt hatte, näherte sich ihm von hinten. Der Kopf der Frau war zwar nicht zu sehen, doch er erkannte sie. Der Dildo legte sich auf die Rosette des Mannes … Michail hatte genug gesehen und drückte die Pausentaste. „Nicht dein Ernst?“
Oxana grinste ihn an. „Sollte ich etwa nein sagen, wenn er mich fürs Spaß haben bezahlen will?“
„Wie ich dich kenne, hast du die Filme anschließend mit Maria angeschaut.“
„Natürlich, hat uns dabei geholfen, ihre Kunden anzupinkeln.“
„Kann ich mir vorstellen, dass ihr beiden euch köstlich amüsiert habt.“
Michail legte die CD mit den Informationen über die Dorfbewohner ein und überflog, welche Verfehlungen sie sich geleistet hatten. „Frau Sukowa? Was hat die denn auf dem Kerbholz?“ Ein Klick später sah er eine Bilderserie, auf der eine Frau, Mitte vierzig, mit weit gespreizten Beinen auf dem Bett lag und sich von einem Hund lecken ließ. „Igitt! Das ist nicht ihr Ernst?“
„Ich würde vom Oralverkehr mit ihr abraten. Aber wenn der Mann nachts in Kinderzimmern schaut und sich einen runterholt, muss man wohl alternative Befriedigungsmöglichkeiten finden.“
Michail spuckte den Schluck Tee direkt wieder in die Tasse. „Er macht was?“
„Sieh selbst.“
Er klickte die Datei an und sah sich die Bilder an. „Dieses Schwein. Das ist doch das Zimmer von dem kleinen Karpov‑Jungen? Und allen anderen vorspielen, wie homophob er ist!“ Er studierte die Dateien, dann nahm er die CD aus dem Laufwerk und steckte alle ein. „Ich hatte Dimitrij schon immer im Verdacht, dass er seine Waren nicht legal einkauft. Weißt du auch, woher sie stammen?“
„Die Lieferanten sind Mongolen, ich tippe deshalb auf Taiwan.“
„Hast du noch mehr Überraschungen für mich?“
„Ja, eine. Du musst einmal im Monat den Baumstumpf leeren. Es würde auffallen, wenn die Spenden nicht mehr abgeholt werden, nachdem ich das Dorf verlassen habe.“
„Was soll ich mit dem Geld machen?“
Oxana überlegte ein paar Sekunden, bevor sie antwortete. „Das ganze Geld wäre zu viel für meine Mutter, sie würde Fragen stellen. Gib ihr einen Umschlag und sag, es wäre ein Teil meines Lohnes, den ich schicke. Einen gibt dem Pfarrer. Er ist der einzige Bewohner des Dorfes, dem Geld nichts bedeutet, deshalb wird er es vernünftig investieren und den Letzten verstecke hier in der Hütte.“
„Eine gute Entscheidung.“
Eine Stunde später einigten sie sich auf Remis und beendeten die Partie. Michail versprach, sie am Freitag abzuholen, denn er musste selbst auch nach Irkutsk.
Mit vier Koffern bewaffnet, stand Oxana vor dem Elternhaus. Die Mutter war wie alle Eltern. Einerseits stolz darauf, dass die Tochter so selbstständig geworden war und jetzt im Ausland arbeitete; andererseits traurig, dass das Kind dafür das Nest verließ. Bis Michail mit dem Wagen vorfuhr, flossen jede Menge Tränen. Während er die Koffer ins Auto brachte, umarmte und küsste Oxana noch einmal ihre Mutter. In letzter Sekunde steckte sie Oxana eine Tasche mit Reiseproviant zu. Als der Wagen losfuhr, sah sie etwas wehmütig auf sie und begriff, dass ihre Mutter immer für sie da war, wenn sie sie benötigte – auch wenn sie weniger als andere Kinder davon Gebrauch gemacht hatte.
Das Flugzeug nach Frankfurt flog erst am folgenden Morgen. Nachdem Oxana die Koffer am Flughafen aufgegeben hatte, fuhr sie mit Michail zu Maria. Er musste kichern, als der nur mit Ledermanschetten bekleidete Sascha die Getränke servierte. Nie hätte er gedacht, dass ausgerechnet dieser unscheinbare Nerd Marias Herz erobern würde. Er kannte aber auch nicht viele Männer, die bereit gewesen wären, diesen Preis dafür zu zahlen – und daran Gefallen gefunden hätten. Saschas Belohnungen waren zärtliche Berührungen und Küsse von Maria, für jeden erfüllten Befehl. Gegen Abend verabschiedeten sich die beiden Frauen, die so dicke Freundinnen geworden waren, unter Tränen. Maria versprach, im Sommer für einen Urlaub nach Deutschland zu kommen. Als Michail und Oxana zum Sexclub fuhren, fiel ihm auf, dass er das erste Mal bei beiden Frauen Tränen gesehen hatte. Anscheinend hatten sie doch so etwas wie ein Herz.
Michail begrüßte nur kurz die Anwesenden, dann ging er in Nikolajs Büro, das jetzt seines war. Oxana folgte ihm, auf dem Weg dorthin eine Cola ordernd. Roman wartete schon und informierte die Zwei über die neuesten Geschäfte.
„Die nächste Waffenlieferung werden wir nur mit Mühe schaffen. Wenn sie danach wieder im gleichen Abstand welche bestellen, müssen wir passen“, klagte er Michail sein Leid.
Dieser suchte in Gedanken nach einer Lösung des Problems, da mischte sich Oxana ein. „Warum habt ihr eigentlich keine eigene Waffenfabrik?“
Die Männer sahen sich verwundert an, dann zu ihr.
„Nette Idee, aber das bekommen wir nie genehmigt“, wendete Michail ein.
„Nur, wenn ihr es Waffenfabrik nennt.“
„Und wie sollen wir es sonst nennen?“, fragte Roman verwundert.
„Waffenteilefabrik.“
„Was ist da der Unterschied?“, fragten die Männer im Duett.
Oxana genoss es, die beiden Männer auf die Folter zu spannen. „Ich ahnte damals schon, dass dieses Problem entstehen könnte und habe mich informiert. Eine Waffenfabrik benötigt eine staatliche Zulassung, aber einzelne Waffenteile darf man ohne eine besondere Genehmigung herstellen.“
Während Roman noch glaubte, Oxana wollte einen Scherz machen, kannte Michail sie besser und fragte: „Wir brauchen nur für jedes Einzelteil eine eigene Fabrik und das ist alles?“
„Genau, natürlich dürfen diese nicht den gleichen Eigentümer haben.“
„Und wo sollen wir so viele Fabrikhallen finden?“, fragte Roman.
Oxana sah ihn an und klimperte mit den Augenlidern. Dann sagte sie mit zuckersüßer Stimme: „Denk mal gut nach.“
„Bei Rasputin, sie hat recht: Im alten Industriegebiet stehen jede Menge Fabrikhallen leer und man kann sie bestimmt für ein paar Rubel kaufen.“
„Aber niemand von uns hat Ahnung vom Waffenbau“, warf Michail ein.
„Es hatte auch keiner Ahnung von Wettquotenalgorithmen, dafür haben wir Sascha geholt“, konterte Oxana.
„Das muss Kolja absegnen. Lasst uns einen Plan machen, dann fliege ich morgen direkt nach Moskau und weihe ihn ein.“
Roman bestellte beim Lieferservice eine große Pizza und Michail besorgte Getränke. Kurz vor Mitternacht hatten sie alles zu Papier gebracht und gingen zu Bett.
Am folgenden Abend saß Oxana zusammen mit Boris in dessen Wohnzimmer. Er hatte Essen beim Chinesen bestellt und beide pikten mit den Stäbchen in den Schachteln herum. Sie hatte es sich nach der Ankunft nicht nehmen lassen, eine Runde mit dem neuen Motorrad im Garten zu drehen. Am folgenden Tag mussten sie zur Zulassungsstelle, um das Kraftrad anzumelden und den Führerschein zu bekommen. Zwar hatte Boris alles vorbereitet, doch für diese beiden Tätigkeiten war ihre persönliche Anwesenheit erforderlich. Für danach hatte Boris mehrere Wohnungsbesichtigungen organisiert. Passende Motorradkleidung benötigte sie auch noch. Mit diesem vollen Terminplan vor Augen, gingen sie früh ins Bett.
Hatte Oxana bei Asterix und Obelix noch über 'Das Haus, das Verrückte macht' gelacht, verging ihr das am nächsten Vormittag. Für jede Kleinigkeit schickte man sie in eine andere Abteilung und sie musste dort eine neue Wartemarke ziehen. Als sie sechs Stunden später endlich mit Führerschein, Fahrzeugschein und plakettiertem Kennzeichen das Straßenverkehrsamt verließ, warf sie sich im ersten Straßencafé auf einen Stuhl. Boris setzte sich ihr gegenüber und bestellte zwei Cappuccino. Dann versuchte er, sie aufzumuntern.
„Willkommen in der deutschen Bürokratie.“
„Und ich dachte 'Das Haus, das Verrückte macht' sei Satire.“
„Es gibt das Gerücht, dass Varus die Schlacht verloren hat, weil er nicht die richtigen Formulare eingereicht hatte.“
„Danke für deinen Aufmunterungsversuch“, kicherte sie und tauchte das Gebäck in die Tasse ein.
„Sollen wir erst etwas essen oder möchtest du direkt eine Motorradkluft kaufen?“
„Haben wir denn noch genügend Zeit bis zur ersten Wohnungsbesichtigung?“
„Für eine Kleinigkeit reicht es. Klamotten kaufen könnte eng werden.“
„Dann lass uns jetzt etwas essen und die Sachen kaufen, nachdem wir die Wohnungen besichtigt haben.“
Zwanzig Minuten später saßen sie, mit einem Döner in der Hand und zwei Colaflaschen zwischen ihnen, am Main auf einer Parkbank. Zunächst war Oxana recht skeptisch, etwas ohne Besteck zu essen. Doch stellte sie bald fest, dass die Finger, dank Papier und Fladenbrot, nicht mit dem Gericht in Kontakt kamen. „Das ist überraschend gut für Fastfood.“
„Ja und dank dem Gemüse gesünder als vieles andere.“
„Wie viele Wohnungen besichtigen wir?“
„Heute drei und morgen noch mal zwei.“
„Alle so, wie ich gesagt habe?“
„Nein, die Zweite heute hat ein Zimmer mehr. Aber sie ist nur unwesentlich teurer als die anderen und mit dem Motorrad nur acht Minuten von dem Hohenstein‑Anwesen entfernt.“
„Vielleicht wäre ein Zimmer mehr nicht verkehrt, mein Sklave kommt noch nach.“ Boris stoppte kurz vor dem nächsten Bissen und blickte zu ihr.
„Du sprichst darüber wie über ein Haustier.“
„Ist es doch auch“, antwortete sie trocken.
„Ich hoffe nur, du denkst daran, dass du hier in einer Großstadt bist, wenn du mit ihm Gassi gehst.“
„Ist das hier etwa nicht erlaubt?“ Boris sah sie schockiert an. Nach einigen Sekunden fing Oxana an zu grinsen, dann lachten beide los.
Die erste Wohnung war eine derbe Enttäuschung: Sie befand sich noch unter dem Niveau der Jagdhütte. Doch in die Zweite verliebte sie sich sofort. Zwar entpuppte sich das von Boris erwähnte dritte Zimmer als besserer Abstellraum, aber der Rest gefiel ihr ausgesprochen gut. Sogar einen kleinen Balkon gab es, der einen freien Blick auf ein Waldstück bot. Den Verwalter, der die Wohnung vorführte, wickelte sie mit ihren blauen Augen um den Finger. Nachdem sie ihn einen Blick in ihr gut gefülltes Portemonnaie hatte erhaschen lassen, erhielt sie den Zuschlag. Staunend beobachtete Boris, wie akribisch sie sich einen Plan der Zimmer aufzeichnete. Bevor sie wieder in Frankfurt waren, hatte sie eine genaue Vorstellung davon, wie sie die Wohnung einrichten wollte. Noch an diesem Tag schafften sie es, den Telefonvertrag abzuschließen und Motorradkleidung sowie Teppiche zu kaufen, die sie gleich in die neue Unterkunft brachten. Am nächsten Tag zogen sie durch verschiedene Einrichtungshäuser und gegen einen kleinen Aufpreis waren alle einverstanden, sofort zu liefern und die Sachen aufzustellen.
Zwei Tage vor dem Arbeitsbeginn betrat sie mit Boris die neue Wohnung. Das Badezimmer war für eine Mietwohnung ungewöhnlich groß und bot neben einer Badewanne auch noch Platz für eine Waschmaschine und einen Trockner. Dafür war die Küche ziemlich klein, doch Oxana gedachte ohnehin nicht aufwendig zu kochen. Hätte Boris die Waldhütte gekannt, wäre ihm sofort die Ähnlichkeit mit dem Arbeitszimmer aufgefallen: etwas kleiner zwar, doch ein fast identischer Aufbau. Nur das Regal mit den Pornos fehlte, dafür plante sie dort ein Andreaskreuz aufzuhängen. Das Wohnzimmer war normal, aber praktisch eingerichtet und ermöglichte vier Personen Platz. Dank einer Schlafcouch konnte hier sogar jemand übernachten. Das dritte Zimmer war wohl als Schlafzimmer geplant. Es bot nicht mehr Raum als für ein Bett und einen Schrank. Hier plante sie, einen Pranger aufzustellen und dann den Boden mit einem warmen Teppich auszulegen, als Schlafstätte für Juri. Boris war erstaunt, dass sie es in nur zwei Tagen geschafft hatte, aus einer zwar renovierten, aber trotzdem leeren Wohnung, ein bewohnbares Objekt zu machen. Gerade hatten sie es sich gemütlich gemacht, da klingelte es. Ein Mann in einem magentafarbenen Arbeitsanzug stand vor der Tür. Er schraubte zehn Minuten an der Telefonbuchse herum, dann funktionierten Telefon und Internetverbindung. Diese probierte sie gleich aus und schickte Michail eine Kurznachricht auf sein Satellitentelefon. Kurz darauf kam die Antwort.
»Kolja ist begeistert von dem Plan«.
Es dauerte etwas, bis sie die zwei benötigten Handwerker gefunden hatte, dann kam der großer Tag: der Dienstantritt im Hause von Hohenstein.
19.
Fünf Minuten vor zehn knatterte die Yamaha von Oxana auf das Grundstück. Mit dem Helm unter dem einen und einem Koffer an dem anderen Arm klingelte sie. William öffnete die Tür. „Guten Tag, Frau Pablow. Für das Motorrad gibt es hinter dem Haus einen Unterstand, der es vor Regen schützt. Aber ich zeige Ihnen erst einmal das Haus.“
„Danke, wie darf ich Sie ansprechen?“
„Nennen Sie mich einfach William.“
„Dann nennen Sie mich bitte Oxana.“
Er zeigte auf die Garderobe im Flur und sagte: „Lassen Sie den Koffer und den Helm hier – wir holen sie später ab.“
Sie stellte die Gegenstände ab und folgte dem Butler durchs Haus. Es war klar in zwei Bereiche unterteilt.
In der unteren Etage befanden sich ausschließlich Räume, die für geschäftliche und gesellschaftliche Belange genutzt werden konnten. Neben einem großen Gesellschaftsraum mit Esstisch gab es das Arbeitszimmer, wo sie das Vorstellungsgespräch hatte. Die Küche, von der ein Warenaufzug in die obere Etage führte und ein Abstieg in den Wein‑ und Vorratskeller. Des Weiteren eine Bibliothek, in der es auch eine Bar und Sitzgruppen gab. Die sonstigen Räume waren eine großzügige Sanitäranlage, eine Waschküche sowie Williams Privaträume. Es gab zusätzlich zwei unbewohnte, identische Zimmer, in denen temporäres Personal untergebracht werden konnte. Meistens handelte es sich hierbei um Küchenpersonal, wenn größere Empfänge im Haus anstanden. Oxana staunte über die vielen Weinflaschen im Keller und war beeindruckt. Doch es fiel ihr auch auf, dass einige Kellerräume ungenutzt waren. Der hintere Bereich bestand aus zwei großen, leeren Räumen. Zudem befand sich dort ursprünglich eine Treppe hinauf in die Bibliothek. Doch dieser Ausgang endete jetzt an einer verputzten Decke. Oxana kam direkt eine Idee, wie man diese Räumlichkeit sinnvoll nutzen könnte. Die obere Etage bestand aus privaten Räumen. Neben den Wohn‑ und Schlafräumen der von Hohensteins, zwei Badezimmer sowie die Zimmer für Oxana und den Stammhalter. Das kleinere Bad, das Babyzimmer und das Nannyzimmer lagen direkt nebeneinander, womit sich ihr Arbeitsbereich auf einen überschaubaren Teil der Etage beschränkte.
Während das Kinderzimmer schon komplett eingerichtet war, stand in ihrem nur das Nötigste.
„Wenn Sie weitere Möbel benötigen, sagen Sie mir Bescheid, dann organisiere ich diese.“
Oxana sah sich um: Bett, Tisch, Stuhl und ein Schrank. „Das werde ich bestimmt, das ist ja hier kein Kloster.“
Kurz zuckten die Mundwinkel von William nach oben, doch die Ausbildung verbot, die Belustigung über die sarkastische Aussage deutlicher zu zeigen.
„Ich habe unten einen Katalog von einem Einrichtungshaus. Melden Sie sich bitte, wenn Sie wissen, was Sie benötigen.“
„Können wir sofort erledigen, ich weiß schon, was ich brauche.“
Das Zimmer war gefliest und so hatte Oxana es durch Zählen der Fliesen schnell vermessen.
„Dann begeben wir uns in den Gesellschaftsraum und machen eine Liste.“
Gemeinsam stiegen sie die Treppe hinab. „Sind die Herrschaften nicht anwesend?“
„Die gnädige Dame ist im Krankenhaus und wird wahrscheinlich jede Minute niederkommen.“
William öffnete die Schublade eines Schränkchens in der Diele und holt den Katalog hervor. Dann führte er Oxana in das Gesellschaftszimmer. Staunend beobachtete er, wie zielsicher sie die Möbelstücke auswählte. Anschließend telefonierte er mit dem Einrichtungsgeschäft und informierte Oxana darüber, dass die Möbel sowie der Teppich in zwei Tagen geliefert würden. Nachdem sie William ihre Handynummer gegeben hatte, holte er Tee und sie unterhielten sich noch etwas. Dabei ließ sie sich die Hausregeln und ihre Aufgaben erklären, aber fragte ihn auch über seine aus. Als sie zwei Tassen Tee später das Haus wieder verließ, hatte ihr der ahnungslose Butler seinen kompletten beruflichen Lebenslauf erzählt. Bevor sie sich verabschiedete, stellte sie noch den Koffer in das Zimmer, wo sie in Kürze einziehen würde.
Zurück in ihrer Wohnung, setzte sie sich an den Computer und notierte alles, was sie von William über die Aufgaben des Butlers erfahren hatte. Sobald sie Frederik geehelicht hatte, gedachte sie, William durch Juri zu ersetzen. Dazu musste er aber erst die benötigten Fertigkeiten erlernen, die für diesen Beruf notwendig waren. Zertifikate ließen sich dort herstellen, wo auch ihr Pass und Führerschein hergestellt worden waren. Dennoch musste er alles, was man an der Butlerschule lernte, beherrschen, damit die Papiere nicht als Schwindel auffielen. Während sie nach Schulungsorten für ihren Sklaven suchte, kündigten sich die Handwerker telefonisch für den folgenden Tag an. Schließlich hatte sie alles gefunden und rief Boris an. Er kannte sich in der Stadt besser aus und Oxana aß nicht gerne allein.
Am nächsten Vormittag brachte der Schreiner den Pranger sowie das Andreaskreuz, das er gleich im Arbeitszimmer montierte. Es hatte einen Motor, wodurch es sich drehen ließ. Kaum war der Handwerker gegangen, erschien der Arbeiter, der den Pranger am Boden befestigte und davor und über die gesamte Decke verteilt Metallösen anbrachte. Nachdem sie mit Boris ihre ersten Übungen im Kendo gemacht hatte, gingen sie essen und eine langhaarige Auslegeware kaufen, die sie im Prangerzimmer verlegten. Jetzt war die Wohnung fertig. Doch sie wollte erst schauen, wie die Arbeit sie auslasten würde, bevor sie Juri nachkommen ließ.
Am folgenden Tag fuhr sie zum Anwesen der von Hohensteins. Dort erfuhr sie, dass der Stammhalter in der Nacht das Licht der Welt erblickt hatte und die Arbeit in drei oder vier Tagen beginnen würde. Auch die Möbel waren schon geliefert und wie von ihr gewünscht platziert worden. Nachdem sie den Koffer ausgepackt hatte, verstaute sie den Inhalt in den Schränken und besorgte sich mit Boris Hilfe einen Computer für das Zimmer.
Oxana befand sich wenige Tage später in ihrer Wohnung beim Frühstück, als ein Anruf von William kam. Zwanzig Minuten danach fuhr sie auf das Anwesen und begab sich zum Umziehen in ihr Zimmer. Für die Arbeit hatte sie Kleidung ausgewählt, die Frederiks Hormone in Wallung bringen sollten. Während der Probezeit nahm sie sich vor, ansonsten nicht selbst aktiv zu werden und nur so viel wie möglich über die Familie zu erfahren.
Die frisch gebackenen Eltern betraten das Haus und kaum hatte Eva von Hohenstein die Nanny erblickt, spürte Oxana unterschwellig deren Eifersucht. Doch Eva ahnte nicht, welch gefährliche Rivalin ihr gegenüberstand. Oxanas Arbeitszeit entpuppte sich übersichtlicher, als sie befürchtet hatte. Nachdem die Dame des Hauses gefrühstückt hatte, verließ sie mit dem kleinen Herbert von Hohenstein das Anwesen und kam erst gegen Nachmittag zurück. Ab dann musste sich Oxana bis zum nächsten Morgen um den Nachwuchs kümmern. Es wurde Zeit, ihren Sklaven nachkommen zu lassen. Mit einer verschlüsselten Nachricht an Michail erledigte sie diese Aufgabe. Dann hörte sie William das Haus verlassen. Die von Hohensteins legten Wert auf frische Speisen und so war es die Angewohnheit des Butlers, jeden Tag pünktlich um zwölf Uhr einzukaufen. Er kehrte erst gegen eins zurück, was Oxana für eine Stunde zur einzigen Bewohnerin des Hauses machte. Am Fenster beobachtete sie heimlich, wie das Auto den Hof verließ, und begab sich in die Räumlichkeiten der Hausbesitzer. Diese lagen direkt über der Eingangstür. Oxana öffnete ein Fenster einen Spaltbreit, um Ankommende zu hören, und durchsuchte das Zimmer der Rivalin. Die Ausbildung durch Michail kam ihr zugute, denn schon nach vier Minuten hatte sie ein Geheimfach entdeckt, in dem sich Briefe und das Tagebuch von Eva befanden. Sie fotografierte alles, schloss das Fenster wieder und ging zurück in ihr Zimmer. Dort lud sie die Bilder auf den Computer und begann die Texte zu lesen. Die Liebesbriefe von Frederik verrieten ihr viel über ihren Ehemann in spe. Das Wissen würde helfen, ihn zu verführen. Interessanter war das Tagebuch, in dem Eva von Sexpartys berichtete, wohin sie Frederik als Sklavin begleitet hatte. – Bis sie erfuhr, dass sie guter Hoffnung war.
Zwei Tage später erhielt sie einen Anruf von Boris. Er bat sie am folgenden Tag zu ihm zu kommen, verriet aber nicht, warum. Neugierig stieg sie am nächsten Vormittag aufs Motorrad und fuhr zu ihm. Das Einfahrtstor war zwar geschlossen, doch für eine geländegängige Maschine und waghalsige Fahrerin, bedeutete das nur einen kleinen Sprung über die Hecke, um dieses Hindernis zu bewältigen. Die Garage stand offen und nachdem sie das Kraftrad dort abgestellt hatte, ging sie ins Wohnzimmer. Oxana erlebte gleich zwei Überraschungen. Zunächst erblickte sie Juri, der auf der Couch saß. Kaum hatte er seine Herrin gesehen, warf er sich auf den Fußboden und kniete, den Blick zu Boden gerichtet, im Sklavensitz.
„Verzeiht die Kleidung, Gospozha. Aber die beiden Herren haben mir nicht erlaubt, mich angemessen zu kleiden.“
Jetzt sah sie auch den zweiten Besucher: Es war Michail. Kurz war sie versucht, zu ihm zu stürmen, um ihn zu umarmen. Aber dann erkannte sie diese unpassende Reaktion aufgrund der Anwesenheit ihres Sklaven. Deshalb ging sie zwar zügig, doch ohne übertriebene Eile zu Juri, um ihm über den Kopf zu streicheln. Danach erst zu Michail. „Hallo Mischa, freue mich, dich zu sehen.“
Sie umarmten und küssten sich auf die Wangen.
„Hallo Oxana. Läuft alles wie geplant?“
„Eigentlich sogar besser. Seine Frau ist tagsüber nicht im Haus und nimmt den Kleinen mit.“
„Und hat Frederik schon seine Augen auf dich geworfen?“ Belustigung begleitete die Worte.
„Bei den kurzen Röcken und tief ausgeschnittenen Blusen, die ich trage, müsste er schon schwul sein, wenn nicht.“
Die beiden Männer lachten. „Kolja will dich demnächst besuchen.“
„Hat er gesagt, warum?“
„Nein, aber ich vermute wegen der neuen Unternehmungen.“
„Klappt da alles?“
„Ja, die Hallen sind gemietet, die Maschinen bestellt, in vier Wochen können wir loslegen.“
„Hattet ihr Probleme, Fachleute zu bekommen?“
„Nicht, nachdem wir uns über die üblichen Gehälter erkundigt und diese fünfzig Prozent angehoben haben.“
„Warum bist du eigentlich mitgekommen? Oder hattest du Sehnsucht nach mir.“
„Ich muss mit den Albanern sprechen, damit sie nicht zu früh mit einer Lieferung rechnen, der wir nicht nachkommen können.“
„Wie lange bleibst du?“
„Ich muss heute Abend nach Basel, danach kann ich noch zwei Tage bleiben.“
„Dann finden wir noch Zeit für eine Partie Schach.“
Boris, der bis dahin den Zuhörer gespielt hat, schaltet sich in das Gespräch ein. „Wollen wir den Wuffi jetzt in deine Wohnung bringen? Danach können wir essen gehen.“
„Er hat sich so vorbildlich verhalten, dass er eine Belohnung verdient hat. Wir können ihn mit zum Essen nehmen und bringen ihn danach in meine Wohnung.“
„Deine Entscheidung, soll mir recht sein. Hauptsache, ich bekomme etwas in den Magen.“
Die Gruppe begab sich in die Garage und Oxana konnte Juri gerade noch davon abhalten, in den Kofferraum des Bentleys einzusteigen. Umso stolzer saß er danach neben ihr auf der Rückbank. Als das Auto vor dem Restaurant vorfuhr, sprang er, noch bevor die Räder stillstanden, aus dem Wagen und öffnete ihr die Tür. Michail und Boris registrierten sein Verhalten, indem sie sich, mit einem verstohlenen Grinsen ansahen. Mit einem Abstand, der Zweifel erweckte, dass er zu der Gruppe gehörte, folgte Juri den Dreien, eilte aber an ihnen vorbei, um Oxana die Tür zu öffnen. Am Tisch angekommen, wartete er, bis sie ihm einen Platz zuwies. Seine Augen leuchteten, als er feststellte, dass er direkt gegenüber von Oxana sitzen durfte. Selbstverständlich ignorierte er die vom Ober gebrachte Speisekarte und überließ es seiner Herrin, für ihn zu bestellen. Wenn Michail nicht schon an Sascha erlebt hätte, wie unterwürfig ein Mann sein kann, hätte er den Stolz in Juris Augen nicht geglaubt. Andererseits konnte er das Verhalten nachvollziehen: Sascha und Juri waren optisch eher unscheinbar und erhielten auf diese Weise die Gunst von attraktiven Frauen, die sie sonst keines Blickes gewürdigt hätten. Er hatte bei Maria erlebt, wie sie Sascha Liebkosungen zukommen ließ, von denen andere Männer bei ihr nur träumen konnten. Bei jedem Gang, den der Ober servierte, wartete Juri mit dem Essen, bis Oxana ihm die Erlaubnis erteilt hatte. Als der Hauptgang abgetragen wurde, waren Michail und Boris überzeugt, er hätte mit dem gleichen Stolz zu ihren Füßen gesessen und das Essen aus einem Hundenapf gegessen.
„Welchen Status hat mein Sklave in Deutschland?“, eröffnete Oxana das Gespräch.
„Zweijährige Aufenthaltsgenehmigung. Verlängert sich auf unbegrenzt, wenn er für die Zeit einen Arbeitsvertrag nachweisen kann“, antwortete Boris.
„Den er von dir erhält?“
„Selbstverständlich, was hast du denn mit ihm geplant?“
„Sobald ich Frederik geheiratet habe, wird er den Butler des Hauses ersetzen.“
„Und wie willst du ihn loswerden?“
„Über die Brücke gehe ich, wenn ich davorstehe. Vielleicht kann man ihn in Rente schicken, er ist nicht mehr der Jüngste.“
„Und wie willst du Juri als Butler verkaufen?“
„Er wird die nächsten zwei Jahre viel lernen müssen. Die Zeugnisse machen wir selbst.“
„Meinst du, er schafft das?“
„Klar. Ein Butler ist doch nichts anderes als ein Sklave mit Frack.“
Die Männer grölten vor Lachen. Vom Restaurant aus fuhren sie erst zu Boris, dann folgte Oxana ihnen auf dem Motorrad zu ihrer Wohnung. Dort gab sie Juri präzise Anweisungen, bevor sie zur Arbeit zurückkehrte.
Kurz nachdem Oxana am nächsten Vormittag in ihrer Wohnung angekommen war, klingelte Michail. Nackt und auf Knien öffnete Juri die Tür und ließ ihren Mentor herein. Schmunzelnd begab sich Michail ins Wohnzimmer, wo Oxana schon ein Schachbrett aufgebaut hatte. „Hallo Oxana.“ Die beiden umarmten sich herzlich. „Möchtest du etwas trinken?“
„Gerne, einen Kaffee.“
„Crema, Espresso, Latte, Milchkaffee …“
„Hast du ein Café eröffnet?“
„Boris Kaffeeautomat hat mir gefallen, da hab ich mir den Gleichen geholt.“
„Nobel geht die Welt zugrunde. Einen Crema, bitte.“ Oxana blickte zu dem neben dem Tisch knienden Juri, aber dieser krabbelte schon in die Küche, um drei Minuten später in gleicher Weise mit der Bestellung zurückzukehren.
„Hast du fein gemacht“, dabei streichelte sie ihm übers Haar und wurde mit einem glücklichen Lächeln belohnt. Michail zog den Königsbauer zwei Felder vor, worauf Oxana ihren einen vorzog.
„Konntest du die Albaner beruhigen?“
„Ja, kostet uns fünfzig Mädchen für die ausfallende Lieferung.“
„Da kommen wir ja gut weg.“
„Kolja weiß schon Bescheid, damit wir die parat haben.“
„Wo holt ihr die her?“
„In den Sexclubs bewerben sich genug. Aus denen wählen wir sie aus, erzählen ihnen was von einer Party und machen sie dort transportfertig.“
„Wie bekommt ihr die in die Schweiz?“
„Mit dem Schiff von Odessa oder St. Petersburg und dann über Italien.“
„Und dank Boris wisst ihr, über welche Grenze ihr könnt?“
„Schlaues Mädchen.“
„Deshalb habe ich jetzt auch einen Bauern mehr.“ Ihre Zähne grinsten ihn dabei an wie der Lach‑Smiley.
Michail schaute grimmig auf das Feld und suchte nach einer Möglichkeit, ihren Vorteil noch zu verhindern. Eine halbe Stunde später gab Michail auf.
„Geh duschen und lass dir Zeit“, richtete sich Oxana an Juri.
Nachdem die Badezimmertür geschlossen war, fragte Michail: „Worüber möchtest du sprechen?“
„Frederik schleppt seine Mädchen öfter auf Sexpartys, wo sie nackt die Sklavin spielen sollen.“
„Du brauchst aber keine Tipps von mir, was du als Sklavin machen musst?“
„Nein“, lachte sie. „Dort soll die Oberschicht anwesend sein und sich einiges an Verfehlungen leisten.“
„Und du willst da Belastungsmaterial sammeln?“
„Genau. Wie klein sind die besten Kameras und kannst du eine besorgen?“
„Wenn du nackt bist, sind die Möglichkeiten stark eingeschränkt. Aber ich höre mich mal um. Woher weißt du das mit den Partys?“
„Ich habe ihr Tagebuch gefunden – und Liebesbriefe von ihm an sie. Oh Gott, sind die kitschig.“
Michail lachte los. „Hört sich an, als wäre er damit nicht bei dir gelandet?“
„Ein Puschkin ist er nicht!“
Michail nickte: „Dem können auch nicht viele das Wasser reichen.“
„Bei dem, was Frederik zu Papier gebracht hat, würde Puschkin sich bestimmt im Grab umdrehen.“
„Läuft alles auf der Arbeit?“
„Besser als erhofft. Die Ehe hält nicht lange. Ich kann die Streitereien hören.“
„Du meinst, sie hat sich den Braten nur in die Röhre schieben lassen, um seine Kreditkarte zu bekommen.“
„Zutrauen würde ich es ihr. Ich muss herausfinden, ob es einen Ehevertrag gibt – ich lasse mir doch nicht von ihr die Hälfte meines Geldes klauen.“ Michail schluckte, denn er ahnte, wie die Aussage gemeint war und hoffte für Eva, dass es einen solchen gab. Juri kehrte aus dem Bad zurück und durfte beiden noch ein Getränk bringen. Eine Stunde später verabschiedeten sie sich.
In den nächsten Tagen kleidete sie Juri ein und meldet ihn für die ersten Schulungen an. In einem Haus, wie dem Anwesen der von Hohensteins, musste er perfekt Deutsch und Englisch sprechen. Glücklicherweise hatte er, wie sie, beide Sprachen schon in der Schule gelernt. Das ersparte eine Menge Zeit bei der Ausbildung. Auch Evas Liebesbriefe an Frederik fand sie und speicherte diese ebenfalls auf dem Computer. Das vorerst letzte Geheimnis war der Safe in Frederik Arbeitszimmer. Aber sie war überzeugt, Michail wüsste da eine Lösung. Drei Wochen nach dessen Besuch bekam sie einen Anruf von Boris. Als sie bei ihm ankam, wartete Nikolaj auf sie. „Da ist ja meine Lieblingsfrau.“ Er ging auf sie zu und umarmte sie.
„Ich fahr mal einkaufen, damit ihr zwei Hübschen unter vier Augen sprechen könnt“, verabschiedete sich Boris. Oxana sah Nikolaj verwundert an. „Was gibt es denn, dass selbst Boris nichts erfahren soll?“
„Setz dich. Möchtest du was trinken?“
„Einen Tee, bitte.“ Nikolaj ging zur Küche und kam nach ein paar Minuten mit zwei Tassen zurück. „War mal wieder eine tolle Idee von dir. Die ersten Waffen sind fertig und unterscheiden sich nicht von den Originalen.“
„Fein, aber deshalb veranstaltest du nicht so ein Geheimtreffen.“
„Stimmt. Ich bin jetzt der stellvertretende Syndikatsleiter – dank dir.“
„Glückwunsch, aber deshalb bist du nicht persönlich vorbeigekommen?“
Er lachte auf: „Dir kann man nichts vormachen. Der Chef wird nicht mehr lange leben – Krebs.“
„Und dann wirst du der oberste Chef?“
„Ja und ich brauche dann eine rechte Hand.“
„Was ist mit Mischa?“
„Der will eine Familie gründen und in Sibirien bleiben. Ich dachte an dich.“
Oxana schluckte und überdachte die Auswirkungen des Gesagten. „Und wenn dir was passiert, dann werde ich als Mädchen die Chefin von allen männlichen Ganoven Russlands?“
„Ich hoffe doch, dass mir so schnell nichts passiert.“
„Hast du diesbezüglich Rücksprache mit deiner Leber gehalten?“
Sie sah ihn vorwurfsvoll an, woraufhin er grinste. „Hat meine Mutter den Jungbrunnen gefunden?“
„Aber mal davon abgesehen – gäbe es keine Probleme mit meiner Autorität?“
„Du hättest nur mit den Führungspersonen zu tun, und die wissen, welche Leistungen du schon zu verantworten hast.“
„Müsste ich dann nicht nach Moskau?“
„Nein, dank Internet wird das nicht nötig sein, wenn du einen Stellvertreter ernennen würdest, der dort ist.“
„Maria?“
Nikolaj hustete. „Ich glaube, das wäre eine Überdosis Frauenpower. Das verkraftet das männliche, russische Ego noch nicht.“
„Und was ist mit Roman?“
„Das wäre eine gute Wahl. Auch, weil er dich nach eurem Duell respektiert.“
Oxana erinnerte sich schmunzelnd an die drei gemeinsamen Wochen. „War das alles oder gibt es sonst noch etwas, bevor Boris zurückkommt?“
„Etwas von Mischa, aber frage mich nicht, was es bedeutet. Du sollst dir ein Bauchnabelpiercing machen lassen. Verstehst du warum?“
„Ja, hat nichts mit der Organisation zu tun.“
Nikolaj nickte, verstand aber immer noch nicht, warum ihr Michail ein so intimes Schmuckstück empfahl. Bisher dachte er, die beiden hätten eher eine Vater‑Tochter Beziehung.
Am folgenden Tag suchte sie ein Piercingstudio auf und befolgte Michails Rat. Auf dem Anwesen spielte sich der Tagesablauf immer mehr ein. In der Woche war der Hausherr tagsüber in der Bank und kam erst zum Abendessen heim. Seine Frau verließ mit dem kleinen Herbert nach dem Frühstück das Haus und kehrte kurz vor dem Ehemann zurück. Von dem Zeitpunkt an, bis zum Morgen, fiel es Oxana zu, sich um den Nachwuchs zu kümmern. Unvorhersehbarer gestalteten sich die Wochenenden. Oft verbrachte Herr von Hohenstein die beiden Tage auf dem Anwesen und hielt sich größtenteils im Arbeitszimmer auf. Dafür blieb er alle drei oder vier Wochen dem Zuhause komplett fern. Oxana vermutete, dass er sich auf den Sexpartys aufhielt, fragte sich aber, in welcher Begleitung. Eva war an diesen Tagen entweder anwesend oder bei den Eltern – die sie alle zwei Wochen zusammen mit Herbert besuchte. Es gab zu viele Fragen, auf die Oxana keine Antwort hatte und das nagte an ihr. Sie benötigte ein paar Gegenstände, die Michail leichter in Russland besorgen konnte als sie hier.
20.
An den Wochenenden, die der Hausherr ohne Eva zu Hause verbrachte, wählte Oxana Kleidung, die besonders viele ihrer weiblichen Vorzüge zeigte. Dabei war sie bemüht, so subtil wie möglich vorzugehen und spielte die Unschuld persönlich. Doch nach vier Monaten war sie sicher, dass ihr Arbeitgeber sie in der Fantasie schon auf jede erdenkliche Art gefickt hatte.
Juris Ausbildung machte gute Fortschritte. Nach drei Monaten Sprachschule schloss er mit Auszeichnung in beiden Sprachen ab. Jetzt belegte er einen Kochkurs und Seminare für die richtige Etikette in der vornehmen Gesellschaft. Außerdem lernte er an ihrem Computer Französisch. Schließlich musste er sich in der gehobenen Küche zurechtfinden, die oft in dieser Sprache kommunizierte. Damit die Sprachkenntnisse nicht einrosteten, war fortan Russisch in Oxanas Wohnung tabu. An geraden Tagen war nur Deutsch und an ungeraden Englisch erlaubt, außer er servierte etwas zu essen: Dann musste er auf Französisch sagen, was er auftrug. Der Eifer, den er beim Lernen an den Tag legte, wirkte sich nicht nur auf die Lernerfolge, sondern auch auf die Lerngeschwindigkeit aus. Wovon Frederik nur träumte, wurde für Juri Realität. Immer öfter belohnte Oxana ihn sexuell für Leistungen, was seinen Eifer noch weiter steigerte.
Es war inzwischen Sommer und selbst die kurze Fahrt zur Wohnung fühlte sich in der Motorradkluft an wie ein Saunabesuch. Oxana schloss die Tür auf und Juri kniete vor ihr. „Master Michail ist da, Gospozha.“
„Hast du ihn bewirtet?“
„Ja, Gospozha. Das Essen ist in fünfzehn Minuten fertig.“
Sie lächelte und streichelte ihm übers Haar, während er ihr die Stiefel auszog
„Hallo Mischa. Hattest du eine gute Reise?“ Sie zog die Lederjacke aus und reichte sie Juri, der sie aufhing.
„Ja, danke. Ich komme gerade aus Basel. Eldi meint, unsere Waffen sind qualitativ besser als die Originale.“
„Da kann man nur hoffen, dass Russland nie wieder in den Krieg ziehen muss.“
„Die Armee kann ja bei uns die Waffen kaufen, dann muss ich auch nicht weitere Käufer finden.“
„So gut läuft die Produktion?“
„Wir mussten schon eine weitere Halle als Lager kaufen.“
„Was lagert ihr offiziell dort?“
„Getreide.“
„Schlechte Idee. Bei Lebensmitteln ist mit häufigeren Kontrollen zu rechnen.“
„Autsch. Daran hat keiner gedacht. Werde nachher Roman anrufen.“
„Ohne mich würdet ihr schon alle im Zuchthaus sitzen.“
„Das haben wir auch vor dir schon verhindern können.“
„Da habt ihr auch noch in der Kreisklasse gespielt.“
„Zum Glück haben wir jetzt Zinedine Zidane in unserem Team und können Champions League spielen.“
„Nur mitspielen reicht mir nicht, ich will gewinnen.“
„Pass nur auf. Wer hoch fliegt, kann tief fallen.“
„Du kennst mich doch, ich mache nie einen Schritt, ohne ihn bis ins Letzte durchdacht zu haben.“
„Werde nur nicht leichtsinnig. Ich habe dir was mitgebracht.“
Er schob ein Päckchen über den Tisch. Neugierig öffnete sie es. Darin befand sich ein saphirfarbener Kristall, ein Ohrring in Form eines Brillanten und drei elektronische Geräte. „In dem Kristall ist eine Kamera, mit dem Ohrring kannst du sie auslösen, musst nur den Brilli in die Fassung drücken. Das eine Gerät ist eine Verbindung für den Computer, damit du die Bilder darauf hochladen kannst. Der Anschluss für die Kamera befindet sich auf der Rückseite des Kristalls. Die anderen beiden Geräte sind ein Ortungssender und ein Empfänger.“ Sie begaben sich zum Computer und Michail zeigte ihr, wie die Geräte bedient werden. Danach zog Oxana die Bluse aus und befestigte den Kristall am Piercing.
„Der ist aber schwer.“
„Leichter geht es nicht, aber die Technik entwickelt sich weiter.“
„Fehlt nur noch ein Loch für den Ohrring. Aber das lasse ich mir besser in der Lippe machen.“
„Warum?“
„Wie soll ich ihn sonst auslösen, wenn ich gefesselt bin?“
„Irgendwie fällt mir die Vorstellung, dass du eine gefesselte Sklavin spielst … schwer.“
„Man muss Opfer bringen, wenn man ein Ziel erreichen möchte.“
„Gospozha, darf ich anrichten?“
Sie lächelte Juri an und nickte. Dann begaben sie sich zurück an den Wohnzimmertisch und setzten sich. Staunend beobachtete Michail, wie Juri, sich nur auf den Knien fortbewegend, die Speisen servierte, ohne auch nur die kleinste Kleinigkeit zu verschütten. Beeindruckt verfolgte Michail, wie er alles, was er auftrug, in perfektem Französisch aufzählte. Sie fingen an, die Suppe zu löffeln.
„Kann er das aufrecht genauso gut?“
Sie lachte los: „Du Blödmann. Das will ich doch hoffen.“
Schmunzelnd aßen sie weiter. „Hat er das alles selbst gekocht?“
„Ja, er macht gute Fortschritte. Ich hatte befürchtet, dass die Ausbildung schwieriger wird.“
„Hast du schon Pläne für deinen Geburtstag?“
„Nein, wieso fragst du?“
„Dann hast du jetzt Pläne. Sei morgens um neun Uhr bei Boris. – Aber zum Ausgehen angezogen.“ Michails schelmisches Lächeln zeigte Oxana die Sinnlosigkeit eines Nachfragens. Doch noch lag dieser Tag vier Wochen in der Zukunft.
Oxana war sich inzwischen sicher, dass Frederik zu den Partys immer die gleiche Jacke anzog. Den Peilsender in den Saum einzunähen, bereitete keine Schwierigkeiten. Der Zufall kam ihr entgegen, dass Eva an dem Partywochenende zu den Eltern fuhr. Als Oxanas Arbeitgeber die Bank verließ, bemerkte er nicht die schwarz gekleidete Person auf dem Motorrad, die sein Auto jetzt nicht mehr aus den Augen ließ. Sie folgte ihm bis in die Frankfurter Innenstadt. Dort hielt er vor einem Haus an und hupte. Zügig fuhr sie an seinem Wagen vorbei und stoppte drei Autos weiter. Dort zückte sie die Kamera und wartete darauf, wer erscheinen würde. Sie war nicht überrascht, dass es sich um eine junge blonde Frau handelte. Bis zu einem Privatflugplatz verfolgte sie das Auto noch, dann fuhr sie nach Hause. Dort schaute sie auf dem Computer, in welche Richtung das Signal zeigte. Anhand der Reichweite von Privatflugzeugen kamen nur Südfrankreich oder Spanien infrage. Am Abend würde sie das Signal noch einmal überprüfen, wenn Frederik am Zielort angekommen wäre. Dann könnte sie anhand der Signalstärke etwa die Entfernung abschätzen. Das war zwar nicht genau, aber als sie Stunden später die Daten mit einer Karte von Frankreich abglich, reduzierte sich die Auswahl auf eine Handvoll Grundstücke.
Am folgenden Tag versuchte sie alles über das blonde Mädchen in Erfahrung zu bringen. Die Ähnlichkeit mit ihr ausnutzend, gab Oxana sich als Schwester der Frau aus und ging mit dem Foto hausieren. Nach einer halben Stunde hatte sie deren Namen herausgefunden und stand vor der Wohnungstür. Sie klingelte dreimal. Keiner öffnete. Also holte sie ein Etui aus der Tasche. Zum Basiswissen eines Spions gehörte es, Türen mit Dietrichen zu öffnen. Es war mit das Erste, was Michail ihr beigebracht hatte. Keine zwanzig Sekunden später stand sie in der Wohnung. Als Erstes sah sie im Bad nach, ob das Mädchen allein wohnte. Nachdem sich das dort bestätigt hatte, wusste sie, dass sie vermutlich zwei Tage ungestört sein würde. Deshalb durchsuchte sie alles sorgfältig, immer darauf bedacht, es anschließend wieder genauso zu platzieren, wie sie es vorgefunden hatte. Fast hätte sie die Verbindung übersehen, es war nur ein einzelnes Blatt in einem Ordner. Das Arbeitszeugnis eines Praktikums in Frederiks Bank. Daher kannte er sie also. Sie rechnete zurück und kam auf den sechsten Schwangerschaftsmonat. Wahrscheinlich hatte Eva sich schon vorher verweigert und Frederik sich eine … Alternative gesucht. Nach dem Erfolg bereitete sie sich eine Tasse Tee zu. Noch fehlte ihr ein Hinweis für den Grund der Beziehung: war es Geld oder Gefühle? Sie spülte die Tasse und stellte sie abgetrocknet wieder in den Schrank. Gerade wollte sie die Schranktür erneut schließen, da sagte ihr Unterbewusstsein, dass etwas nicht stimmte. Sie öffnete den Küchenschrank ganz und ging einen Schritt zurück. Sie wusste, sie sah etwas, das noch nicht ihr Gehirn erreicht hatte. Einzeln, wie bei einer Diaschau, betrachtete sie jeden Gegenstand genau. Plötzlich fiel der Groschen. Sie blickte auf den Süßmittelspender und dann auf die Zuckerdose, die so platziert war, dass man die Teller herausnehmen musste, um sie zu erreichen. Sie räumte diese aus dem Schrank und griff nach der Dose. Dann öffnete sie neugierig den Deckel, schaute hinein und bekam große Augen: Darin befand sich eine Geldscheinrolle. Sie zählte es und pfiff leise, – es waren über dreizehntausend Mark. Damit war diese Frage beantwortet: Die Kleine war eine Hobbynutte. Die Wohnung sah nicht nach so viel Geld aus, also sparte sie es für ein Ziel. Dieses zu kennen, würde Oxana die Möglichkeit eröffnen, sie zu kontrollieren. Sie hatte zwar kein angeborenes fotografisches Gedächtnis, doch ein von Michail gut trainiertes. Sie setzte sich erneut Wasser auf und bereitete sich einen weiteren Tee zu. Mit geschlossenen Augen nippte sie an der Tasse und ging noch einmal alles durch, was sie in der Wohnung gesehen hatte. Plötzlich setzte sie die Teetasse ab, stand auf und schritt in das kleine Arbeitszimmer mit dem Bücherregal. Dort lagen die drei Illustrierten, die nicht zu der sonstigen Lektüre passten. Verschiedene Zeitschriften aus unterschiedlichen Jahren. Warum hatte das Mädchen sie aufgehoben? Oxana setzte sich wieder an den Küchentisch und schlug bei allen drei das Inhaltsverzeichnis auf. Sie musste die Einträge zweimal lesen, bis sie den Zusammenhang fand. Dann schlug sie die drei Artikel auf und studierte sie.
„Du willst an der Wall Street arbeiten? Da hast du aber hohe Ziele.“
Zwanzig Minuten später verließ sie die Wohnung und fuhr nach Hause. Dort zog sie die Stiefel mit den besonders hohen Absätzen und Juris Lieblingsneglegée an. Dann ließ sie sich von ihm zu zwei Orgasmen lecken und belohnte ihn dafür mit einer Reitstunde. Anschließend durfte er ihr die Stiefel ausziehen und ein Bad zubereiten. Während sie im heißen Wasser über das weitere Vorgehen nachdachte, kniete ihr Sklave neben der Wanne, immer darauf achtend, dass eine neue kalte Cola bereitstand und gelegentlich heißes Wasser in die Badewanne nachzufüllen. Mit einem glücklichen Lächeln wusch Juri sie schließlich mit einem Schwamm und tupfte Oxana vorsichtig mit einem Frotteehandtuch ab, als sie aus der Wanne stieg. Nachdem er die Schlafcouch ausgezogen und bezogen hatte, durfte er, in dem für ihn jetzt göttlichen Wasser, selbst baden.
21.
Oxana sah an ihrem Geburtstag auf das Thermometer und dann in den Kleiderschrank. Es waren vierunddreißig Grad vorhergesagt. Bei einem solchen Wetter ist jedes Kleidungsstück zu viel – eine Strafe. Sie wählte ein ärmelloses saphirfarbenes Seidenkleid sowie amberfarbige Sandaletten und einen gleichfarbigen Slip. Nachdem sie die Nägel passend zum Kleid lackiert hatte, rief sie ein Taxi und legte die ausgesuchte Kleidung an. Dreißig Minuten später betrat sie Boris Haus und wurde von den dort anwesenden Männern herzlich willkommen geheißen und zum Geburtstag beglückwünscht. Dann fuhr Boris sie und Michail zum Flughafen. Kurz vor Mittag landeten sie in Wien. Michail zeigte Oxana die Stadt. Sie tanken in einem Café Melange und aßen dazu Zwetschgendatschi mit Schlagobers. Dann machten sie eine Stadtrundfahrt mit einem Fiaker und schlenderten anschließend über den Prater. Michail zeigte ihr, was es bedeutete, zu leben und zu entspannen, ohne Gedanken an Geld und Macht. Sie speisten mit Blick auf die Hofburg und schlossen den Tag bei L'elisir d'amore in der Staatsoper ab. Als die beiden das Zimmer im Hilton betraten, umarmte sie Michail, dankbar für den schönen Tag.
Als sie nach dem Rückflug bei Boris eintrafen, wartete eine weitere Überraschung auf Oxana. Kaum hatte sie das Wohnzimmer betreten, fiel ihr Maria um den Hals. Als die Frauen sich Minuten später voneinander trennten, konnten die Männer die feuchten Augen erkennen. Die Freundinnen nahmen die Männer nicht mehr wahr. Nachdem Oxana für Maria Motorradkleidung und einen Helm besorgt hatte, verbrachten sie die nächsten Tage jede von Oxanas freien Minuten zusammen. Für Juri war es ein aufregendes Erlebnis, zwei Herrinnen zu dienen und von ihnen bespielt zu werden.
Nur vierundzwanzig Stunden nach Marias Abreise war Oxana wieder auf ihrer Mission. Sie hatte festgestellt, dass sie mit dem Ohr an der Badezimmerwand fast jedes Wort verstand, das in den Privaträumen der von Hohensteins geredet wurde. Besonders, wenn es einen Streit gab, wie an diesem Tag. Für Oxana bedeutete dieser, dass sie die nächsten Tage frei hatte. Die Hausherrin würde morgen mit dem kleinen Herbert zur Mutter flüchten und diese Woche wahrscheinlich nicht wieder zurückkehren. Dank ihrer Lauschangriffe wusste sie genau, welche Knöpfe sie bei den beiden drücken musste, um eine gewünschte Reaktion zu erhalten. Hinterhältig grinsend stahl sie sich zurück ins Zimmer. Die Probezeit war fast vorüber und sie würde die Abwesenheit der Frau dazu nutzen, den Arbeitgeber diesbezüglich zu bearbeiten.
Wie erwartet, verließ Eva am folgenden Morgen das Haus und nahm den Stammhalter mit. Es war Mittwoch und Oxana rechnete damit, sie die nächsten fünf Tage nicht wiederzusehen. William war so berechenbar wie eine Schweizer Uhr. Nachdem er die untere Etage gereinigt hatte, setzte er dies zwischen zehn und elf Uhr oben fort, ansonsten ließ er sich dort nicht blicken. Von zwölf bis eins war er einkaufen. Danach sah man William nur zur Essenszeit oder wenn die Herrschaften ihn riefen. Kaum war Eva aus dem Haus, fuhr Oxana zu Boris Kendotraining. Juri kochte mittlerweile so gut, dass Boris sie häufig nach diesem Training besuchte, um bei ihr zu essen und anschließend zu quatschen. Inzwischen kannte sie jeden seiner Kniffe, den er bei der Arbeit anwandte. Sie staunte immer wieder, wie löchrig die Grenzen Westeuropas waren. Selbst die zur Schweiz war nur mäßig bewacht, obwohl sie im Vergleich zu den anderen Ländern ein wahres Bollwerk war. Doch die Grenze nach Italien war topografisch unmöglich zu überwachen. An den meisten Stellen standen nur wenige Zöllner zur Verfügung. Boris hatte die leitenden Beamten von zwei Übergängen auf der Lohnliste, die auf seinen Wunsch hin dafür sorgten, dass der benötigte zum richtigen Zeitpunkt unbewacht war. Die Laster waren mit Schweizer Kennzeichen ausgestattet und so mussten sich die Fahrer nur noch an die Verkehrsregeln halten, um unbehelligt jeden Standort im Land zu erreichen.
Zurück im Anwesen der von Hohensteins, zog sich Oxana besonders knappe Kleidung an und wartete auf die Heimkehr des Hausherrn. Als er sich nach dem Essen in das Arbeitszimmer begab, wagte sie den Angriff. Ihm ihre gerade noch sittlich bedeckten Rundungen unter die Nase haltend, brachte sie ihn dazu, den Au‑pair‑Vertrag in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis umzuwandeln. Damit war es ihr jetzt möglich, eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung zu beantragen. Sobald sie diese hatte, konnte sie Frederik verführen. Auch an diesem Wochenende war er wieder auf einer der Partys. Das Signal kam mit identischer Stärke aus der gleichen Himmelsrichtung wie bei der letzten. Oxana warf sich in die Motorradkluft und fuhr zu Boris. Von ihm wurde sie durch die Nacht Richtung Südfrankreich gefahren. Am frühen Morgen erreichten sie das geschätzte Zielgebiet. Von dem Empfänger geleitet, fanden sie eine Stunde später das Landgut. Es kostete sie zwar mit der Rückfahrt einen ganzen Tag, war aber die einzige Möglichkeit, den genauen Standort zu ermitteln.
Von nun an verfolgte sie zwei Ziele: Eva mit gezielten Nadelstichen aus dem Haus und zur Mutter treiben, sowie Frederiks Hormone zum Überkochen bringen. Überraschenderweise entpuppte sich Ersteres als die leichtere Aufgabe. Ein fremdes Parfüm auf dem Jackett, etwas Lippenstift auf seinem Hemdkragen, ein Anruf mit verstellter Frauenstimme, wenn er nicht im Haus war sowie eines von Oxanas getragen Höschen in einer Falte des Ehebettes, brachten die arme Eva jedes Mal auf hundertachtzig. Frederik Verzweiflung aufgrund der Zickereien der Frau verstärkte seine Empfänglichkeit für Oxanas Verführungen. Die Röcke wurden immer kürzer und die Blusen tiefer ausgeschnitten. Nur die Sexpartys sorgten für eine kurzfristige Verbesserung seiner Stimmung. Für Oxana Grund genug, daran etwas zu ändern. Zunächst versuchte sie mit sanften Mitteln, die junge Frau aus Frankfurt zu vertreiben. Aber weder ein Stipendium, noch die Aussicht auf eine Stelle in New York führten zum Erfolg. Oxana musste eine härtere Gangart einlegen. Dazu benötigte sie etwas, das sie dank Boris Informationen in einer Frankfurter Disco erwerben konnte. Dann wartete sie, bis Frederik zu einer der Partys flog und brach erneut bei seiner Begleitung ein. Oxana öffnete den Kühlschrank und holte die angefangene Flasche stilles Wasser heraus. Nachdem sie diese so weit geleert hatte, dass sich nur noch ein Glas voll darin befand, füllte sie die mitgebrachte durchsichtige Flüssigkeit hinein und stellte die Flasche zurück in den Kühlschrank. Schon beim ersten Besuch war ihr aufgefallen, dass man aus dem gegenüberliegenden Haus sowohl in die Küche, als auch in das Arbeitszimmer sehen konnte.
Am nächsten Nachmittag wartete sie mit einem Feldstecher an einem Fenster auf dem Dachboden des gegenüberliegenden Hauses auf die Rückkehr der Konkurrentin. Sie musste zwanzig Minuten warten, bis das Mädchen an den Kühlschrank ging und sich ein Glas Wasser einschenkte. Oxana verharrte noch eine halbe Stunde, dann stahl sie sich in deren Wohnung. Nachdem sie sich leise durch die Zimmer geschlichen hatte, fand sie die Hobbynutte, nur mit Unterwäsche bekleidet, auf dem Bett schlafend vor. Oxana holte ein Seil aus dem Rucksack und legte es neben die Frau. Dann zog sie der mit Liquid Ecstasy betäubten den BH sowie Slip aus, hievte sie auf einen Bürostuhl und fesselte sie darauf. Oxana ging ins Badezimmer, ließ ein Schaumbad ein und rollte danach den Stuhl dorthin. Jetzt entfernte sie das Seil, hob das Mädchen in die Badewanne und wartete, bis die Wanne sich so weit gefüllt hatte, dass der Kopf der jungen Frau unter Wasser war. Nachdem Oxana sich versichert hatte, dass die Konkurrentin tot war, stellte sie drei volle Fläschchen mit der beliebten Partydroge in den Badezimmerschrank, holte das Glas Wasser mit der Droge und ließ es vom Badewannenrand aus auf den Boden fallen. Nach einem letzten Kontrollblick durch das Badezimmer ging sie zufrieden in die Küche. Dort warf sie die leere Ampulle vom Vortag in den Abfalleimer, nahm das Geld aus der Zuckerdose und steckte es zusammen mit der Wasserflasche ein. Ein solcher Geldbetrag könnte polizeiliche Untersuchungen nach sich ziehen, die vielleicht zu ihrem Arbeitgeber führten. Bevor sie ging, holte sie ein neues Mineralwasser aus dem Getränkekasten, leerte es halb aus und stellte es in den Kühlschrank. Sicher, jetzt Frederiks volle Aufmerksamkeit zu haben, fuhr sie wieder nach Hause.
Es dauerte bis Donnerstag, als endlich eine kleine Anzeige in der regionalen Zeitung von einem tragischen, tödlichen Unfall unter Drogeneinfluss schrieb. Auch Frederik hatte anscheinend davon erfahren, denn er schien besonders niedergeschlagen, als er nach Hause kam. Oxana hatte da aber das richtige Mittel, um seine Laune zu verbessern. Während er zu Abend aß, ging sie ins Badezimmer und duschte. Nur mit einem Handtuch bekleidet wartete sie, bis Frederik die Treppe heraufkam, um dann das Bad zu verlassen, mit ihm zusammenzustoßen und dabei das Frotteetuch zu verlieren. Verlegen lächelte sie ihn an, griff hastig nach dem Tuch und lief in ihr Zimmer. Trotzdem ließ sie sich genug Zeit, damit der Hausherr einen erregenden Blick auf ihre bloße Rückansicht erlangen konnte. Nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, stellte sie sich nackt vor den Spiegel und kämmte die Haare. Vorausahnend hatte sie diesen so platziert, dass der jetzt ins Zimmer tretende Frederik, nicht nur Oxanas entzückenden Rücken, sondern auch die runden Brüste erblicken konnte – sowie das kurz geschorene blonde Schamhaar. Offensichtlich hatte er damit gerechnet, dass sie sich sofort etwas übergezogen hätte. Denn er wirkte irritiert und verlegen, dennoch nicht in der Lage, den Blick von ihr abzuwenden. Als ob der Spiegel nicht vorhanden wäre, bedeckte sie mit dem Handtuch die Rückansicht und spielte die Schamhafte. Frederik zögerte mehrere Sekunden, dann stammelte er eine Entschuldigung und verließ das Zimmer wieder. Dass er nicht sofort gegangen war, sagte ihr, er hatte überlegt, den Hormonen nachzugeben. Sie dachte kurz nach, ob er einen Rückzieher gemacht hatte, weil er die Konsequenzen fürchtete. Aber Leute aus seinen Kreisen würden das Problem mit Geld lösen. Sie setzte sich an den Computer und las noch einmal das Tagebuch an der Stelle, wo die beiden zum ersten Mal Sex hatten. Es war ihr zuvor nicht aufgefallen, doch jetzt las sie, dass Eva ihn verführt hatte. War Frederik nur schüchtern oder mochte er, dass Frauen ihn eroberten? Für diesen Tag hatte sie ihm genug Appetit gemacht. Der morgige Freitag wäre ohnehin besser geeignet, weil Frederik am nächsten Morgen nicht zur Arbeit müsste. Aufgrund seiner Zurückhaltung war sie froh, noch einen Tag Zeit zu haben, um über ihn nachzudenken. Zwar spielte er auf den Partys die dominante Rolle. Aber lag das vielleicht daran, dass dort Leute anwesend waren, vor denen er das Gesicht wahren musste. Sie hielt es aufgrund seines Verhaltens für möglich, dass er in intimer Atmosphäre auch die Seite wechseln würde. Als sie einschlief, hatte sie den Plan für den nächsten Abend geschmiedet.
Nachdem sie am folgenden Tag mit Boris trainiert hatte, fuhr sie nach Hause und packte einige Kleidungsstücke ein. Als Juri heimkam, gab sie ihm einen Stapel Fragebögen der Fahrschule und wies ihn an, diese über das Wochenende hin zu lernen. Dann fesselte sie ihn ans Andreaskreuz und bespielte ihn so oft bis kurz vor einen Höhepunkt, dass er halb bewusstlos war, als ihr Mund endlich die Erregung absaugte. Nachdem sie Juri vom Kreuz befreit hatte, blieb er glücklich lächelnd an die Wand gelehnt. Sie war überzeugt, derart motiviert, würde er die Bögen bis Sonntagabend auswendig kennen. Kichernd stieg sie aufs Motorrad und fuhr zurück zum Anwesen. Dort kleidete sie sich wie geplant an. Frederik müsste schon stockschwul sein, damit sein bester Freund nicht den Reißverschluss sprengen würde – bei dem Anblick.
Oxana wartete, bis der Hausherr nach Hause kam und am Essenstisch saß. Dann nahm sie ein Kartenspiel, begab sich in die privaten Wohnräume und setzte sich dort an den Tisch. William würde um die Uhrzeit niemals in die erste Etage kommen. Deshalb konnte sie sicher sein, dass nur Frederik sie sehen würde. Gespannt wartete sie darauf, dass seine Schritte die Treppe hinauf kamen. Dann stand er in der Tür und sah sie überrascht an. Was er erblicken konnte, war schon heiß. Was noch von der Bluse sowie dem Rock verborgen wurde, war zu erahnen und erzeugte Schweißperlen auf seiner Stirn. Sie lächelte ihn aufreizend an und ließ die Karten von einer Hand in die andere fliegen. „Lust auf ein Spiel?“
Frederik musste dreimal durchatmen, bevor er antworten konnte. „Um was möchtest du denn spielen?“, fragte er noch immer etwas überrumpelt.
„Wie wäre es mit Kleidungsstücken?“, säuselte sie zurück und konnte die Erregung sehen.
„Und was bekommt der Gewinner?“ Dabei zog er die Augenbrauen hoch.
„Was schwebt Ihnen denn vor?“, fragte sie in einem Ton, der sagte: 'Alles, was du willst.' Sie konnte ihn denken sehen und wusste, er überlegte, wie weit er gehen durfte. Durch den Verlust des Sexspielzeugs spielten seine Gedanken damit, dieses durch Oxana zu ersetzen. Schließlich hatte er eine Entscheidung getroffen.
„Den Verlierer.“
Sie grinste ihn flirtend an und mischte die Karten. Dass ihre Kartenkünste den Ausschlag geben würden, wer gewinnt, konnte er nicht wissen. Drei Runden später lagen Frederiks Jackett, Krawatte und ein Schuh auf einem der freien Stühle. Oxana sah es an der Zeit, ihn auch ein Spiel gewinnen zu lassen. Kurz darauf knöpfte sie die candyrote Bluse auf, unter der nur noch ein weißer Spitzen‑BH den Blick auf den Oberkörper bedeckte. Nach Frederiks zweitem Schuh entledigte sie sich des ebenfalls candyfarbenen Rocks und gab den Blick auf die mit Strumpfhaltern befestigten langen weißen Seidenstrümpfe frei – die in feuerroten zehenfreien High Heels endeten. Einige Spiele später hatte Oxana immer noch BH und Höschen an, während Frederik als letztes Teil die Unterhose auszog. Sie hielt die Zeit für gekommen, auszutesten, ob er das Risiko eingehen wird, sich ihr auszuliefern.
„Was setzen Sie für das nächste Spiel ein?“ Dabei blickte sie keck an ihm rauf und runter, als würde sie ein noch verstecktes Kleidungsstück suchen.
„Schlage etwas vor und ich sage, ob ich damit einverstanden bin. Das gilt aber dann auch für dich, wenn ich gewinne.“
„Wie weit sind Sie denn bereit zu gehen?“, fragte sie ihn verschmitzt lächelnd. „Wenn für beide der gleiche Einsatz gilt, ziemlich weit.“
„Der Verlierer muss die nächsten zwölf Stunden alles tun, was der Gewinner verlangt.“
Frederik dachte mehrere Sekunden über die möglichen Folgen des Einsatzes nach. Dann fiel ihm William ein. „Das gilt nur hier oben im Haus.“
„Angst vor William?“, fragte sie mit breitem Grinsen.
„Nur davor, es ihm erklären zu müssen– und zwar in beiden Fällen.“ „Einverstanden.“ Oxana schloss aus der Erklärung, dass er es noch nie mit einer seiner Frauen in der Form in diesem Haus gemacht hatte, denn sonst wäre der Butler eingeweiht. Also wäre die devote Rolle wahrscheinlich eine neue Erfahrung für ihn. Das nächste Spiel verlor sie absichtlich. Während sie den BH auszog, beobachtete sie, ob ihn die Möglichkeit noch gewinnen zu können, mehr erregte oder enttäuschte. Überraschenderweise konnte sie für keine der Optionen einen Hinweis finden. Anscheinend war es ihm gleichgültig, welche Rolle er einnehmen würde. Deshalb beschloss Oxana, an dem Tag die dominante Seite zu übernehmen. Wenn Frederik wirklich eine devote Ader hatte, die er noch nie ausleben durfte, würde sie ihn damit leichter an sich binden.
Ein paar Minuten später hatte Frederik das Spiel verloren und musste vor Oxana auf dem Boden knien. Sie verband mit der Krawatte seine Augen, befahl ihm, so platziert zu warten, und begab sich in ihr Zimmer. Dort legte sie ein Dominakostüm an, nahm die bereitgelegten fünf Ledermanschetten und ging zu ihm zurück. Die Krawatte lag noch so über seinen Augen, wie sie ihm diese angelegt hatte. Er versuchte anscheinend nicht zu mogeln. Fügsam ließ er sich die Manschetten anlegen, wobei sie sah, wie sehr ihn die Situation erregte. Das steigerte sich noch, als sie die Augenbinde abnahm und er Oxana in Leder gehüllt erblickte. Dann befestigte sie eine Leine an der Halsmanschette und führte ihn über die Etage. War er ungehorsam, bestrafte sie ihn mit der Gerte. Dabei achtete sie darauf, dieses nicht zu überziehen. Als sie das Spiel am Morgen beendeten, hatte er sie dreimal oral befriedigt und sie ihn zweimal mit der Hand. Sie hatte ihren Ball gespielt, jetzt lag es an Frederik, diesen zurückzuschlagen. Sie war schon darauf gespannt, wie sein Return aussehen würde. Damit er diesen überdenken konnte, blieb sie bis Sonntagabend dem Anwesen fern. Inzwischen hielten es Eva und Frederik nur noch wenige Tage gemeinsam aus und deshalb würde sich schnell die nächste Gelegenheit für den Hausherrn ergeben.
22.
Oxana gab dem kleinen Herbert gerade das Fläschchen, als sie die von Hohensteins streiten hörte. Inzwischen reichten Nichtigkeiten, um das Ehepaar in Streithähne zu verwandeln. Es war Mittwoch und das bedeutete, Frederik würde heute erst nach acht zur Arbeit fahren. Oxana sah auf die Uhr und fragte sich, ob sie die Windel noch wechseln müsste, bevor Eva Reißaus nehmen würde. Doch diese war clever genug, um zu warten, bis ihr Mann das Haus verlassen hatte. Dann nahm sie den Sohn und fuhr mal wieder zur Mutter. Grinsend ergriff Oxana das Haustelefon und drückte Williams Nummer. Selbst Frederik war es untersagt, an dessen Tür zu klopfen und sie fragte sich schon, welches Geheimnis der Butler in der Unterkunft versteckte. Eigentlich fand sie ihn sehr angenehm und nutzte gerne die Gelegenheit, mit ihm zusammen zu frühstücken. Häufig erfuhr sie dabei vieles aus dem geschäftlichen Umfeld ihres Zukünftigen, über das selbst die Medien nicht berichteten. Doch überschritt er leider beim Plaudern gewisse private Grenzen nicht, die für Oxana besonders spannend gewesen wären. Aus seinem eigenen Privatleben machte der Butler ebenfalls ein Staatsgeheimnis. Dabei hätte sie zu gerne erfahren, womit sie ihn aus dem Haus locken konnte. Auch an diesem Tag erfuhr sie eine Neuigkeit über ihren Zukünftigen. Konnte Herbert wirklich sein Sohn sein, wenn diese Information stimmte? Sie begab sich wieder in ihr Zimmer und suchte im Internet nach Antworten. Es war weniger, dass sie Frederik nicht zutraute, zeugungsfähig zu sein. Vielmehr hielt sie Eva für hinterhältig genug, ihm ein Kuckuckskind untergeschoben zu haben. Als sie William zum Einkaufen fortfahren hörte, bestellte Oxana gerade telefonisch ein DNA‑Prüfset. Dann ging sie in die untere Etage und öffnete mit Dietrichen seine Unterkunft. Viele Möglichkeiten ein Geheimnis zu verstecken gab es nicht. In einem Regal befand sich gehobene Literatur. An der Wand hingen das eingerahmte Butlerzeugnis und ein Preis, den er während dieser Ausbildung errungen hatte. Konnte es wirklich sein, dass dieser Mann keine Träume hatte, außer der Butler eines von Hohensteins zu sein? Enttäuscht verließ sie das Zimmer wieder, verschloss mit den Dietrichen die Tür und fuhr nach Hause.
Oxana betrat ihre Wohnung, wo Juri wie immer neben der Tür kniete. „Das Essen ist vorbereitet und kann in fünfzehn Minuten serviert werden, Gospozha.“ Dabei begann er, sie von den Motorradstiefeln zu befreien. Sie lächelte ihn an, streichelte ihm über die Haare und musste ein Auflachen unterdrücken, als sie sah, wie aufgrund ihrer Berührung sein Glied anwuchs.
„Ich muss noch ein paar Telefongespräche führen; in dreißig Minuten ist ausreichend.“
„Ja, Gospozha. Möchten sie eine Cola?“
„Gerne. Wie läuft es in der Fahrschule?“
„Der Fahrlehrer meint, ich wäre so weit, dass Sie mich zur Prüfung anmelden können, Gospozha.“
Während Juri in die Küche krabbelte, um Cola zu holen, setzte sich Oxana an den Schreibtisch und nahm die Prüfungsanmeldung aus einem Ordner. Dann überwies sie die Prüfungsgebühr, unterschrieb die Anmeldung und steckte sie in einen Briefumschlag. Es folgte ein kurzes Gespräch mit Boris, in dem sie ihn bat, einen Tresorknacker zu organisieren sowie zwei Privatdetektive. Juri nahm es nicht persönlich, dass seine Herrin ihn kaum beachtete, als er die Cola auf den Tisch stellte. Auch wenn er den wahren Umfang ihrer Tätigkeit nur vermuten konnte, wusste er doch, diese war wichtiger, als ihm Aufmerksamkeit zu schenken. Außerdem durfte ein Sklave das Geschenk der Zuwendung erhoffen, aber nicht erwarten.
Oxana nippte an dem Glas und öffnete das E‑Mail‑Postfach. Eine verschlüsselte Botschaft von Michail und jede Menge Werbung leuchteten auf. Sie löschte die Reklame und dechiffrierte die Nachricht.
»Führungssitzung vom 27.12 bis 30.12. in Moskau.
Deine Anwesenheit ist erforderlich.
Sende Flugnummer an mich, Abholung vom Flugplatz.«
Sie runzelte die Stirn. Sowohl die Verschlüsselung als auch die Beschränkung auf die notwendigsten Informationen ließen vermuten, dass dort ein sehr wichtiges Thema besprochen werden sollte. Sie fügte wahllos Zeichen und Buchstaben in die Nachricht ein, verschlüsselte sie dreimal und löschte sie anschließend. Dann schaltete sie den Computer aus, trank das Getränk aus und begab sich zum Wohnzimmertisch. Sekunden später krabbelte Juri herbei und stellte eine neue Cola für sie auf den Tisch. Er holte das leere Glas vom Schreibtisch, verschwand in der Küche und servierte eine Minute später das Essen. Während Oxana dieses genoss, kniete Juri unter dem Tisch und massierte ihre Füße. Die meisten Befehle musste sie ihm nicht mehr erteilen. Er kannte ihre Vorlieben und Bedürfnisse. Es gab kein größeres Glück für ihn, als seiner angebeteten Göttin diese zu erfüllen. Denn sie belohnte ihn in einer Form, die seine feuchtesten Träume wahr werden ließen. So wie nach diesem Essen: Nachdem er abgeräumt hatte und aus der Küche zurückgekommen war, lag sie nackt auf der Couch, die Füße in weitem Abstand auf der Tischplatte.
„Krabbel unter den Tisch und lecke mich.“
Mit leuchtenden Augen antwortete er: „Ja, Gospozha.“
Er hatte gelernt, einen Befehl so lange auszuführen, bis ein Neuer kam. Deshalb ließ er auch weiter seine Zunge arbeiten, nachdem sie ihre Lust zum ersten Mal befreit hatte. Nach ihrem dritten Höhepunkt erlaubte sie ihm, aufzuhören und erhob sich lächelnd von der Couch. Oxana streichelte über seine Haare und befahl ihm, ihr zu folgen. Kurz darauf war Juri mit verbundenen Augen an das Andreaskreuz gefesselt und sie bespielte den Samenspender mit Mund und Händen. Dabei verweigerte sie ihm mehrmals den Höhepunkt, bevor sie ihn erlöste.
Am folgenden Morgen lagen Oxana und Boris nach einer Stunde Schwertkampf erschöpft auf dem Boden. „Du lernst verdammt schnell. Ich konnte dich nicht ein einziges Mal treffen.“
„Du bist auch ein guter Lehrer.“
„Die Schnüffler haben sich an Eva und den Butler gehängt, aber erwarte dir bei dem Butler nicht zu viel.“
„Ich brauche nur etwas, womit ich ihn in Rente schicken kann.“
„Du meinst, eine Leiche im Keller?“
„Die traue ich ihm nicht zu, ich dachte eher an einen Traum, den er sich noch erfüllen will.“
„Die Detektive waren beim KGB für die Aufklärung zuständig. Wenn es etwas zu finden gibt, werden sie es auch finden.“
„Und der Safeknacker?“
„Wird nächste Woche kommen.“
„Der muss gut sein, wir werden weniger als eine Stunde Zeit haben.“
„Ist er. Wie läuft es mit Frederik?“
„Werde ich heute Abend erfahren.“
„Was glaubst du?“
„In zwei Wochen ist die nächste Party und er braucht eine Begleitung. Um mich dafür zu überreden, hat er unzählige Möglichkeiten. Mal abwarten, wie kreativ er ist.“
Boris hob die Augenbrauen. Dann zog er die Rüstung aus und ging unter die Dusche.
Drei Stunden später fuhr Oxana auf das Anwesen. Kaum hatte sie das Haus betreten, erschien William. „Frau Pablow, eine Botschaft des Herrn.“
Er übergab ihr einen Briefumschlag mit Siegel. „Danke, William. Hat er Ihnen sonst noch etwas mitgeteilt?“
„Ich weiß nicht, ob es etwas damit zu tun hat. Er hat mir bis Montag Urlaub gegeben und mir sogar den Flug nach London sowie das Hotel bezahlt. Vielleicht ist es aber auch nur eine Aufmerksamkeit von ihm, weil dieses Wochenende dort eine Messe für Butler stattfindet.“
Oxana musste schmunzeln. „Das wird es bestimmt sein, als Dank für Ihre guten Dienste.“
'Der Herr möchte wohl keine Zeugen haben', ging ihr durch den Kopf.
„Dann wünsche ich Ihnen einen schönen Urlaub, Sie haben ihn sich verdient.“
„Danke, Oxana.“
Grinsend begab sie sich auf ihr Zimmer und öffnete das Siegel. In dem Brief teilte Frederik mit, dass es ihm zwar gefallen hatte, er aber an diesem Abend die dominante Rolle übernehmen möchte. Wenn sie damit einverstanden wäre, die nächsten vierundzwanzig Stunden ein bestelltes Callgirl zu spielen, läge die passende Kleidung auf seinem Bett. Sie sollte ihn auf diesem liegend erwarten.
Neugierig begab sich Oxana in das Schlafzimmer und sah sich die bereit gelegten Kleidungsstücke an. Es handelte sich um Seidenstrümpfe, einen Stringtanga, Spitzenstrapse sowie einen ebensolchen BH, alles in Schwarz. Sie sammelte die Stücke ein und ging zurück in ihr Zimmer, wo sie sich auszog und die wenigen Teile anlegte. Frederik war fast so zuverlässig wie William. Deshalb sah sie ihn gerade vor dem Haus vorfahren, als sie sich geschminkt hatte und wieder in sein Schlafzimmer ging. Sie legte sich bäuchlings mit dem Kopf zur Tür auf das Bett und winkelte die Beine so an, dass die Zehen zur Decke zeigten. Jeder Uneingeweihte hätte sie für ein professionelles Callgirl gehalten, das auf einen Freier wartete. Auch auf Frederik verfehlte die Erscheinung nicht die gewünschte Wirkung. Oxana lüstern betrachtend, öffnete er die Krawatte und entledigte sich des Jacketts. Dann knöpfte er die obersten Knöpfe des Hemdes auf.
„Na Süßer, gefällt dir, was du siehst?“
Er wollte gerade antworten, da fiel Frederik ein, dass es ein von ihm gewünschtes Rollenspiel war und reagierte seiner Rolle gemäß. Er holte den Geldclip aus der Hemdtasche, warf die Scheine auf das Bett und steckte den Clip wieder ein.
„Es war abgemacht, vierundzwanzig Stunden, keine Tabus. Ich hoffe, du bist nicht prüde.“
„Wenn die Kohle stimmt, mache ich alles, was du möchtest“, erwiderte sie mit zuckersüßer Stimme.
Dabei ergriff sie die Scheine und tat so, als würde sie diese zählen. Dann steckte sie das Bündel in den rechten Strumpf.
„Hilf mir, die Kleidung abzulegen und bring mich in Stimmung.“
Wie eine Bodenturnerin stützte sie die Hände auf die Matratze, winkelte die Beine an und schob diese unter der Brücke hindurch, die die Arme bildete. Dann schwang sie die Beine nach vorn, spreizte sie weit, dass Frederik den Honigtopf gesehen hätte, wäre da nicht das kleine seidige Dreieck des Tangas gewesen. Im nächsten Moment saß sie auf der Bettkante, von der sie sich erhob und auf Zehenspitzen zu ihm ging. Als sie sich ihm auf Armeslänge genähert hatte, langte ihre Hand an sein Knie und streichelte das Bein entlang. Am Ende dieser Reise konnte sie seine Erregung durch den Hosenstoff spüren. Oxana öffnete den untersten Hemdknopf und wanderte dann weiter hinauf. Nach jedem Knopf glitten ihre Hände unter den Stoff und streichelten über seine Brust. Dabei massierte sie sanft seine Nippel, die bei jeder Wiederholung härter wurden. Nach dem letzten Knopf zog er das Hemd aus und ließ es zu Boden fallen. Oxana öffnete die Hose, tauchte mit der Hand hinein und umschloss Hoden und Penis fest mit Daumen und Zeigefinger. Ihn so in der Gewalt habend dirigierte sie Frederik, bis er mit dem Rücken zum Bett stand. Sekunden später rutschten die Hosen die Beine herab und legten sich wie Fesseln um die Fußgelenke. Schon unfähig, sich von der Stelle zu bewegen, ohne dabei zu stürzen, wurde er völlig willenlos, als ihre Zunge am Lustspender spielte. Oxana wartete, bis er die Augen geschlossen hatte, dann stieß sie Frederik gegen die Brust, woraufhin er rücklings auf das Bett fiel. Zügig befreite sie ihn von Schuhen und Hosen und krabbelte zwischen seine Beine. Das Letzte, was Frederik sah, war, wie der Samenspender in ihrem Mund verschwand. Dann fiel sein Kopf in den Nacken und er gab sich der Erregung hin. Doch Oxana war inzwischen eine Meisterin darin, einen Orgasmus im letzten Moment zu verweigern. Nachdem sie das dreimal mit Frederik gemacht hatte, richtete sie den Oberkörper auf.
„Bist du jetzt heiß genug?“
Frederik schlug irritiert die Augen auf und sah in das schelmisch grinsende Gesicht. Er war an dem Punkt, an dem er nur noch einen Wunsch hatte: seine Lust zu befreien. Doch Oxana schien keine Anstalten machen zu wollen, dieses zu bewerkstelligen. „Du Biest.“ Dennoch musste er schmunzeln, denn sie hatte nur genau das gemacht, was er befohlen hatte und war keinen Millimeter weitergegangen. Er musste jetzt entscheiden, ob er einen weiteren Befehl gab oder seine Lust aktiv befreite.
„Fast. Der BH stört noch“, versuchte er so emotionslos zu sagen, wie es ihm möglich war.
Der Verschluss des trägerlosen BHs befand sich zwischen den Körbchen. Als würde sie mit den Fingern schnippen, griff sie dorthin und der Hauch aus Spitze glitt den Rücken herab. „So besser?“, säuselte sie.
„Etwas.“ Doch sein Blick zeugte davon, dass er sich beherrschen musste, um nicht über sie herzufallen. Er tat so, als würde er nachdenken, dann beugte er sich zum Nachttisch und öffnete eine Schublade. Im nächsten Moment flogen zwei schwarze Ledermanschetten in Oxanas Richtung. „Die Armbänder stehen dir bestimmt gut.“
Als sie unter seinen Blicken die Schmuckstücke angelegt hatte, holte er zwei weitere Manschetten aus der Schublade, richtete sich auf und ergriff ihre Fußknöchel. Mit einem Ruck zog er die Füße zu sich, wodurch Oxana auf dem Rücken landete. Frederik drehte sich um und setzte sich auf ihre Oberschenkel: Jetzt war sie wehrlos. Tatenlos musste sie geschehen lassen, dass sich die Fesseln um die Fußgelenke legten und dort festgezogen wurden. Er griff noch einmal in die Schublade und sie konnte Metall aufblitzen sehen. Jetzt setzte sich Frederik so um, dass er Oxana wieder anschauen konnte. Die Metallketten waren kurz und an allen Enden befanden sich Karabinerhaken. Er ergriff ihre rechte Hand und hakte einen Karabiner an die Manschette. Dann erhob er sich leicht, die Kette immer noch festhaltend und zog ihr rechtes Bein unter sich hervor, winkelte es an und befestigte den anderen Haken an der Fußfessel. Anschließend wiederholte er den Vorgang an den linken Gliedmaßen.
„Schon besser, aber etwas fehlt noch.“
Er stieg vom Bett und stellte sich hinter die dort mit angewinkelten Beinen sitzende Oxana. Sie sah die Krawatte vor den Augen und im nächsten Moment verdunkelte diese ihre Wahrnehmung. Sie spürte am Hinterkopf, wie er die Augenbinde festzog. Ein Fuß wurde ergriffen und sie drehte sich eine halbe Umdrehung. Seine Hände legten sich auf die Brüste. „Wenn du jetzt noch den Mund aufmachst, gefällt mir das.“
Kaum kam sie dem Befehl nach, drang der Samenspender in den Mund ein. Oxana war schon darauf vorbereitet, den Lustsaft zu schlucken, da wurden die Füße ergriffen und ihr Oberkörper sank auf die Matratze. Sie spürte Frederik Brust an den Waden und das kleine Stück Seidenstoff wurde zur Seite gezogen. Dann drang er in sie ein und stieß sich zum Orgasmus. Oxana hatte gehofft, selbst auch auf ihre Kosten zu kommen. Aber er war bereits so erregt gewesen, als er eindrang, dass er sich schon nach wenigen Stößen entlud. Frederik hatte seine Potenz anscheinend die Woche über aufgespart. Die nächsten drei Stunden befriedigte er sich noch mehrmals an ihr. Erst dann befreite er Oxana aus den Fesseln und ließ ein Bad ein. Entspannt auf dem Rücken liegend, schaute er aus dem Wasser dabei zu, wie sie sich aufreizend von Strapsen und Strümpfen befreite, bevor sie ihm in die Wanne folgte. Nachdem sie gemeinsam eine Flasche Champagner geleert hatten, forderte er sie auf, ihn zu reiten. Sie nutzte dabei die Gelegenheit, um ihren Rückstand an Orgasmen aufzuholen. War Frederik bis zu den Wasserspielen der Aktive, überließ er jetzt Oxana diese Rolle. War es reiten, oral oder das Vorführen von Dessous – sie kam sich immer mehr wie eine Entertainerin vor, bei der es als Draufgabe dazu gehörte, ihn zwischendurch zum Orgasmus zu bringen.
Als die vierundzwanzig Stunden vorüber waren, lud er Oxana zum Essen in ein Restaurant ein. Beide waren hungrig, denn sie hatten nur kleine Snacks zu sich genommen, die sie in Williams Küche zusammengesucht hatten. – Seine Abwesenheit hatte nicht nur positive Seiten. Beim Verspeisen der servierten Gerichte unterhielten sie sich über die letzten Stunden. Dabei war sie im Vorteil. Denn er wusste nicht, dass sie über die Sexpartys informiert war. Schließlich erzählte er Oxana davon und dass das Rollenspiel nur ein Experiment war, ob sie sich dafür eignen würde. Ausführlich erklärte er, was er dort von ihr erwarten würde. Sie einigten sich darauf, dass sie ihn einmal im Monat auf diese Partys als seine Sklavin begleiten würde, wenn er die anderen Wochenenden im Anwesen Oxanas Sklave wäre. Frederik bat sich aus, dass dies erst galt, nachdem er ein Problem gelöst hätte. Von Eva dabei erwischt zu werden, war unwahrscheinlich, aber für Williams musste eine Lösung gefunden werden. Zwar würde dieser schon aus Berufsehre schweigen, trotzdem wäre es Frederik peinlich gewesen, so vom Butler gesehen zu werden.
Ein paar Tage später wartete ein schwarzer Wagen mit abgedunkelten Scheiben in angemessener Entfernung darauf, dass William zum Einkaufen fuhr. Kaum hatte dieser das Anwesen verlassen und war außer Sicht, rollte der Wagen vor. Mit einem Metallkoffer ausgerüstet, stieg der Fahrer aus dem Auto und ging zur Eingangstür. Noch bevor er sie erreichte, öffnete diese sich wie von Geisterhand. Eine in einen schwarzen Lederhandschuh gehüllte Hand zog die Tür auf. Er trat ein und erblickte Oxana. Dann schloss er die Tür wieder.
„Kommen Sie mit, der Safe ist hinten links im Zimmer.“
Wortlos folgte er in Frederiks Arbeitszimmer. Dort hing Oxana ein Bild von der Wand, hinter dem ein Safe zum Vorschein kam.
„Bekommen Sie ihn auf, ohne ihn zu beschädigen?“
Er sah sich den Wandtresor an, nickte und öffnete den Koffer. Zunächst versuchte er es mit einem Stethoskop, doch Frederik änderte jeden Tag die Kombination, weshalb dieser Versuch zum Scheitern verurteilt war. Fluchend holte er mehrere Kabel aus dem Koffer, die er erst an dem Safe anbrachte und danach an einem Oszillator anschloss. Nervös blickte Oxana auf die Uhr. Gerade schlug die Wanduhr halb, da öffnete sich der Tresor.
„Wenn Sie ihn wieder schließen wollen, drücken Sie die Tür zu, legen den Hebel um und drehen das Zahlenrad auf null.“
„Danke. Finden Sie allein heraus?“
„Bin schon weg.“
Oxanas Neugierde stieg. Im Safe befanden sich nicht viele Gegenstände. Eine Münzsammlung – sicher wertvoll, aber belanglos. Etwa zweihundertausend Euro in verschiedenen Währungen. Für einen Mann wie Frederik nichts Überraschendes, dass er flüssig sein wollte. Ansonsten lagen dort nur noch drei Bücher. Bei zweien handelte es sich um Geschäftsbücher, die sie zehn Minuten später abfotografiert hatte. Das Letzte entpuppte sich als Fotoalbum. Jede von Frederik Liebschaften hatte dort eine Seite mit freizügigen Bildern. ›Ist das deine Trophäensammlung, Schätzchen?‹ Auf dem letzten gefüllten Blatt waren Bilder von Eva. In den richtigen Dessous sah sie gar nicht so schlecht aus. Oxana sah auf die Uhr, knipste schnell die Seiten und legte das Buch zurück. Zwei Minuten später war der Tresor verschlossen, das Bild hing wieder an der Wand und sie saß vor ihrem Computer. Nachdem sie alle Daten darauf gespeichert hatte, konzentrierte sich ihre Aufmerksamkeit auf die Geschäftsbücher. Nach drei Stunden gelangte sie zur Erkenntnis, dass Frederik Geschäfte so krumm wie eine Banane waren. Sie staunte darüber, dass trotzdem alles fast legal war. Einzig die Finanzämter dürften es nicht komisch finden, wenn sie erführen, wie man sie vorführte.
Zwei Tage später hatte sie den vollen Umfang und die Vorgehensweise der Geschäfte erfasst. Vieles davon könnte sich als nützlich für das Kartell erweisen. Doch vorerst wäre es noch nicht nötig. Sie wollte erst abwarten, welche Optionen ihr als Oxana von Hohenstein offen stünden.
23.
Zehn Tage später erhielt Oxana von Frederik die Nachricht, am Freitag um 17 Uhr auf einem Waldparkplatz nahe dem Anwesen auf ihn zu warten, wo er sie zu der Party abholen würde. Nachdem sie die Kamera im Bauchnabel und den Auslöser an der Innenlippe befestigt hatte, fuhr sie zu dem Parkplatz und wartet auf Frederik. Fast auf die Sekunde pünktlich rollte sein Auto auf den abgelegenen Platz, hielt direkt neben ihr und sie stieg ein. Er fuhr wie erwartet zu dem Privatflughafen und führte sie in das Flugzeug. Nachdem sie abgehoben hatten, befahl er ihr, sich zu entkleiden. Er legte ihr Ledermanschetten an den Gliedmaßen sowie einen Metallhalsreif mit Ösen an. Zuletzt reichte er ihr gläserne Pantoletten, mit zwölf Zentimeter hohen Absätzen und öffnete eine Flasche Champagner. Dazu servierte er Canapés und führte eine Unterhaltung mit ihr, bei der er genau erklärte, wie sie sich die nächsten Stunden zu verhalten hätte. Als das Flugzeug zur Landung ansetzte, holte er eine Kristallglaskugel mit zwei Lederriemen hervor und knebelte sie. Dann befestigte er an den Fußfesseln eine armlange vergoldete Kette und verband die Armmanschetten hinter dem Rücken an einem Kristallstab.
Bevor er die Tür öffnete, hakte er den Karabiner einer goldenen Kette an der vordersten Öse des Halsreifs ein. So in Metall gelegt, folgte sie ihm durch den angrenzenden Park zu dem Schloss, seinen Rollkoffer an den Kristallstab geknotet hinter sich herziehend. Sie war erleichtert, den Auslöser der Kamera so im Mundwinkel angebracht zu haben, dass sie ihn trotz des Knebels noch mit der Zunge erreichen konnte. Beim Gang durch den Park erblickte sie weitere Männer in teuren Anzügen, die nackte, in Ketten gelegte Frauen an Leinen hinter sich herführten. Ein paar waren noch jünger als sie und andere gingen schon auf die dreißig zu. Bei einigen war sie sich sicher, dass ein Staatsanwalt darüber 'not amused' gewesen wäre. Sie würde an diesem Wochenende eine Menge Munition sammeln, die sie anschließend nutzbringend einsetzen könnte. Diese Überzeugung steigerte sich noch, als sie am Eingang des Schlosses ankamen und dort gerade mit Tüchern abgedeckte Stahlkäfige ins Gebäude transportiert wurden. Zwar konnte sie die darin befindlichen Menschen nicht erkennen, aber deren Hände und Füße – und diese gehörten sehr jungen Personen! Oxana wurde von Frederik in einen großen Saal gebracht, wo schon einige der Sklavinnen warteten. Deren Handfesseln waren an von der Decke hängenden Ketten befestigt, die so weit hochgezogen waren, dass die Mädchen die Beine durchdrücken mussten, um mit den Zehen noch Bodenkontakt zu haben. Nachdem Frederik auch sie derart fixiert hatte, verließ er mit dem Koffer den Saal.
Oxana nutzte die Gelegenheit dazu, sich im Saal genauer umzusehen. Sie schätzte den größtenteils, wie einen noblen Sexclub eingerichteten Raum, auf circa vierzig Meter im Quadrat. Der Aufbau des Banketts vor der rechten Wand ließ vermuten, dass es auch bei den Männern Rangunterschiede gab. Direkt an der Wand befanden sich etwa achtzig Plätze an schmaleren Tischen, während davor drei große Tafeln für je ein Dutzend Personen aufgebaut waren. In der Mitte des Saals gab es ein etwa ein Meter hohes Podest von fünf mal fünf Metern. Der Rest des Raums war mit sexuellen Unterhaltungs­möglichkeiten gefüllt. Kleine Pools, Pokertische, Pranger, Liebesschaukeln, Betten, Gynäkologenstühle, Gloryholes sowie weitere von der Decke hängende Ketten. Auf der linken Seite befanden sich mehrere Türen zu angrenzenden Räumen. Außerdem der Abstieg in einen Keller, von dem Oxana vermutete, dass er einen Kerker darstellen sollte. Alles erinnerte sie an ihr Erlebnis in der Fabrikhalle in Irkutsk. Sie ahnte schon, dass ihre Rolle auf dieser Party der dortigen ähneln würde.
Während Oxana darauf wartete, dass etwas passierte, betraten immer wieder Männer den Saal, um Sklavinnen neben ihr aufzuhängen oder anderes benötigtes Equipment zu bringen. Dann wurden vier abgedeckte Stahlkäfige in den Raum gebracht und in der Nähe einer der Türen an der rechten Wand abgestellt. Kurz darauf postierte man weitere vier Käfige neben einer zweiten Tür und etwas später acht vor dem Eingang zum Keller. Jetzt betraten vier Frauen im Domina‑Outfit den Saal, holten aus den acht Käfigen nackte, in Ketten gelegte, möglicherweise volljährige Jungen und führten sie die Treppe hinab. Die Szene beobachtend, spielte Oxana mit der Zunge am Auslöser. ›Die Herren stehen anscheinend nicht nur auf Frauen‹, ging ihr durch den Kopf. Zwar war ein solches Outing inzwischen gesellschaftsfähiger, doch gerade in so gehobenen Kreisen bestimmt immer noch peinlich. Die Frauen waren mit den Sklaven schon einige Minuten im Keller verschwunden, da erschienen zwei Männer und öffneten die anderen Käfige. Die vier zum Vorschein kommenden Mädchen waren gerade alt genug für die weiterführende Schule, die vier Jungen bestimmt noch nicht. Die Männer mussten leichte Gewalt anwenden, damit die Kinder ihnen folgten.  ›Homosexuelle, Masochisten, Päderasten und Pädophile – da bin ich ja in eine feine Gesellschaft geraten! Die Rechnung für eure extravaganten, sexuellen Hobbys werde ich euch noch servieren.‹ Sie hoffte darauf, Fotomaterial zu bekommen, auf dem einer der Gäste seinen Schwanz in einem der Kinder hatte.
Inzwischen hingen fast hundert Frauen im Saal. Die ersten Männer saßen an den Festtafeln und im Minutentakt gesellten sich weitere hinzu. Oxana hatte sich gut darauf vorbereitet, wen sie hier treffen könnte. Deshalb erkannte sie viele und bekam angesichts der Erpressungsmöglichkeiten fast einen Orgasmus: Politiker, Banker, Industrielle, Juristen, Schauspieler, Sportler, Musiker und sogar ein bekannter TV‑Pfarrer. Keine Karriere würde die Veröffentlichung von Oxanas Fotos überleben. Sie kam sich vor, als hätte sie an dem Hebel eines einarmigen Banditen gezogen und die ausgeworfenen Münzen würden sie langsam unter sich begraben. Das Bild von Dagobert Duck beim Bad im Geldspeicher ging ihr durch den Kopf. Waren die Männer auf den billigen Plätzen schon bekannt, setzte sich an den drei großen Tafel das 'Who is who' der Prominenz: Staatsoberhäupter, Mitglieder von europäischen Königshäusern, oberste Richter, Minister verschiedener Länder sowie Berühmtheiten aus der Finanzwelt – wie Frederik. Oxana hatte Angst gehabt, monatelange Recherchen wären nötig, um die Identitäten der Teilnehmer zu ermitteln. Aber von den etwas über hundert Männern gab es nur wenige, denen sie nicht einen Namen zuordnen konnte. Erst als Letztes betrat der Hausherr den Saal. Oxana musste sich zusammenreißen, um nicht loszulachen. Mit seiner paradiesvogelfarbenen Kleidung, der Rheingrafenhose und der Perücke sah er aus wie Ludwig XIV, was wohl auch beabsichtigt war. Begleitet wurde er von einem Butler, der ein Glas mit Loskugeln trug.
Er stellte es auf einen kleinen Sockel vor die Sklavinnen, bevor er das erste Mädchen zu dem Glas holte. Sie zog ein Los, das er öffnete. Dann führte er eine Kette durch die Öse an ihrem Halsreif und befestigte die Enden an den Handmanschetten. Nachdem ihr der Knebel abgenommen worden war, begab sich die Sklavin zu den Tafeln und nahm Bestellungen der Männer entgegen. Die nächste Frau zog ein Los und wurde auf einer der Liebesschaukeln gefesselt. Als Oxana an die Reihe kam, waren außer einem Pranger alle Spielgeräte belegt. Über beiden Pokertischen hingen je fünf Mädchen in Käfigen, wahrscheinlich als Gewinn. An jedem der Pools saß eine Sklavin, etwa vierzig waren zurück an die Ketten gehängt worden und zwanzig kellnerten. Nachdem sie ihr Los gezogen hatte, wurden ihre Hände ebenfalls mit einer Kette an den Halsreif gefesselt und sie musste den anderen Frauen beim Servieren helfen. Das Gelage an den Tafeln erinnerte schnell an alte Filme. Gebratene Tiere wurden am Stück serviert und die Männer rissen sich animalisch Teile davon ab. Oxana zweifelt allerdings daran, dass man früher auf solchen Feiern Rotwein für über tausend Mark servierte. Als Gourmet erkannte sie die hohe Qualität allein an der Farbe, Geruch und den Schwebeteilchen. Sie tippte auf einen 61‑er Bordeaux, eine Auswahl, die sie nachvollziehen konnte. Das Gelage dauerte etwa drei Stunden, dann standen die ersten Männer auf und spielten mit den angebotenen Mädchen.
Gegen Mitternacht hoffte sie, der Datenstick der Kamera würde für das ganze Wochenende ausreichen. Nachdem sie mit den anderen Kellnerinnen die Tafeln abgetragen hatte, kamen auch zu ihr gelegentlich Gäste, die sexuelle Handlungen wünschten. Aber ihre Hauptaufgabe war, Getränkebestellungen aufzunehmen und dann zu servieren. Ein Lottogewinn, denn so konnte sie, ohne aufzufallen, die Entgleisungen der Männer aus nächster Nähe fotografieren. Sie ahnte schon, die Auswertung der Aufnahmen würde Wochen in Anspruch nehmen. Da war ein oberster Richter: Bei der Bestellung bekam er gerade von einem Jungen im Grundschulalter eine Oralmassage und beim Servieren zog er den noch tropfenden Stängel aus dem Po des weinenden Kindes. Ein Minister ließ währenddessen einem anderen Knaben eine mündliche Behandlung zukommen. In dem Raum mit den kleinen Mädchen filmte sie derbe Vergewaltigungen und Gangbangs, an denen sogar ein Staatsoberhaupt beteiligt war. Auch wenn Oxana die Szenen abstoßend fand, wurde aufgrund der Erpressungsmöglichkeiten ihre Muschi feucht. Als sie in den Keller ging, fing diese an zu tropfen. Was sie dort zu sehen bekam, erinnerte sie an die eigenen Neigungen. Von der Decke hing ein Börsenfachmann an Ketten und wurde von einer der Dominas ausgepeitscht. Ein berühmter Schauspieler war über einen Strafbock geschnallt und bekam es von einer anderen Domina mit einem Strap‑on besorgt, während er einem der Sklaven die Rosette leckte. Zwei der Damen erleichterten sich in das Gesicht eines vor ihnen knienden Minister. Danach befahlen sie ihm, den nassen Boden sauberzulecken. Ein berühmter Strafverteidiger war in einen Pranger gesperrt und bekam mit einem Rohrstock den Hintern verhauen, während er einen der Sklaven am Schwanz lutschte. Zwei Staatsanwälte, ein Finanzexperte und ein Verkehrsminister missbrauchten zusammen einen auf eine Liebesschaukel gefesselten Jungen. Sie mussten damit schon einige Zeit beschäftigt gewesen sein, denn sein Gesicht und Oberkörper triefte vom Sperma der Männer.
Oxanas weitere Aufmerksamkeit galt Frederik. Jedes Wissen über seine sexuellen Vorlieben würde sie einen Schritt näher ans Ziel bringen, Oxana von Hohenstein zu werden. Doch im Vergleich zu den Kumpels waren seine Aktivitäten schon als normal einzustufen. Wobei das Spielen mit einer Sonde in Rektum und Vagina einer auf dem Gynäkologenstuhl gefesselten Sklavin und das Betrachten dessen auf einem Monitor leicht darüber hinausging. Zur Entspannung begab er sich danach in einen der Pools und ließ sich von dem Mädchen dort reiten. Sogar Mitleid entwickelte Oxana angesichts einer Frau. Dieses hing kopfüber in Ketten, hatte zwei dicke Vibratoren in den Löchern und musste fast ununterbrochen, ständig wechselnden Gästen den Schwanz lutschen. Zur Belohnung bekam sie dann die Ladung ins Gesicht oder auf die Brüste gespritzt, was zur Folge hatte, dass diese Bereiche weiß vom Sperma waren. Selbst Frederik beteiligte sich an dieser Erniedrigung. Oxana befürchtete, dass die Frau die nächsten Tage stinken würde wie eine Fischfabrik. Durch die wenigen Fenster drang schon die Morgendämmerung, als die Sklavinnen aus dem Saal in einen weiteren Keller geführt und dort in Gefängniszellen eingesperrt wurden. Die anderen Mädchen versuchten einzuschlafen oder über die Erlebnisse nachzudenken. Obwohl auch Oxana einige Male sexuell benutzt worden und dabei sogar einmal zum Orgasmus gekommen war, bemühte sie sich, alle später verwertbaren Ereignisse in ihrer Erinnerung abzuspeichern.
Oxana wachte davon auf, dass die Zellentüren geräuschvoll geöffnet wurden. Vier Männer führten die Mädchen in Duschräume, wo sie die Spuren der tags zuvor erfolgten Benutzung beseitigten. Anschließend brachte man sie in einen Raum, wo sie sich frisieren und schminken durften. Das Frühstück war umfangreicher, als es Oxana einem ihrer Sklaven gestattet hätte. Von einem Buffet konnten sie zwischen verschiedenen belegten Broten, Müsli mit Joghurt und Kaffee sowie Tee wählen. Der Kaffee verdiente sogar seinen Namen, wie Oxana feststellte, die sich gegen Tee aus einem Beutel entschied. Während des Essens unterhielten sich die Frauen, wodurch Oxana erfuhr, dass viele Mädchen Prostituierte waren. Im Anschluss brachte man sie zurück in den Saal und fesselte sie wie am Vortag mit den Händen an die Ketten. Über Nacht hatte man in dem Raum einige weitere Pokertische aufgebaut. Nachdem man das letzte Mädchen an einer Kette gefesselt hatte, nahmen die Männer an den Spieltischen Platz. Wer beim Spiel ausschied, setzte sich an die Tafel. Die Sklaven der Dominas übernahmen heute die Aufgabe, das Essen zu servieren. Dabei handelte es sich an dem Tag um Gerichte, die auch jedes gehobene Restaurant angeboten hätte. Oxanas Arme schmerzten schon, als sich endlich die letzten zwei Männer vom Pokertisch erhoben. Nacheinander suchten sie sich eine der Sklavinnen aus und befestigten mit einer Klemme einen Jeton an deren Nippel. Dann setzten sie sich an die Tafel. Während die Ausgeschiedenen die Speisen verzehrten, begaben sich die Männer in umgekehrter Reihenfolge des Ausscheidens zu den Mädchen und suchten sich eines aus. Erst als fast alle Frauen einen Besitzer gefunden hatten, fiel Oxana auf, dass es genau sechzehn Sklavinnen weniger waren als anwesende Männer. Denn einige kamen nicht zu ihnen, sondern wählten einen der bedienenden Sklaven oder eines der Kinder in den Nebenräumen aus. Trotzdem blieb keine der Frauen ohne Herrn.
Oxana erkannte den Mann – oder eigentlich Jungen – sofort, der sie auswählte. Es war der Thronfolger eines Königshauses und wie sie sich erinnerte, gerade erst volljährig geworden. Sein Vater war in Frederiks Alter. Somit war damit zu rechnen, dass der Prinz noch lange auf eine Beförderung warten musste. Sie war schon sehr gespannt darauf, welche sexuellen Vorlieben er haben würde. Sie vermutete, dass er bisher nicht oft an diesen Partys teilgenommen hatte, womit sich seine Zurückhaltung erklärte. Denn er befreite sie erst als einer der Letzten von der Kette. Auch sah sie in seinen Augen nicht den Sadismus oder die überlegene Arroganz, die sie bei vielen anderen Männern erblickt hatte. Vielmehr erinnerte sie der Blick an einen verliebten Schuljungen. Etwas, das sie noch aus der Schule kannte. Dort hatten die Jungen dann schnell gemerkt, dass ihr süßes unschuldiges Erscheinungsbild nur eine Mogelpackung war, und die feuchten Träume mit ihr wieder begraben. Anders als Juri, der unter der Verpackung genau das fand, was er sich erträumt hatte. Würde der belgische Prinz eine derbe Enttäuschung mit ihr erleben oder seine Erfüllung finden und ihr Sklave werden? Ein zukünftiger König als Sklave könnte nützlich sein für ihre Pläne. Auch ein paar perverse Neigungen, die ihre Kamera verewigen könnten, wären nette Souvenirs. Jetzt würde sie die Gelegenheit bekommen, was sie auf Romans Sklavenparty gelernt hatte, in der Praxis anzuwenden. Wie lange benötigte sie, bis sie die Vorlieben von Prinz Lukas erkennen würde? Fast, als wäre es ihm peinlich, befestigte er die Leine am Halsband und führte sie aus dem Saal.
Jetzt konnte sie auch den Aufbau des Gebäudes erkennen. Um den großen Partysaal herum befand sich ein Gang, von dem unzählige Zimmer abgingen. Einige Türen waren noch geöffnet und sie erhaschte kurze Blicke hinein, wobei sie jedes Mal die Kamera auslöste. Dabei stellte sie fest, dass die meisten Kinderliebhaber sich in Gruppen mit den Spielzeugen zurückgezogen hatten. Alle vier Jungen und zwei der Mädchen waren mit sechs Männern in einem SM‑Zimmer. Ebenso bildeten die beiden anderen Mädchen und die Sklaven Zweiergruppen und würden von je zwei Gästen bespielt werden. Bei den Sklavinnen waren solche Gruppenbildungen eher die Ausnahme. Es überraschte sie, dass gerade die Männer, die Neigungen pflegten, die man verheimlichen sollte, diese so auslebten, dass es Zeugen gab. War es die Überheblichkeit, in Positionen zu sein, wo sie fast unantastbar waren? Geht es dem Esel zu gut, geht er aufs Eis und Oxana stand schon mit einem Eispickel bereit.
Endlich fand der Prinz das georderte Zimmer, das nach seinen Vorstellungen eingerichtet war. Es fehlten jegliche SM‑Vorrichtungen. Vielmehr sah es aus wie eine Hochzeitssuite. Lukas war also ein Romantiker, womit er sich von den meisten anderen Gästen abhob. Dementsprechend verhielt er sich auch so und wandte sich Oxana in einer Form zu, als wäre sie seine Geliebte, und keine Sklavin, mit der er alles machen durfte. Kaum hatte er die Leine wieder entfernt, küsste er ihre Brüste. Dann wanderte sein Mund höher, bis er ihren erreicht hatte und sie küsste. Zaghaft drang seine Zunge zwischen die Lippen ein und untersuchte die dahinter befindliche Höhle. Es wirkte unbeholfen und unsicher, trotzdem empfand sie das Verhalten süß. Plötzlich schoss ihr ein Gedanke durch den Kopf: ›War er noch Jungfrau?‹ Sie erinnerte sich an Romans Aussage: ›Den Ersten vergisst sie nie. Traf das auch bei Männern zu?‹ Doch um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen, musste sie die Führung übernehmen, sonst würde er abspritzen, sobald er in sie eindringen würde. Sie zweifelte daran, dass ein solches Missgeschick eine Erinnerung erzeugen würde, an die er sich gerne länger erinnern würde.
Mit einer Hand knöpfte sie das Hemd auf und glitt mit der anderen darunter, um den Oberkörper zu streicheln. Dann öffnete sie den Gürtel und die Hose und wanderte mit der anderen nach unten. Seine Aktivität erstarb sofort und er schloss die Augen vor Erregung. Jetzt hatten Spielzeug und Spieler die Rollen getauscht, was eine Konstellation war, in der sich Oxana deutlich heimischer fühlte. Während ihre Finger sich dem Hosenbund näherte, küsste und knabberte sie an seinen Brustwarzen. Dann tauchte ihre Hand in die untere Spielfeldhälfte ein, wo sie ein schon harter Lustspender erwartete. Bevor sie ihm jedoch Zugang in sich erlauben würde, musste sie erst eine oder besser zwei Patronen von ihm abfeuern, damit sie die Chance hatte, dass er nicht fertig war, ehe sie auf ihre Kosten gekommen wäre. Langsam wanderte ihr Mund in immer südlichere Gefilde. Kurz bevor sie diese erreichte, rutschte die Hose die Beine herab. Er war nicht königlich bestückt, aber immerhin guter Durchschnitt. Sie maß die Länge mit der Zunge ab, kontrollierte das Ergebnis noch einmal, dann saugte sie den Samenspender in den Mund ein. Wie sie erwartet hatte, dauerte es nur wenige Sekunden, bis der königliche Lustsaft hineinspritzte. Sie schluckte die Entladung herunter, lutschte die Reste vom Lustspender ab und küsste dann den Körper entlang wieder hinauf. Beim Mund angekommen, drang ihre Zunge in diesen ein und ließ den Prinzen den Geschmack seiner befreiten Lust schmecken.
Plötzlich wurde Lukas aus der Erfüllung seiner feuchtesten Träume gerissen. Oxana hatte von ihm abgelassen und war einen Schritt zurückgetreten.
„Mach dich nackig und knie dich vor mir auf den Boden.“
Oxana musste die Lippen zusammenpressen, um ein Kichern zu unterdrücken, als sie beobachtete, wie sich der gerade noch schlaff herabhängende Wurm, durch den autoritären Befehlston, in einen aufrecht stehenden Ständer verwandelte. ›Es erregt dich also, der Befehlsempfänger zu sein. Dann werden wir zwei noch unseren Spaß haben!‹ Umständlich befreite er sich von den Schuhen und den an den Fußgelenken hängenden Hosen.
„Soll ich deine Mama holen, damit sie dir hilft oder schaffst du das allein?“, fragte sie ungeduldig und harsch.
„Verzeihen Sie, der Hosenknopf hat sich in den Schnürsenkeln verheddert.“
›Fehlt noch das Gospozha‹, kicherte sie stumm. ›Ob sie so weit gehen durfte?‹ Sie überdachte diesen Schritt kurz und beschloss aufgrund der benutzten Anrede: „Die richtige Anrede heißt Gospozha.“
Sie konnte förmlich sehen, wie er in seinen Fremdsprachenkenntnissen nach der Übersetzung suchte, dann sah er zu ihr auf. „Herrin?“
„Natürlich, oder hast du schon ausreichend Erfahrung mit Frauen, dass du hier den Ton angeben kannst?“
„Nein.“ In Ermangelung eines Disziplinierungswerkzeugs ergriff sie sein Ohr und zog daran. „Das heißt: 'Nein, Gos – po – zha.'“
„Das tut weh, Gospozha.“
„Schon besser.“
Sie ließ das Ohr los und schenkte ihm ein leichtes Lächeln.
„Warst du schon einmal mit einer Frau intim?“ Röte stieg ihm in den Kopf, was Oxana die Frage ebenso gut beantwortete wie Worte. „Dann werde ich dir wohl eine Menge beibringen müssen, damit ich nicht vor Langeweile einschlafe. Du bist ja immer noch nicht nackt!“
„Verzeiht, Gospozha.“ Hastig zog er die Strümpfe von den Füßen und kniete sich vor sie hin. Sie stellte sich breitbeinig vor ihn, bis ihre Muschi nur noch wenige Zentimeter von seiner Nase entfernt war.
„Küsse meine Füße.“
Er beugte sich herunter und ihre Hand traf seinen Hinterkopf. „Ich habe dir einen Befehl gegeben, den hast du mit 'Ja, Gospozha' zu bestätigen.“
„Ja, Gospozha.“ Eiligst wendete er sich den Füßen zu, um sie zu liebkosen.
Sie sah sich ein paar Sekunden an, wie er diese vollsabberte. „Nimm auch die Zehen in den Mund und sauge daran.“
„Ja, Gospozha.“ Sie hatte inzwischen die Erfahrung gemacht, dass Männer das Küssen ihrer wohlgeformten, fast kindlichen Füße nicht als die Erniedrigung empfanden, die es eigentlich sein sollte. Deshalb verwunderte sie die Inbrunst nicht, mit der er den Befehl ausführte. „Jetzt küsse die Beine hinauf, und zwar an den Innenseiten.“
Seine Unerfahrenheit würde präzise Anweisungen von ihr erfordern. Sie wartete, bis seine Haare über die Vulva streichelten. „Ziehe mit den Fingern die Schamlippen auseinander und lecke durch die Spalte.“
Mit lustvollem 'Ja' und gefühllosem 'Nein' dirigierte sie seine Zunge.
„Dringe mit einem Finger in mich ein und reibe dort.“
Sie half ihm, den G‑Punkt zu finden, allerdings glaubte er irrigerweise, seine Zunge hätte jetzt Pause. „Ist deine Zunge erschöpft, oder warum leckst du nicht weiter?“
„Verzeiht, Gospozha.“ Er benötigte mehrere Versuche, bis er beide Tätigkeiten kombiniert bekam. Doch schließlich schaffte er es, Oxanas Lust zu befreien.
Sie streichelte ihm über die Haare und begab sich zum Fenster. Diese waren mit Vorhängen verdeckt, an denen sich lange Kordeln befanden. Sie riss vier davon ab und ging zurück zum Prinzen. „Leg dich aufs Bett, …“ Sie musste sich auf die Zunge beißen, doch der Zusatz Sklave wäre vielleicht zu weit gegangen. „… Prinzchen.“
Als er mit dem Rücken auf dem Bett lag, fesselte sie seine Gliedmaßen mit den Kordeln an die Bettpfosten. Den Lustspender mit dem Mund in Kampfstellung zu bringen, war nicht nötig. Der Anblick ihres nackten Körpers reichte dafür aus. Nachdem sie sich über seinen Schoß gehockt hatte, ergriff sie den königlichen Stab und nahm ihn in sich auf. Wehrlos musste er erdulden, wie sie sich mehrmals an ihm befriedigte und dabei seine Lust so kontrollierte, dass die Härte erhalten blieb. Erst als sie sich ausreichend zufriedengestellt hatte, ritt sie ihn bis kurz vorm Orgasmus, stieg dann von ihm und brachte Begonnenes mit der Hand zu Ende. In einer Fontäne spritzte seine Lust in die Höhe und landete auf seiner Brust. Grinsend sah Oxana auf das verklärte Gesicht des Prinzen und wusste, seine Eier gehörten jetzt ihr, womit sie ihn wie ein ferngesteuertes Auto lenken konnte. Sie befreite ihn von den Fesseln und wartete, bis Geist und Körper wieder eine Einheit bildeten.
„Lass uns ein Bad ein.“
„Ja, Gospozha.“
Eine Viertelstunde später lagen beide in einem Schaumbad. Die Badewanne war so groß, dass nur wenige Zentimeter fehlten, um als Swimmingpool bezeichnet zu werden. Oxana erinnerte sie mehr an ein Babybecken im Schwimmbad. Doch beide hatten nach dem Matratzensport ein Bad nötig, sollten nicht ihre Nasen in Kürze Protest einlegen. Lukas sah sie mit den verliebten Augen eines Schuljungen an. Sie war an ihm als Sklave nicht uninteressiert, doch eine andere Beziehungsform kam nicht infrage. Als seine Frau stünde sie zu sehr in der Öffentlichkeit und würde Gefahr laufen, dass ihre nicht gesellschaftsfähigen Neigungen publik würden. Vor allem Juri wäre dann kaum noch zu verheimlichen, ebenso ihre Karriere bei der Mafia. Deshalb musste sie diesen Wunschtraum in ihm schnell platzen lassen.
„Wenn du gerade von Prinzessin Oxana träumst, schmink dir das wieder ab.“
„Heißt das, du willst mich nicht wiedersehen?“
Ihre Ferse traf sein Bein. „Aua.“
„Spricht man seine Herrin in der 2. Person an?“
„Du …Sie wollen das Spiel weiterspielen?“
„Das ist kein Spiel. Wen ich heiraten werde, ist schon beschlossen. Du hast nur als mein Sklave eine Zukunft.“
„Sie lieben einen Anderen?“
„Ich habe nicht vor, aus Liebe zu heiraten.“
„Und warum wollen Sie es dann tun?“
„Weil er reich und mächtig ist und im Gegensatz zu dir nicht so in der Öffentlichkeit steht, dass ich Angst haben muss, unter der Dusche einen Paparazzo zu treffen.“
Er lachte los. „Dort habe ich noch nie einen angetroffen, aber sie können schon lästig sein.“
Nachdem Lukas den Traum begraben hatte, Oxana zu seiner Prinzessin zu krönen, fragte er sie, wie ein weiterer Kontakt möglich wäre und wie dieser aussehen würde. Wie sich herausstellte, hatte der Prinz bereits eine E‑Mail‑Adresse, die er Oxana nannte. Damit er sich ein Bild davon machen konnte, was ihn als Sklave erwarten würde, verbrachten sie den Rest der Zeit in dieser Rollenverteilung. Als Lukas sie am nächsten Tag wieder zurück in den Saal führte, war er ihr sexuell so hörig, dass er für Sex mit ihr nackt im Fernsehen aufgetreten wäre. Einige Stunden später kleidete Oxana sich grinsend im Flugzeug an, denn auch sie war ausreichend auf ihre Kosten gekommen. Wieder zu Hause, nahm sie die Piercings ab und lud die Daten auf den Computer. Dann erstellte sie für jeden Gast einen Ordner und ordnete die Bilder den Personen zu. Es war schon tief in der Nacht, als sie mit dieser Arbeit fertig war.
24.
Nach einer kurzen Nacht fuhr sie zum Anwesen, wo sie überraschend feststellte, dass Eva mit dem Stammhalter nicht wie üblich von der Mutter zurückgekehrt war. Beim gemeinsamen Frühstück mit William erfuhr sie, dass diese angeblich krank wäre und Eva deshalb bei ihr bleiben würde. Für Oxana hieß das wahrscheinlich eine Woche frei. Gegen Mittag fuhr sie nach Hause und holte Juri ab, um mit ihm in ein Wellnessbad zu fahren. Zwischen Saunagängen und Solebädern ließ sie sich von ihm mit Massagen verwöhnen. Sie fragte sich, wie andere ohne einen Sklaven das Leben genießen können.
Am nächsten Tag nutzte sie die Auswirkungen von Evas Zickerei zu einem Training mit Boris. Beim anschließenden gemeinsamen, von Juri zubereiteten und servierten Essen, ließ sie sich über die Erkenntnisse der Detektive informieren. Wie befürchtet, gab es von William wenig zu berichten. Dafür schien sein Hausarzt Rezepte auszuschreiben, die nicht mit einem dafür behandelten Leiden in Einklang zu bringen waren. Oxana empfahl, dahingehend tiefer zu bohren, denn sie hatte sofort eine Idee, wie sich dies als nützlich erweisen könnte. Der Vortrag über Eva dauerte lange. Sie hatte vor Frederik mehrere Beziehungen und sie berichteten alle, dass sie finanzielle Vorteile daraus gezogen hatte. Auch gab es keinen Ehevertrag. Grund genug für Oxana, eine sizilianische Scheidung zu planen. Nach dem Vortrag holte sie eine Skizze aus dem Schreibtisch und reichte sie Boris.
„Hast du jemanden, der die mit einem roten Kreuz markierten Zimmer heimlich mit Kameras schmücken kann?“
„Das sind aber viele Kreuze! Ist es das Schloss, wo du mit Frederik gewesen bist?“
„Genau und in diesen Zimmern passieren Sachen, die gewisse Personen nicht an die Öffentlichkeit kommen lassen wollen.“
„Warum sind einige Kreuze dicker?“
„Das sind die Räume, wo die besonders delikaten Sachen passieren.“
„Verletzung der Schulpflicht?“
„Nett umschrieben“, kicherte sie.
„Ich setze erst einmal jemanden darauf an, es auszukundschaften.“
„Die Zimmer mit einem dicken Kreuz müssen sich in Filmstudios verwandeln. Die Aufnahmen sollten sich aber keiner antun, der noch einen Rest an Anstand hat.“
„Da du dir die anschauen wirst, was sagt mir das über dich?“
Sein Lachen erstarb, als Oxanas Faust seinen Arm traf und kurz dessen Funktionen außer Kraft setzte. „Unverschämter Flegel.“
Den Rest der Woche schmiedete sie an einem Plan, die Ehe von Frederik, dem Eheschwur entsprechend, zu beenden. Als sie ihm am Freitag die Ledermanschetten zuwarf und er sie anlegte, hatte sie den Plan erstellt und eine Liste mit den notwendigen Hilfsmitteln angefertigt. Es war schon November, weshalb sie Frederik darüber informierte, dass sie über die Feiertage und den Jahreswechsel in die Heimat wollte. Den Traum eines Weihnachtsfestes im Kreise der Familie hatte er schon begraben. Jetzt auch noch auf Oxana verzichten zu müssen, enttäuschte ihn, dennoch genehmigte er den Urlaub.
Auch Eva ließ sich mit dem Stammhalter wieder im Anwesen sehen. Oxana nutzte sofort die Gelegenheit, sich die DNA‑Probe von Herbert zu sichern. Noch am selben Tag schickte sie diese ins Labor. Am Donnerstag – Eva befand sich schon wieder bei der Mutter – bekam sie einen Anruf von Boris. Dieser teilte ihr mit, dass der Auftrag ausgeführt worden war. Anfang Dezember flog Frederik mit Oxana erneut nach Frankreich. Sie lächelte, als Lukas wieder sie auswählte. Es gab nur wenige neue Gäste und trotz der versteckten Kameras, knipste sie fleißig alle heiklen Szenen. Vier Tage nach der Rückkehr überreichte ihr Boris einen Beutel mit Speicherkarten. Bis zum Abflug benötigte sie jede freie Minute, um alles auf dem Computer zu speichern und in dem richtigen Ordner abzulegen. Es graute ihr schon davor, die Aufnahmen komplett zu sichten; es würde Wochen in Anspruch nehmen.
Oxana hatte Russland nicht vermisst, trotzdem durchfloss sie eine warme Welle, als sie in Irkutsk aus dem Flugzeug stieg. Als wären es die Arme ihres Geliebten, warf sie sich in den hüfthohen sauberen Schnee und lachte. Ein Mann, der ihr Uropa hätte sein können, sah sie dort liegen und lachte mit. Zwanzig Minuten später hielt ihr Taxi vor Marias Haus. Sie klopfte an und schmunzelte, als Sascha nackt die Tür öffnete.
„Sag ihr, es wäre jemand, der sie sprechen müsste“, flüsterte sie ihm zu.
Er nickte grinsend und rief Maria die Nachricht zu.
„Welcher Hornochse will mir meine Zeit stehlen? Ist es nicht wichtig, bekommt er meine Peitsche zu spüren“, tönte es aus dem Haus.
Drei Sekunden später erschien eine wutschnaubende Maria in der Tür, sah Oxana und fing an zu lächeln. Dann fielen sich die Freundinnen in die Arme.
„Möchten die Gospozhas Tee?“
Maria hatte schon Oxanas Koffer ergriffen und schob die Freundin ins Haus.
„Verschone mich mit Tee, hol den guten Krimsekt.“
Sascha blickte skeptisch zur Uhr, die kurz nach zehn am Morgen anzeigte.
„Bisschen früh für Sekt“, sagte er mehr zu sich selbst, aber gerade so laut, dass Maria es hören konnte. Dann fügte er ein „Ja, Lady Maria“ hinzu.
Oxana kicherte: „Ganz schön frech, dein Sklave.“
„Er hat ja recht, aber Feste muss man feiern, wie sie fallen.“
Als sich die Frauen an den Tisch setzen, standen die Sektgläser bereits darauf. Ein lauter Knall ertönte und die Gläser füllten sich mit dem prickelnden Getränk.
„Haben Sie schon gefrühstückt, Gräfin Oxana?“
„Nur eine Semmel im Flugzeug.“
Zwei Minuten später servierte er zwei Käsebrote. Sie lächelte ihn an und streichelte ihm über die Schulter. „Hast du den Jahresbericht vom Casino schon fertig?“
„Ja, Gräfin. Möchten Sie ihn sehen?“
„Später. Wenn Maria erlaubt, werde ich zwei Tage bleiben.“
„Du kannst auch zwei Wochen bleiben. Bin ich glücklich, dass du gekommen bist!“ Haarklein musste Oxana der Freundin erzählen, was seit deren Besuch alles passiert war.
„Du hast einen echten Prinzen versklavt? Ich bin richtig neidisch.“
„Brauchst du nicht sein, du wirst auch noch die Gelegenheit bekommen, mit ihm zu spielen.“
Maria machte große Augen und Oxana weihte sie in den sie betreffenden Teil des Plans ein. Dabei unterschlug sie, warum dieser nötig war, um das Gewissen der Freundin nicht damit zu belasten.
Am Nachmittag gingen sie in ein Restaurant und danach in den Sexclub. Sie begrüßten die Kartellmitglieder. Während Maria sich an Koljas Tisch setzte, der jetzt Roman gehörte, begab sich Oxana direkt ins Büro zu ihm. Überrascht blickte er grimmig auf, als die Tür ohne vorheriges Anklopfen geöffnet wurde, dann sah er Oxana und lächelte. „Hallo Schätzchen, willkommen in Russland.“
Sie trat ein, schloss die Tür und drehte den Schlüssel um: „Wir müssen unter vier Augen sprechen.“
Roman wusste, dass Oxana inoffiziell in der Hierarchie über ihm stand und dies in einer Woche auch offiziell der Fall sein würde. „Ich vermute, das Gespräch hat anschließend nie stattgefunden?“
„Du vermutest richtig.“
„Was ist denn so wichtig und geheim?“
„Ich werde nächste Woche offiziell Koljas Stellvertreterin.“
„Glückwunsch. Bei dem, was du geleistet hast, eine verdiente Beförderung.“
„Das ist nicht alles. Kolja wird bald der erste Mann, Wladimir hat Krebs.“
„Twoju matj, scheiß Krankheit. Moment, das bedeutet, du wirst die Nummer zwei im Syndikat!“
„Du denkst besser mit, als du schießt.“
Beide grinsten sich an. „Wie lange willst du mir das noch unter die Nase reiben?“
„Bis du mich schlägst.“
„Wird schwer, besser als perfekt zu schießen.“
„Wir wissen beide, dass Kolja zu viel trinkt und mit Sicherheit kein Methusalem werden wird.“
„Du machst dir Gedanken darüber, als Frau die Nummer eins zu werden?“
„Genau. Ich habe nicht vor, in Moskau zu leben. Nicht einmal in der schönsten Datsche vor der Stadt. Aber das wird dank des Internets auch nicht nötig sein, – wenn ich einen Stellvertreter vor Ort habe.“
„Hast du dabei an mich gedacht?“
„Erst an Maria, aber Kolja meint, das wäre zu viel Frauenpower für das männliche russische Ego.“
„Ich sehe gerade Bilder … wo die Bereichsleiter … nackt auf allen Vieren … zu ihr krabbeln … um Bericht zu erstatten“, stotterte Roman lachend.
Oxana fiel in sein Lachen ein: „Das Bild gefällt mir, würde endlich klarstellen, wer das starke Geschlecht ist.“
„Ich sehe das Filmplakat vor mir. Maria mit einer Peitsche und du mit der Glock. Das Ganze mit dem Titel 'Russland im Griff der Amazonen'“.
Jetzt lachten beide hemmungslos. Fast hätten sie deshalb das Klopfen überhört. Oxana stand auf, öffnete die Tür und nahm die Cola von der Bardame entgegen, die verwundert schaute, was so lustig war. Dann schloss Oxana die Tür wieder, genehmigte sich einen Schluck und fragte: „Kann ich auf dich zählen?“
„Natürlich. Wird hoffentlich nicht so schnell passieren, wäre schade um Kolja.“
„Wie läuft die Waffenproduktion?“
„Fast zu gut, wir brauchen dringend weitere Abnehmer.“
„Welche Waffen stellt ihr her?“
„AK 47, 9 mm Makarow, eine russische Version der Uzi und Handgranaten.“
„Ich brauche Mengenangaben, was wir monatlich abgeben können.“
„Schicke ich dir über Mischa. Hast du einen Abnehmer?“
„Sagen wir, ich habe Leute kennengelernt, die mir auch Scheiße abkaufen würden, wenn ich dafür mein Wissen geheim halte.“
„Mischa hat recht, du wärst eine große Nummer beim KGB geworden. Ich glaube, es ist besser, ich weiß nichts Genaueres?“
„Würde dir teilweise den Appetit verderben.“
Nach zwei weiteren Tagen mit ihrer Freundin hüpfte Oxana mit dem Flieger in die Provinzhauptstadt und fuhr mit dem Zug in ihr Heimatdorf. Sie hätte sich auch ein Taxi leisten können, doch die Zugfahrt war die nostalgische Alternative. Gegen Mittag erreichte sie Michails Haus. Svetlana öffnete und das Strahlen in den Augen sagte Oxana mehr als Worte.
Nachdem Michail sie begrüßt hatte, knuffte sie ihm in die Seite. „Wann wolltest du es mir sagen?“
„Weiß es doch selbst erst eine Woche und wusste ja, wir werden uns sehen.“
„Glückwunsch, wann ist es so weit?“
„Etwa zu deinem Geburtstag.“
„So viel Aufwand mit dem Timing wäre aber nicht nötig gewesen“, grinste sie ihn schelmisch an.
„Du meinst, ich hätte Anfang letzten Monats nicht mit Svetlana nach Sotschi fliegen müssen, um Urlaub zu machen?“
Sie merkte, wie sehr sie die Frotzeleien mit Michail vermisst hatte. Sie verabredeten sich für den zweiten Feiertag in der Hütte, dann spazierte sie durch das von einer Schneedecke bedeckte Dorf zum Elternhaus. Die Mutter fiel ihr weinend um den Hals und küsste sie minutenlang ab. Plötzlich trat ein Mann aus dem Haus. Bei ihrem Anblick füllten sich seine Augen mit Tränen. Oxana kannte ihren Vater nur noch von Bildern, doch auch ohne dieses Wissen spürte sie das Band zwischen ihr und dem Mann. Dann nahm sie der Vater in die Arme und Oxana hatte das Gefühl, er wollte sie nie wieder loslassen.
Obwohl Oxana inzwischen die gehobene Küche bevorzugte, waren die Gerichte der Mutter immer noch etwas Besonderes. Natürlich fragten die Eltern ihr ein Loch in den Bauch. Oxana berichtete eine Mischung aus Wahrheit und Dichtung. Einige tatsächliche Vorkommnisse hätten peinliche Gegenfragen der Eltern erzeugt. Für diese war sie nur die Tochter und nicht die zukünftig mächtigste Unterweltchefin Russlands. Eine Karriere, die ihre Eltern kaum gutgeheißen hätten. Auch der Vater musste berichten, was er erlebt hatte und Oxana respektierte, welche Gefahr er für seine Überzeugungen auf sich genommen hatte. Während der nächsten zwei Tage verbrachte sie mehr Zeit mit den Eltern als früher im ganzen Monat. Sie genoss die Bestätigung aus dem Stolz der Eltern, der aus fast jeder von ihnen gemachten Aussagen hervorstach.
25.
Am zweiten Feiertag ging sie nach dem Essen in den Wald. Michail hatte das Versprechen gehalten, denn die Hütte sah aus, als würde sie diese immer noch täglich besuchen. Sie setzte Teewasser auf und baute das Schachbrett auf. Gerade als der Wasserkessel pfiff, öffnete Michail die Tür. „Du bist schon da? Ich habe keine Spuren von dir im Schnee gesehen.“
„Was meinst du, wie ich die Hütte so lange geheim gehalten habe.“
„Wie machst du das?“
„Indem ich bei jedem Schritt Schnee über den Fußabdruck schiebe.“
Sie setzte den Tee an und zog einen Bauern vor.
„Ich habe gehört, dein Vater ist zurück!“
„Ja, kannst du meine Eltern im Auge behalten? Wenn er nicht sofort eine Arbeit findet, spiele meinen Eltern etwas von dem Geld in der Hütte zu.“
„Selbstverständlich. Ich könnte ihm eine staatliche Haftentschädigung zuspielen. Sind hunderttausend in Ordnung?“
„Ja, sollte ihm helfen, auf die Füße zu kommen.“ Michail machte einen Zug, den Oxana erwiderte, dann fragte sie: „Was ist denn Wichtiges passiert, dass diese Geheimversammlung einberufen wurde?“
Er bewege erneut einen Bauer. „Noch nichts, es passiert am 31.12. – Jelzin tritt zurück und Putin übernimmt die Staatsführung.“
„Ist das nicht gut für uns? Er war doch auch beim KGB.“
„Leider nicht. Das ist ein Überkorrekter. Der hätte sogar Stalin ins Gulag geworfen, wenn der einen Bleistift geklaut hätte. Von ihm dürfen wir uns nichts erhoffen.“
„Und was wollen wir dagegen machen?“
„Ende März werden Neuwahlen abgehalten. Wir müssen entweder einen seiner Gegner unterstützen und abklären, wie wir das machen können, oder einen eigenen Kandidaten ins Rennen schicken.“
„Den wir mal eben aus dem Hut zaubern?“
„Ich sehe, du hast das Problem erkannt.“ Er reichte ihr eine Akte. „Das sind die Gegenkandidaten und was wir über sie wissen.“
Oxana blätterte durch die Unterlagen und grunzte gelegentlich auf. „Die meisten sind chancenlos, da können wir auch einen eigenen Kandidaten ins Rennen schicken. Obwohl, Schirinowski für uns der beste wäre.“
„Stimmt, seine Politik würde uns am meisten in die Karten spielen.“
„Ella Pamfilowa wäre eine, die man für in vier Jahren aufbauen könnte. Aber in drei Monaten? Unmöglich.“
„Warum würdest du sie wählen? Weil sie eine Frau ist?“
„Indirekt. Gegen die fast rein männlich besetzte Duma, würde sie die meiste Kraft für Grabenkämpfe verbrauchen. Wahrscheinlich würde sie aus geschlechtlichen Gründen sogar Knüppel aus den eigenen Reihen zwischen die Beine geworfen bekommen.“
„Du meinst, sie wäre so stark mit dem Machterhalt beschäftigt, dass sie uns nicht an die Karre pissen könnte?“
Sie nickte. „Bleibt Sjuganow. Der einzige Gegenkandidat, der eine Chance hat.“
„Ultralinker. Der würde die Zeit zurückdrehen.“
„Vielleicht bekommst du deinen Job beim KGB zurück“, erwiderte sie trocken.
„Mir macht mein neuer mehr Spaß.“
„Wie weit könnte er die Zeit zurückdrehen? Die Mauer wieder aufbauen, wird der Westen nicht zulassen.“
„Den Kommunismus wieder einführen, würde unsere Kunden eine Menge Geld kosten – das sie dann nicht bei uns ausgeben können.“
„Wie viel Schaden kann er in vier Jahren anrichten?“
„Du meinst, ihn unterstützen und selbst für die nächste Wahl einen Mann aufbauen? Wäre eine Option, die man überlegen könnte.“
„Wen hätten wir überhaupt, den wir aufstellen könnten?“
„Wirst du morgen kennenlernen. Ich kenne dich, du hast eine Idee.“
„Möglicherweise.“ Oxana erzählte ihm von der Sexparty und dem Beweismaterial.
„Das sind einflussreiche Personen, wenn die unseren Kandidaten unterstützen würden, hätte er eine Chance.“
„Wir müssen genau überlegen, wer uns helfen könnte und wie.“
„Wir haben einen Experten für demokratische Wahlkämpfe, der wird das bestimmt sagen können.“
„Russe?“, fragte sie verwundert. Michail lachte: „Nein, Amerikaner.“
„Seit wann sind die demokratisch? Dem Volk werden zwei Marionetten vorgesetzt und sie dürfen dann zwischen Pest und Cholera wählen.“
„So funktioniert Demokratie“, lachte Michail.
„Hat Putin Leichen im Keller?“
„Wenn, hat er sie in Salzsäure aufgelöst.“
„Dann müssen wir eine erfinden! Schließlich leben wir in einer postfaktischen Zeit.“
„Du meinst, mit Dreck werfen und hoffen, dass genug hängen bleibt?“
Oxana nickte. Michail dachte darüber nach, nahm einen Schluck Tee und schaute Oxana in die Augen. „Und was für eine Leiche?“
„Gib mir eine Nacht zum Überdenken, sag ich dir morgen. Wann treffen wir uns?“
„Ich hole dich nach dem Frühstück ab.“
In Moskau gelandet, wurden sie von einem Mann mit einem Schild 'Familie Pablow' in der Empfangshalle erwartet. Er geleitete sie zu einer Limousine und brachte sie ins Ritz‑Carlton. Für Oxana war es das erste Mal, dass sie mit Michail in einem Hotel abstieg und eine eigene Suite hatte – auch wenn diese direkt neben seiner lag und eine Verbindungstür hatte. Sie hatte den Koffer noch nicht geöffnet, da klopfte es an der Tür. Ein Page reichte ihr auf einem goldenen Tablett eine Botschaft. Sie bedankte sich, gab ihm ein Trinkgeld und öffnete den Umschlag. »17 Uhr Konferenzzimmer 230« Sie sah auf die Uhr und beschloss, dass vorher noch Zeit für ein Essen und ein Bad war. Dann ging sie durch die Verbindungstür zu Michail, der gerade einen identischen Umschlag öffnete.
„Hast du die gleiche Einladung bekommen?“
Er zeigte die beschriebene Seite der Botschaft. „Hast du schon Pläne, wie du die Zeit totschlägst?“
„Ich gedachte, zu essen und dann ein Bad zu nehmen.“
Michail grinste: „Wie überraschend. Lass uns die Koffer auspacken und uns umziehen, dann gehen wir ins Hotelrestaurant. Sie haben einen Koch mit zwei Sternen. Er soll Experte für Fisch sein.“
Eine Dreiviertelstunde später servierte der Ober als Vorspeise eine Bouillabaisse und schenkte dazu einen Grauburgunder ein. Sie war genauso perfekt wie die danach gereichte Seezunge und der Shrimps Salat. Als der Ober das Dessert servierte, grinste Michail sie an. „Ich zeige dir mal, was Service ist.“ Sie sah ihn verwundert an, dann richtete er sich an den Ober. „Würden Sie bitte veranlassen, dass in Suite 203 ein Schaumbad eingelassen wird!“
„Selbstverständlich.“
„Ich vergesse immer wieder, dass Uniformierte nichts anderes als bekleidete Sklaven sind“, grinste sie zurück.
„Ja, echt verwirrend, wenn die Sklaven nicht nackt sind.“ Beide lachten laut los. „Wie macht sich Juri?“
„Er hat zwar inzwischen einen Führerschein, braucht aber noch Erfahrung. Ich habe eine Chauffeur‑Schule gefunden, wo ich ihn anmelden werden. Sie bieten auch ein Fahrtraining für Bodyguards an. Dann fehlt ihm nur noch der Abschluss auf einer Butler‑Schule. Dafür muss ich ihn drei Monate nach England schicken.“
„Wird eine harte Zeit für dich, oder hast du schon Ersatz?“
„Vielleicht hat Prinz Lukas Zeit.“
„Das bringst du fertig, dir einen zukünftigen König als Sklaven zu halten.“
„Noch ist er mehr ein verliebter Schuljunge, dem ich die Unschuld genommen habe.“
„Du hast ihn also an den Eiern?“
„Funktioniert wie eine Fernbedienung und die Leine befindet sich praktischerweise direkt über den Eiern.“
Michail musste lachen angesichts dieser bildlichen Beschreibung.
Minuten danach warf Oxana die Kleidung aufs Bett, nahm sich zwei Flaschen Cola aus der Hotelbar und stieg in das Schaumbad. Eine Stunde später wählte sie ihr Outfit aus. Dabei achtete sie darauf, nicht zu sexy, sondern autoritär auszusehen. Niemand sollte aufgrund des Aussehens auf den Gedanken kommen, es mit einem dummen Blondchen zu tun zu haben. Fünf Minuten zu früh klopfte sie in Begleitung von Michail an der Tür von 230. Ein Bodyguard öffnete, schaute auf die Bildergalerie in seiner Hand und bat beide herein. In der Suite befanden sich drei weitere bewaffnete Wachen. Bei zwei konnte Oxana die gleiche Tätowierung erkennen, die auch Roman hatte. Erstaunt fielen die Blicke der Männer auf ihre Kette, deren Anhänger dasselbige darstellte. Das Mädchen, das sie sahen und die Geschichten über die Leistungen sowie Fähigkeiten, ließen sich schwer in Einklang bringen. Sie wussten aber um Oxanas Position in der Organisation und behandelten sie mit dem dementsprechenden Respekt. Spürbar mehr, als sie Michail entgegenbrachten. Etwas, das Oxana zum ersten Mal ihre Stellung bewusst werden ließ. Das steigerte sich noch, als sie in das Konferenzzimmer kamen. Nachdem Nikolaj beide herzlich begrüßt hatte, setzte sich Michail an das Ende des Tisches, während sie, wie Nikolaj, neben Wladimir Platz nahm.
Als alle Geladenen eingetroffen waren, schlossen die Bodyguards von außen die Tür und Wladimir begrüßte die Anwesenden.
„Ich möchte allen, die ihn noch nicht kennen, meinen neuen Stellvertreter Kolja vorstellen und seine Stellvertreterin Oxana. Er war vorher Bereichsleiter Sibirien Süd und hat Oxana entdeckt und in die Familie geholt.“
„Verzeih mir, aber mit den Federn möchte ich mich nicht allein schmücken. Das war nur möglich, weil Mischa mir Oxana vorgestellt hat, der ihre Talente erkannt hat“, unterbrach Nikolaj den Boss.
Alle am Tisch blickten anerkennend zu Michail.
„Anständig von dir, das Lob zu teilen, aber du hast sie in die Familie geholt.“
„Ich dachte nur, es ist besser, sie auf unserer Seite zu wissen, als irgendwann gegen uns.“
Mehrere Männer schmunzelten und einige blickten noch verwunderter in Richtung der einzigen Frau im Raum. Nicht alle wussten vollständig über dieses Mädchen Bescheid. Das änderte Wladimir jetzt.
„Wer sich bisher über ihre Anwesenheit und Position gewundert hat: Sie war sowohl Initiatorin des Onlinecasinos, mit dem wir das Geld waschen, als auch der Waffenproduktion, mit der wir langfristig unsere Geschäfte absichern.“
Anerkennendes Murmeln ging durch den Raum. Einer warf ein: „Nicht schlecht für so ein Küken.“
Oxana erhob sich und stützte dann die Hände auf die Hüften. „Hat schon mal ein Küken mit dir den Boden aufgewischt?“ Sie ging auf den Mann zu, griff nach seiner Hand und zwang ihn mit einer Ninjutsu‑Technik vor sich auf die Knie.
„Tut mir leid, falls ich Sie beleidigt haben sollte.“
Wortlos ließ sie die Hand wieder los und ging zurück auf ihren Platz. Innerlich grinste sie, denn jetzt würde sich ihr niemand mehr in der Runde überlegen fühlen, nur wegen ihres Geschlechts oder Alters.
„Andrej, stelle dich besser gut mit ihr, in ein paar Jahren wird sie das Oberhaupt der Familie sein.“
Aus Wladimirs Mund zu hören, was bislang unsichtbar im Raum schwebte, ließ den Anwesenden Oxana in einem anderen Licht erscheinen.
„Jetzt zum eigentlichen Grund unseres Zusammentreffens. Wie einige schon wissen, wird Jelzin am Freitag zurücktreten und Putin die Macht bis zur Wahl übernehmen. Es steht zu befürchten, dass er auch darüber hinaus an der Macht bleiben wird, wenn wir nichts dagegen unternehmen. Einige kennen ihn noch aus dem KGB und wissen: Er wird uns das Leben schwerer machen. Hat jemand Vorschläge?“
Oxana sah es als autoritärer an, wenn sie aufstand. „Der einzige Gegenkandidat mit Siegchancen wäre auch keine viel bessere Alternative. Deshalb sollten wir einen eigenen Kandidaten aufstellen. Mischa sagte mir, es stehen da zwei zur Auswahl. Würden die sich bitte vorstellen.“
Sie setzte sich wieder und sah in die Runde. In fast allen Blicken erkannte sie Respekt. Der erste Bewerber war zwar einnehmend und rhetorisch kompetent, doch fehlte ihm jegliche Bekanntheit, die für eine solche Wahl unabdingbar war. Dem zweiten Bewerber fehlte zwar jede politische Erfahrung, doch als ehemaliger Eishockeystar, war er im Volk bekannt und was noch wichtiger war: beliebt. Nachdem er sich vorgestellt hatte, bat Oxana den Politikfachmann zu seiner Einschätzung. Dieser erörterte, dass er den Sportler aufgrund des geringen Zeitfensters, für den geeigneteren Kandidaten halten würde, er aber in politischer Richtung mehr Ansehen gewinnen und auch Putin diskreditiert werden müsste. Als er fragte, ob da jemand Ideen hätte, erhob sich, zur Überraschung der Meisten, erneut Oxana.
„Ich habe Beziehungen, die es ermöglichen würden, hohe westliche Politiker als Unterstützer zu gewinnen. Das dürfte seinem politischen Ansehen zuträglich sein. Was da am vorteilhaftesten wäre, werde ich mit Ihnen unter vier Augen besprechen, Herr Koslow“, wendete sie sich dem Politexperten zu. „Das Zustandekommen der Beziehungen unterliegt der Geheimhaltung. Es ist ausreichend, wenn sie erfahren, wen ich beeinflussen kann“, fuhr sie fort.
Fast alle im Raum hatten eine Vergangenheit beim Geheimdienst. Dass Oxana nur die nötigen Informationen preisgab und nicht damit herumprahlte, wie sie diese erlangt hatte, ließ ihr Ansehen noch steigen. Koslow schien trotzdem etwas belustigt zu sein und schob eher rhetorisch eine Frage hinterher. „Haben Sie auch eine Idee, wie man Putin diskreditiert?“
„Er ist schwul!“
Zwei Sekunden lang herrschte Totenstille, dann ertönte allgemeines Gelächter. Peu à peu verebbte das Lachen, als die Männer erkannten, dass Oxana nicht scherzte.
„Sie meinen – er ist wirklich schwul?“
„Spielt das eine Rolle? Hauptsache, jeder glaubt es!“
Jetzt fingen die Ersten an zu verstehen.
„Wie wollen wir das glaubhaft vermitteln?“, fragte einer.
„Wir müssen jemanden aus seinem Umfeld finden, der käuflich ist und sich als sein Ex‑Geliebter outet. Bevorzugt jemand, der zu dem Zeitpunkt noch nicht volljährig war.“
Gehört zu haben, was sie geleistet haben soll, war eines, es live zu erleben, etwas ganz anderes. Alle fingen an zu verstehen, warum das Mädchen neben Wladimir am Tisch saß.
Die folgenden zwei Stunden referierte der Politikfachmann Koslow darüber, was zu unternehmen war. Dann unterbrach man die Sitzung bis zum nächsten Nachmittag. Es war noch früh genug für eine Partie Schach mit Michail.
„Toller Auftritt, du hast dir eine Menge Respekt verschafft.“
„War auch nötig, sonst hätte immer jemand Zweifel an meinen Ideen gestreut.“
„Stimmt. Den Kampfgriff habe ich dir aber nicht beigebracht!“
„Boris ist auch ein guter Lehrer“, dabei grinste Oxana ihn verschmitzt an.
„So gut kenne ich ihn nicht. Ahnte aber, dass ein so stilles Wasser tief ist.“
„Nach so vielen Stunden Kendo mit ihm solltest du dich auch nicht im Schwertkampf mit mir anlegen.“
„Ich bleib bei Schachfiguren“, lachte er.
Er musste feststellen, dass sie – im Gegensatz zu ihm – dabei auch immer besser wurde und an diesem Abend den Vorsprung in dem Duell auf drei Punkte ausbaute.
Am nächsten Vormittag beorderte Oxana den Berater in ihre Suite, wo sie ihm eine Liste der möglichen Unterstützer gab. Beim Studieren der Namen pfiff er mehrmals. Danach besprach er mit ihr, welche der Herren vorteilhaft wären. Noch in seinem Beisein richtete sie online einen Konferenzraum ein, zu dem nur er, Wladimir, Nikolaj, Michail und sie Zutritt hatten.
Die nächsten zwei Tage beschlossen sie in den Besprechungen die Aufgabenverteilungen, dann lösten sie die Sitzungen auf. Gemeinsam mit Michail und Nikolaj schaute sie sich die Rücktrittansprache von Jelzin an und feierte ins neue Jahrtausend.